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Motorenhersteller in der Krise Deutz will 1000 Stellen streichen

Der Kölner SDax-Konzern will jede vierte Stelle in Deutschland abbauen. Zwei Werke stehen zur Disposition. Im Unternehmen ist ein heftiger Streit entbrannt.
11.08.2020 - 07:30 Uhr 1 Kommentar
Der Motorhersteller will 100 Millionen Euro einsparen, um seine Mittelfristziele zu erreichen. Quelle: dpa
Arbeiter von Deutz

Der Motorhersteller will 100 Millionen Euro einsparen, um seine Mittelfristziele zu erreichen.

(Foto: dpa)

Düsseldorf Wenn Vorstandschef Frank Hiller am Dienstag die Quartalszahlen des Motorenherstellers Deutz vorlegt, wird er seinen Aktionären überwiegend schlechte Nachrichten überbringen müssen. Die Auftragseingänge des Kölner Traditionskonzerns sind wegen der Coronakrise im zweiten Quartal um fast 40 Prozent eingebrochen. Eine Prognose für 2020 traut sich der Konzern vorerst weiterhin nicht zu.

Hoffnung macht allein das Geschäft in Asien: Hier hatte der Manager sogar die mittelfristigen Ziele trotz Pandemie zuletzt noch einmal kräftig angehoben. Ab 2024, so versprach Hiller im März im Gespräch mit dem Handelsblatt, werde Deutz die Hälfte seiner Motoren in China fertigen.

Das hat nun aber offenbar für die Mitarbeiter in Deutschland erste Konsequenzen: Wie das Handelsblatt aus Unternehmenskreisen erfuhr, plant der Vorstand, ab 2021 jede vierte Stelle in Deutschland abzubauen. Zwei Werke sollen geschlossen werden.

Davon betroffen sind laut Planungspapieren, die dem Handelsblatt vorliegen, rund 160 Mitarbeiter im Wellenzentrum Köln-Porz und weitere rund 140 in der Teilefertigung im rheinland-pfälzischen Herschbach. Die Montage in Porz soll um 180 Mitarbeiter verkleinert werden. Empfindlich getroffen wird auch die Forschung und Entwicklung, wo knapp 180 Stellen gestrichen werden sollen. Weltweit soll die Belegschaft von rund 4600 auf 3600 Mitarbeiter reduziert werden.

Der Vorstand nennt seine Pläne „Transform for Growth“. Die Kosten des kriselnden Motorenbauers sollen um gut 100 Millionen Euro sinken. In einem Eckpunktepapier, das der Vorstand mit dem Betriebsrat vereinbaren will, werden strukturelle Kostensenkungen von rund 15 Prozent als notwendig bezeichnet, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens nachhaltig zu sichern. Die aktuellen Personal- und Sachkosten lägen bei rund 700 Millionen Euro.

Noch steht das Vorhaben unter dem Vorbehalt, dass die Arbeitnehmer zustimmen. Dabei soll nach den Planungen weniger als die Hälfte des Abbaus über die natürliche Fluktuation erreicht werden. 350 Mitarbeiter sollen über ein Freiwilligenprogramm ausscheiden, das im September starten soll. Während der Laufzeit soll auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet werden. Für den Rest wollen die Parteien einen Sozialplan beschließen.

Vor allem das mögliche Aus für die Wellenfertigung in Porz kommt überraschend. Erst 2015 hatte der Konzern 26 Millionen Euro in den neuen Standort investiert, an dem seither Nocken- und Kurbelwellen für die Motorenherstellung produziert werden. Diese Aufgabe könnte womöglich das spanische Werk in Zafra übernehmen, das Unternehmenskreisen zufolge zu geringeren Kosten produziert.

Einsparvolumen von 100 Millionen Euro

Wer bleibt, wird wohl mit Einbußen beim Gehalt rechnen müssen. So heißt es im Eckpunktepapier, die Unternehmensleitung sehe die Notwendigkeit, sich im Bereich der Personalkosten „im globalen Standortwettbewerb“ aufzustellen. Es gebe „Anpassungsbedarf in der Modernisierung aller Vergütungsstrukturen“. Auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie auf die komplette Tariferhöhung von 2020 sollen die Mitarbeiter verzichten.

Im Gespräch mit dem Handelsblatt erklärte Vorstandschef Hiller: „Wir haben zu Beginn des Jahres, also vor der Coronakrise, ein Effizienzprogramm aufgesetzt, das die Ergebnisentwicklung und unsere Mittelfristziele in einem herausfordernden Umfeld absichern soll.“ Ab Ende 2022 sollen so Einsparungen in Höhe von jährlich 100 Millionen Euro erzielt werden. „Davon betroffen sind weltweit etwa 1000 Stellen“, sagte Hiller.

Den Aktionären hatte Hiller versprochen, die Ebit-Marge des Motorenherstellers von zuletzt 4,3 Prozent im Jahr 2019 vor Sondereffekten auf sieben bis acht Prozent zu steigern. Auch am mittelfristigen Umsatzziel von zwei Milliarden Euro hält der Manager bislang fest – auch wenn die Coronakrise in den vergangenen Monaten ein tiefes Loch in die Planungen gerissen hat.

So fiel die Ebit-Rendite zwischen Januar und Juni auf minus acht Prozent. Der Auftragseingang brach im Vergleich zum Vorjahr um fast 35 Prozent auf rund 623,6 Millionen Euro ein. Mit einem Minus von 4,5 Prozent entwickelte sich das Servicegeschäft, das rund 27 Prozent der Umsätze ausmachte, noch am stabilsten – während der Umsatz bei den für Deutz wichtigen Motoren für Baumaschinen um fast ein Drittel einbrach.

