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mRNA-Pioniere Reaktion auf Patent-Debatte: Biontech und Moderna bauen Werke in Afrika

Biontech und Moderna rüsten sich für die Zeit nach Covid. Die mRNA-Spezialisten reagieren mit dem rapiden Ausbau ihrer globalen Produktionsstrukturen.
02.11.2021 - 04:00 Uhr Kommentieren
Der Konzern baut eine moderne Produktionsstätte für mRNA-basierte Impfstoffe in Ruanda auf. Quelle: imago images/Beautiful Sports
Biontech-Impfstoff

Der Konzern baut eine moderne Produktionsstätte für mRNA-basierte Impfstoffe in Ruanda auf.

(Foto: imago images/Beautiful Sports)

Frankfurt Ihre Covid-Impfstoffe haben die beiden mRNA-Entwickler Biontech und Moderna an die Spitze der weltweiten Impfstoff-Industrie katapultiert. Nun treiben die Unternehmen auch den Ausbau ihrer globalen Produktions- und Vertriebsstrukturen mit ungewöhnlichem Tempo voran.

Den jüngsten Beleg für die ambitionierten Ausbaupläne lieferte Biontech in der vergangenen Woche mit der Ankündigung, in Kooperation mit der ruandischen Regierung und dem Institut Pasteur de Dakar eine hochmoderne Produktionsstätte für mRNA-basierte Impfstoffe in Ruanda aufzubauen.

Der Bau soll Mitte 2022 beginnen und wird von dem Mainzer Unternehmen als nächster Schritt auf dem Weg zu einer „nachhaltigen End-to-End-Lösung für die Impfstoffversorgung auf dem afrikanischen Kontinent“ beschrieben. „Unser Ziel ist es, Impfstoffe in der Afrikanischen Union zu entwickeln und nachhaltige Impfstoffproduktionskapazitäten aufzubauen, um gemeinsam die medizinische Versorgung in Afrika zu verbessern”, erklärte Firmenchef Ugur Sahin.

Nur wenige Wochen zuvor hatte auch der US-Konkurrent Moderna bekannt gegeben, dass er ebenfalls eine mRNA-Impfstoff-Produktionsanlage in Afrika errichten und dafür 500 Millionen Dollar investieren will. Ziel ist es nach Angaben des US-Unternehmens, Kapazitäten für die Produktion von bis zu 500 Millionen Dosen jährlich zu schaffen. Der Standort steht in diesem Fall noch nicht fest. Er gehe davon aus, dort sowohl Covid-Impfstoffe als auch andere mRNA-Vakzine herzustellen, kündigte Firmenchef Stephane Bancel an.

Die beiden Afrikaprojekte der Impfstoffentwickler dürften zumindest in gewissem Grade auch davon motiviert sein, Forderungen nach einer Freigabe von Patenten und der Übertragung von Technologiewissen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Versorgung des afrikanischen Kontinents mit Covid-Impfstoffen gilt nach wie vor als ungenügend, und den beiden führenden Akteuren im Covid-Impfstoffbereich, insbesondere Moderna, wird häufig vorgehalten, generell noch zu wenig Impfstoffe für einkommensschwache Länder zu produzieren.

Üppige Finanzreserven

Doch auch unabhängig von solchen Erwägungen passen die Projekte auch in die globalen Expansionsstrategien der Biotech-Aufsteiger. Beide Firmen sind mit dem Langfristziel angetreten, weltweit zu führenden biopharmazeutischen Unternehmen aufzusteigen. Der Erfolg der Covid-Impfstoffe hat diese Entwicklung enorm beschleunigt und beschert den mRNA-Spezialisten zudem umfangreiche Finanzressourcen. Beide Firmen steuern im laufenden Jahr auf um die 20 Milliarden Dollar Umsatz zu. Moderna verfügte nach eigenen Angaben Anfang September über 15 Milliarden Dollar Cash-Reserven. Reserven in vergleichbarer oder noch größerer Dimension dürften sich in den nächsten Quartalen auch bei Biontech ansammeln.

Für das Mainzer Unternehmen ist das Vorhaben in Afrika bereits das dritte eigene Produktionsprojekt seit dem Start der Covid-Impfstoff-Entwicklung im vergangenen Jahr. Dazu gehört primär bisher das 2020 von Novartis erworbene, anschließend umgerüstete und inzwischen auf Hochtouren laufende Werk in Marburg. Bereits im Juni kündigte Biontech außerdem den Bau einer eigenen Anlage in Singapur an, die 2023 in Betrieb gehen soll.

