Neue Konzernstruktur Das sind die wichtigsten Fragen zum radikalen Siemens-Umbau
München Das industrielle Kerngeschäft von Siemens sind künftig die „Digitalen Industrien“ und die „Intelligenten Infrastrukturen“. Was das konkret bedeutet? Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten für Mitarbeiter und Investoren.
1. Warum baut Vorstandschef Joe Kaeser den Traditionskonzern so massiv um?
Joe Kaeser glaubt, dass die Ära der traditionellen Mischkonzerne vorüber ist. In Zeiten der Digitalisierung ändere sich die Welt so schnell, dass fokussierte Spezialisten bessere Chancen hätten. Daher wird Siemens in der „Vision 2020+“ zu einer operativen Holding mit weitgehend eigenständigen Geschäften.
2. Wie sieht der neue Siemens-Konzern aus?
Die Bereiche „Digitale Industrien“ mit der „Digitalen Fabrik“ und der Automatisierung der Prozessindustrie sowie die „Intelligenten Infrastrukturen“ mit der Gebäudetechnik und dem Energiemanagement bilden künftig das operative Kerngeschäft. Daneben stehen die „strategischen Unternehmen“: Darunter fallen die Mehrheitsbeteiligung an Healthineers sowie die Bahntechnik. Dagegen wird die kriselnde Energiesparte „Gas and Power“ abgespalten und an die Börse gebracht. Da Siemens die Mehrheit abgibt, werden die Umsätze nicht mehr konsolidiert. Der neue Siemens-Konzern wird also deutlich kleiner sein.
3. Wie erfolgt die Abspaltung des Energiegeschäfts?
Siemens gliedert das Geschäft in ein neues Unternehmen aus. In dieses wird dann auch die Mehrheitsbeteiligung am Windkraft-Spezialisten Siemens Gamesa eingebracht. Die Siemens Power AG – der genaue Name steht noch nicht fest – wird danach an die Börse gebracht. Die Aktien gehen per Spin-Off an die Siemens-Anteilseigner. Die Siemens AG bleibt aber Ankeraktionär mit einer starken Minderheitsbeteiligung.
4. Was entsteht da für ein neuer Energietechnik-Konzern?
Das abzuspaltende Unternehmen kommt auf 30 Milliarden Euro Umsatz und mehr als 80.000 Beschäftigte. In Deutschland sind laut IG Metall mehr als 20.000 Mitarbeiter an knapp 20 Standorten betroffen. Laut Arbeitnehmern wird der Sitz des neuen Unternehmens in Deutschland sein – das Siemens-Management hielt sich in dieser Frage bedeckt.
Das neue Unternehmen ist in der Energieerzeugung ebenso aktiv wie in der Energieübertragung. Im Portfolio sind konventionelle Gaskraftwerke ebenso wie Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien. Als einziges Unternehmen weltweit decke es damit die gesamte Energiewertschöpfungskette ab, schwärmte Siemens-Vorstand Lisa Davis, die die Sparte führt. Kaeser kann sich vorstellen, dass das neue Unternehmen eines Tages ein Kandidat für den deutschen Aktienindex Dax ist. Zuletzt litt Siemens allerdings unter dem Markteinbruch bei großen Gasturbinen, traditionell eine der Stärken von des Unternehmens.
5. Was bedeutet die Umstrukturierung für die Siemens-Mitarbeiter?
Die Beschäftigten der Energiegeschäfte wechseln in das neue Unternehmen. Laut IG Metall gelten für sie weiterhin besondere Siemens-Sicherheiten: Das Radolfzeller Abkommen, das betriebsbedingte Kündigungen in Deutschland weitgehend ausschließt, die Tarifbindung und die Mitbestimmung zum Beispiel. Beim Siemens-Kernkonzern werden im Zuge der „Vision 2020+“ mehr als 10.000 Stellen abgebaut. Betroffen sind insbesondere Verwaltungsfunktionen. Siemens will insgesamt bis 2023 rund 2,2 Milliarden Euro einsparen. Vorstandschef Kaeser betonte, dass der Stellenabbau möglichst sozialverträglich erfolgen soll. Zudem wolle der Konzern im Gegenzug bis 2023 auch rund 20.500 neue Stellen schaffen – zum Beispiel im Vertrieb sowie im Bereich Forschung und Entwicklung.
6. Was bedeuten die Beschlüsse für die Aktionäre?
Die Siemens-Aktionäre bekommen Anteilsscheine des neuen Energietechnik-Unternehmens. Sie können dann selbst entscheiden, ob sie weiter auch im Kraftwerksgeschäft investiert bleiben wollen. Investoren hoffen, dass Siemens als reiner Digitalkonzern deutlich höher bewertet wird, da die verbliebenen Geschäfte margenstärker sind und bessere Wachstumserwartungen haben.
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