Neue Medikamente Wer soll das bezahlen?

Preisdebatte dürfte sich vor allem um neue Mittel gegen Krebs und überhöhte Cholesterinwerte drehen.
Frankfurt/New York Im Pharma- und Biotechsektor stehen derzeit die Zeichen auf Expansion und Optimismus. Dank zahlreicher Erfolge in der Genom- und Biotechforschung kann sich die Branche über so viele Neuzulassungen wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr freuen. Investoren wetten auf beschleunigtes Wachstum und steigende Gewinne.
Die Entwicklung indessen dürfte auch den Streit über die Pharmapreise weiter anheizen. War es im vergangenen Jahr vor allem der US-Biotechkonzern Gilead, der mit sehr hohen Preisen für seine neuartigen Hepatitismedikamente Kritiker auf den Plan rief, dürfte sich die Preisdebatte nun wieder vor allem um neue Mittel gegen Krebs und überhöhte Cholesterinwerte drehen.
Voraussichtlich in wenigen Tagen wird das neue Hautkrebs- und Lungenkrebsmittel Opdivo vom US-Konzern Bristol-Myers Squibb (BMS) seine erste Zulassung in Europa erhalten. Der Wirkstoff gilt als Topkandidat unter den neuartigen Immuntherapeutika, die derzeit für Furore in der Onkologie sorgen. Denn sie verkörpern ein neues, besonders vielversprechendes Wirkprinzip, indem sie die Immunabwehr gegen Krebs stimulieren. In den USA ist Opdivo bereits zugelassen und wird dort zu einem Preis von etwa 150.000 Dollar für eine Jahrestherapie vermarktet.

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Zum geplanten Preis in Europa macht BMS noch keine Angaben, er dürfte sich aber in ähnlicher Größenordnung bewegen. BMS-Deutschland-Chef Han Steutel sagt dazu nur so viel: „Wir sind überzeugt davon, dass das Medikament einen hohen Nutzen liefert.“ Analysten gehen davon aus, dass Opdivo bis Ende des Jahrzehnts zum zweitstärksten Produkt der Pharmabranche aufsteigen wird – mit dann mehr als acht Milliarden Dollar Umsatz. Eine ganze Reihe ähnlicher Immuntherapien befindet sich in klinischer Entwicklung, unter anderem bei der Darmstädter Merck-Gruppe sowie bei Roche, Astra-Zeneca und Novartis.
Nach Daten der Beratungsgruppe EY hat sich alleine bei den 20 führenden Firmen der Branche die Zahl der Entwicklungsprojekte im letzten Jahr um mehr als ein Viertel auf fast 3600 erhöht. „Die Wirkstoffe in der Pipeline dürften in Zukunft für weiteres Wachstum sorgen“, erwarten die EY-Pharmaexperten Siegfried Bialojan und Gerd Stürz.
Viele Krebsmediziner betrachten die neuen Mittel zwar als wichtigen Durchbruch, fürchten andererseits aber auch, dass die Behandlungskosten in untragbare Höhen katapultiert werden – vor allem, weil die neuen Immuntherapien meist in Kombination mit weiteren, ebenfalls bereits teuren Präparaten eingesetzt werden müssen. „Das ist unhaltbar“, warnte der US-Mediziner Leonard Saltz jüngst auf der Jahrestagung der amerikanischen Krebsforscher (ASCO). „Als jemand, der die Krebsbehandlung für jedermann zugänglich machen will, habe ich ein großes Problem damit. Diese Medikamente kosten zu viel.“ Um die Preise im Zaum zu halten, versuchen US-Versicherer inzwischen verstärkt, den Rabattwettbewerb unter den Herstellern zu forcieren.
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