Hinzu kommt das umfangreiche Produktionsnetzwerk, das die Mainzer im Zuge der Covid-Impfstoff-Allianz mit dem US-Konzern Pfizer aufgebaut haben. Es umfasst zusätzlich zu den Biontech-Werken in Mainz, Marburg und Idar-Oberstein eine ganze Reihe von Produktionsanlagen von Pfizer sowie diverse externe Auftragsfertiger und Vorlieferanten.

Im Rahmen ihrer Kooperation haben Biontech und Pfizer zudem Produktionsallianzen für die Herstellung des Covid-Impfstoffs mit dem südafrikanischen Pharmaunternehmen Biovac und der brasilianischen Firma Eurofarma vereinbart.

Außerhalb der Covid-Aktivitäten verstärkte sich Biontech zuletzt durch die Übernahme einer Forschungs- und Produktionsstätte des US-Unternehmens Gilead in Gaithersburg im US-Bundesstaat Maryland. In diesem Fall geht es allerdings nicht um Impfstoffe, sondern um Zelltherapien.

Moderna stützt sich vor allem auf eigene mRNA-Produktionsanlagen

Moderna stützt sich unterdessen bisher vor allem auf die eigenen mRNA-Produktionsanlagen in Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts und auf eine umfangreiche Produktionsallianz mit dem Schweizer Auftragsfertiger Lonza, der den Covid-Impfstoff des US-Unternehmens unter anderem in Spanien, der Schweiz und den Niederlanden produziert.

Für junge Biotech-Firmen ist ein derart starkes Engagement in der Produktion ungewöhnlich. In der Regel setzen solche Firmen zunächst ausschließlich auf Auftragsfertiger oder auf Partner aus der Pharmabranche. Nur wenige Branchenpioniere wie Amgen oder Biogen haben im Laufe von Jahrzehnten eigene globale Produktionsstrukturen aufgebaut.

Moderna und Biontech befinden sich im Vergleich zu den allermeisten Biotech-Firmen allerdings in einer Sondersituation. Zum einen wird ihre Globalisierung in der Produktion schlicht von der enormen Nachfrage nach den Covid-Vakzinen getrieben. Denn die beiden mRNA-basierten Impfstoffe haben sich de facto als führende Produkte durchgesetzt und dürften eher noch Marktanteile gegenüber anderen Impfstoffen, etwa den chinesischen Covid-Vakzinen, gewinnen. Die geplanten Produktionsmengen von etwa vier Milliarden Dosen in diesem und mehr als sechs Milliarden Dosen im kommenden Jahr sowie das damit verbundene Geschäftsvolumen übersteigen den bisherigen globalen Impfstoffmarkt von etwa 35 Milliarden Dollar erheblich.

Zum anderen zwang letztlich auch die Technologie zum Produktionsaufbau. Wirkstoffe aus mRNA repräsentieren eine neue Substanzklasse, die im Pharmabereich vor 2021 noch gar nicht etabliert war. Es gab daher keine etablierten Herstellverfahren oder Auftragsfertiger, auf die die Biotech-Firmen hätten zurückgreifen können. Schon lange vor der Covid-Pandemie mussten Biontech und Moderna daher eigene Produktionsanlagen etablieren, um die Wirkstoffe für ihre klinischen Studien herzustellen.

Beide Firmen verfolgen weitere klinische Forschungsprojekte

Ein weiterer Treiber hinter den Ausbauplänen sind die ambitionierten Entwicklungsstrategien. Beide Firmen verfolgen neben den Covid-Vakzinen bereits mehr als ein Dutzend weiterer klinischer Forschungsprojekte und wollen ihre mRNA-Technologieplattform nutzen, um auf breiter Front neue Impfstoffe und andere Medikamente zu entwickeln. Darunter sind auch diverse Impfstoffe, die in Afrika, Südamerika und Südostasien besonders stark benötigt werden. Sie können insofern darauf hoffen, ihre neuen Kapazitäten durch zusätzliche Produkte auszulasten, wenn der Covid-Boom wieder abflaut.

Mehr: Moderna wohl stärker als Biontech bei Impfwirkung

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