Branchenbeobachter sind daher skeptisch, ob Deutz die Mittelfristziele einhalten wird. „Ich gehe eher davon aus, dass die Umsatz- und Renditeziele erst ein bis zwei Jahre später erreicht werden können“, sagte ein Analyst. Denn die Ziele seien weit vor der Coronakrise festgelegt worden. „Das entspricht auch dem Konsens der meisten meiner Kollegen.“

Für das zweite Quartal rechnen die Analysten erneut mit herben Verlusten. Dennoch geben die meisten von ihnen einen grundsätzlich positiven Ausblick: Von zwölf befragten Analysten empfehlen derzeit neun die Deutz-Aktie zum Kauf. Zwei weitere empfehlen, die Aktie zu halten – zu einem Verkauf rät keiner.

Damit dürfte auch die Asien-Strategie des Motorenherstellers zu tun haben. Denn die Wachstumsziele beispielsweise in China sind ambitioniert: So will der Konzern bis 2022 den Umsatz in der Volksrepublik auf 800 Millionen Euro steigern. Erst im März, also mitten in der Coronakrise, hatte Deutz dieses Ziel von ursprünglich 500 Millionen Euro angehoben.

Mit dem Sparprogramm sollen gleichzeitig die Kosten gesenkt werden. Einen Teil des Abbaus hat Deutz dabei schon hinter sich gebracht. „380 Arbeitsplätze konnten wir im ersten Halbjahr unter anderem durch die Reduktion der Anzahl an Leiharbeitnehmern bereits abbauen“, sagte Hiller.

Für die deutschen Standorte sei ein Freiwilligenprogramm geplant, über das weitere 350 Stellen abgebaut werden sollen. „Der Abbau der darüber hinausgehenden Stellen soll bis 2022 im Zuge auslaufender befristeter Verträge sowie durch natürliche Fluktuation erfolgen“, so der Vorstandschef.

Wie sich die Stellen über die einzelnen Standorte aufteilen sollen, erklärte Hiller allerdings nicht – und berief sich auf die noch andauernden Verhandlungen mit den Arbeitnehmern. „Über die genauen Modalitäten des Personalabbaus, darunter auch Standort- und Beschäftigungssicherungsmaßnahmen, verhandeln wir aber derzeit noch mit dem Betriebsrat.“

Doch der Unmut in der Belegschaft wächst. In der Kritik steht auch die stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Corinna Töpfer-Hartung, die zudem als Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats die Interessen der Beschäftigten vertreten soll – und das Papier mit dem Vorstand verhandelt hat.

So soll Töpfer-Hartung bereits im Herbst, also vor Corona, vom Vorstand über den damaligen Stand der Pläne unterrichtet worden sein. Als sie die Belegschaft jedoch im November zur Betriebsversammlung lud, sei bloß „über Elektrofahrräder“ gesprochen worden, klagt einer der Mitarbeiter heute. Von Kürzungsplänen sei nicht die Rede gewesen.

Klage vor dem Bundesarbeitsgericht

Eine Anfrage des Handelsblatts ließ Töpfer-Hartung unbeantwortet. Ihren Ärger mit der Betriebsratschefin brachten Teile der Arbeitnehmervertretung mittlerweile sogar vors Bundesarbeitsgericht: Drei Mitglieder des Betriebsrats klagen dort gegen das Unternehmen, weil sie Unregelmäßigkeiten bei der Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat bei Deutz im Jahr 2018 vermuten.

Das Arbeitsgericht sowie das Landesarbeitsgericht in Köln gaben den Klägern in ihren Urteilen recht und erklärten jeweils die Wahlen inklusive der Ergebnisse für unwirksam. Die Richter des Landesarbeitsgerichts monierten, dass bei der Wahl gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen worden sei – etwa durch eine teilweise nichtöffentliche Auszählung der Stimmen. Zudem sei ein Wahlvorstandsmitglied nicht durchgängig bei der Auszählung anwesend gewesen.

Über weitere Kritikpunkte der Kläger urteilten die Richter nach eigener Aussage nicht, weil die genannten Punkte bereits ausreichten, um die Wahl für unwirksam zu erklären. Die Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht indes steht noch aus. Eine Sprecherin des Gerichts erklärte, mit einem Urteil sei in diesem Jahr wohl nicht mehr zu rechnen.

Bekommen die Kläger recht, so muss die Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat wiederholt werden. Nach Ansicht von Rechtsexperten sind die bisherigen Beschlüsse des Kontrollgremiums davon jedoch nicht berührt und bleiben auch im Fall einer höchstrichterlichen Entscheidung gültig. Zu dem Prozess äußerte sich Deutz unter Verweis auf das laufende Verfahren nicht.

Mehr: Nach dem gescheiterten Joint Venture mit FAW versucht Deutz in China einen erneuten Anlauf

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1 Kommentar zu "Motorenhersteller in der Krise: Deutz will 1000 Stellen streichen"

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  • Es werden vielen Fachkräfte frei werden, die neue Arbeitgeber suchen müssen. Ein Teil dieser Fachkräfte könnten in den Branchen Arbeit finden, die derzeit über Personalmangel klagen, Qualifikation vorausgesetzt. Mit dem BlaBla, dass der Staat nicht investieren kann, da die Fachkräfte fehlen, gilt dann ab gleich nicht mehr. Mal sehen ob unsere Politiker ihren Sprech dann ändern werden. Bin gespannt, welche Ausreden nun hinausposaunt werden, dass man ja nicht staatlicherseits investieren muss.

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