Motorhersteller Deutz-Chef Frank Hiller: „Es wird beim fossilen Verbrenner ein Endgame geben“

Der Manager rechnet damit, dass der Dieselmotor noch viele Jahre eingesetzt wird – aber dennoch ein Ablaufdatum hat.
Düsseldorf Der Kölner Motorhersteller Deutz rechnet nach der Coronakrise mit einem Aufschwung. Dank der starken Erholung in China konnte der SDax-Konzern zuletzt erfreuliche Zahlen vermelden. „Im Moment ist eher die Materialversorgung eine Herausforderung“, sagte Vorstandschef Frank Hiller im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Das fängt bei Mikrochips an, geht über bestimmte Steckverbindungen bis zum Kunststoff selbst.“
Den Knappheiten versucht der Konzern durch eine veränderte Einkaufsstrategie zu begegnen. Dabei helfe die starke Präsenz in China, wo Deutz seit einigen Jahren etwa ein Joint Venture mit dem Baumaschinenhersteller Sany betreibt. Über den Einkauf in China versuche Deutz, die steigenden Kosten zu kompensieren. „Die Bedeutung Chinas und Asiens insgesamt als wichtiger Bestandteil der Lieferkette hat zugenommen“, sagte Hiller.
Auch produktseitig stellt sich Deutz auf gravierende Marktverschiebungen ein. So werde es etwa um den Dieselmotor, derzeit die wichtigste Produktkategorie im Konzern, ein Endspiel geben, so Hiller. Einen komplett neu entwickelten Motor werde es von Deutz nicht mehr geben – „sondern nur in einer Kooperation, wie wir das beispielsweise mit John Deere machen“.
Lesen Sie hier das gesamte Interview:
Herr Hiller, die Zahlen für das zweite Quartal sind sehr gut ausgefallen. Wie hat sich die Lage seither entwickelt?
Wir profitieren derzeit einerseits von den Effizienzmaßnahmen, die wir in den vergangenen anderthalb Jahren eingeleitet haben. Andererseits hat sich auch der Markt komplett erholt. Im Moment ist eher die Materialversorgung eine Herausforderung. Das fängt bei Mikrochips an, geht über bestimmte Steckverbindungen bis zum Kunststoff selbst.
Können Sie die Preissteigerungen an Ihre Kunden weitergeben?
Es kommt auf die Verträge an. In einigen Fällen ist das möglich, dort machen wir das auch. Wir versuchen aber auch, vieles über unsere China-Strategie zu kompensieren. Dort haben wir unser gesamtes Geschäft lokalisiert und teilweise auch parallele Lieferstrukturen aufgebaut. Über diese zweite Sourcing-Quelle können wir die Kosten im Griff halten.
Ist damit auch ein grundsätzlicher Wandel in der Einkaufsstrategie verbunden?
Als wir vor drei Jahren mit unserer China-Strategie begonnen haben, hatten wir eigentlich nur den Absatzmarkt im Blick. Das ist heute immer noch das wichtigste Thema. Aber die Bedeutung Chinas und Asiens insgesamt als wichtiger Bestandteil der Lieferkette hat zugenommen. Das kommt uns zusätzlich zugute.
Sie sind mit mehreren Landmaschinenherstellern zuletzt Kooperationen bei der Entwicklung und Fertigung von Motoren eingegangen. Bahnt sich in der Branche eine Konsolidierung an?
Das ist nicht nur im Agrarbereich ein Thema, sondern auch bei den Baumaschinen. Der Wandel weg vom fossilen Verbrennungsmotor ist im Pkw-Bereich beschlossene Sache. Zeitverzögert passiert das auch im Nutzfahrzeugbau. Hier ist die Technologievielfalt in Zukunft größer, es gibt Elektromotoren, Wasserstoffantriebe, synthetische Kraftstoffe. Gleichzeitig müssen wir den Verbrennungsmotor weiterentwickeln. Das alles führt zu einer Konsolidierung.
„Wir werden keinen völlig neuen Diesel mehr entwickeln“
In welcher Position sehen Sie Deutz?
Wir wollen im Offroad-Bereich als aktiver Konsolidierer auftreten. Mit unserer Verbrennertechnologie bieten wir dafür eine gute Plattform. Wir gehen davon aus, dass wir noch lange Verbrennungsmotoren produzieren werden, vor allem, wenn man Märkte außerhalb Europas in den Blick nimmt. Gleichzeitig wollen wir auch bei den neuen Antrieben in unserem Segment die Ersten sein – zum Beispiel beim wasserstoffbasierten Verbrennungsmotor. Denn es wird beim fossilen Verbrenner ein Endgame geben.
Wie soll dieser Spagat gelingen?
Wir können mit unseren Dieselmotoren noch lange ausreichend Profitabilität generieren, um den Wandel zu neuen Antrieben zu finanzieren. Bald werden die ersten Serienfahrzeuge unserer E-Deutz-Serie auf den Markt kommen, die batterieelektrisch betrieben werden. Aber auch Wasserstoff ist für uns ein Thema, ebenso wie Erdgas und Biodiesel.
Dadurch steigt die Komplexität. Gilt das auch für die Kosten?
Wenn wir das so machen würden, wie wir das in der Vergangenheit mit dem Verbrennungsmotor gemacht haben, dann würde unser Entwicklungsbudget explodieren. Deshalb muss man genau schauen: Was macht man, was macht man nicht? Wir werden beispielsweise selbstständig keinen völlig neuen Dieselmotor mehr entwickeln – sondern nur in einer Kooperation, wie wir das beispielsweise mit John Deere machen. Oder wir entwickeln einen bestehenden Motor weiter.
Gleichzeitig wollen Sie als Konsolidierer auftreten. Wonach halten Sie Ausschau?
Am Anfang wird es um Kooperationen gehen, nicht direkt um Übernahmen. Wenn dann eine neue Technologie wirklich in die Anwendung geht, dann wird es wichtig, die Wertschöpfungstiefe zu erhöhen. Deshalb haben wir vor einigen Jahren den E-Bootsmotorhersteller Torqeedo gekauft. Damit haben wir heute die gesamte Systemkompetenz bei der Elektrifizierung.
Herr Hiller, vielen Dank für das Gespräch.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.