Neue Produkte Bayer verspricht sich Milliardenumsätze in der Landwirtschaft

Bauern wollen auf Glyphosat noch nicht verzichten, Bayer forscht bereits an einer Alternative.
Düsseldorf Für den Kauf des Saatgutherstellers Monsanto hat Bayer in der Öffentlichkeit und bei vielen Investoren bisher kaum Applaus geerntet: Die einen sind entsetzt wegen grüner Gentechnik und des schlechten Rufs des US-Konzerns. Die anderen fürchten um Bayers Finanzkraft, wenn der Konzern zur Beilegung des Rechtsstreits um das glyphosathaltige Monsanto-Mittel Roundup in den USA bald Milliarden auf den Tisch legen muss.
Im Bayer-Management hingegen wird der 63 Milliarden Dollar teure Deal noch immer in höchsten Tönen gelobt. Da geht es um die Biotechexpertise der Monsanto-Forscher, die starke Marktposition in der Landwirtschaft und die aussichtreichen Geschäftschancen. Am Donnerstag war wieder so ein Tag, an dem der Leverkusener Konzern die positiven Seiten der Übernahme zu unterstreichen versuchte.
Die Führungsriege der Bayer-Division Crop Science gewährte Einblick, an welchen Projekten die Forscher arbeiten – und damit in die Pläne und Ziele für die nächsten Jahre. Die Dimensionen sind groß: Rund 30 Milliarden Euro an neuem Umsatz sollen die vielversprechendsten Produktkandidaten aus der Agrarforschung dem Konzern einmal bringen. Es geht um neues Saatgut, mögliche Glyphosat-Ersatzstoffe und digitale Landwirtschaft.
Eine Abkehr von Glyphosat als weitverbreiteter Unkrautvernichter in der Landwirtschaft ist bei Bayer allerdings nicht vorgesehen – trotz aller Diskussionen um dessen mögliche Krebswirkung. Bayer sieht weiterhin keine Gesundheitsgefahr durch das Mittel und fühlt sich durch die Zulassungsbehörden gestärkt. Jüngst hat die amerikanische Umweltbehörde EPA das Mittel erneut als sicher eingestuft und eine weitere Zulassung um zehn Jahre genehmigt.
Das Mittel ist für Bayer wichtig, damit das Agrargeschäft auf mittlere Sicht weiter brummt. Die Landwirte vor allem in den USA und Lateinamerika wollen nicht darauf verzichten. Der Einsatz von Glyphosat gegen Unkraut und das gleichzeitige Pflanzen von Saatgut, das resistent gegen das Mittel ist, soll ihnen weiterhin gute Ernten sichern.
Durchbruch bei der Entwicklung angekündigt
Ein ähnlich wirksames Mittel zur Unkrautvernichtung ist kurzfristig nicht in Sicht. Bayer sprach am Donnerstag zwar von einem „Durchbruch“ bei der Entwicklung eines neues Herbizid-Moleküls. Es befindet sich aber noch in einer sehr frühen Testphase. Ähnlich wie bei Arznei-Kandidaten müssen sich auch Pflanzenschutzmittel einem intensiven Prüfungsprozess unterziehen, der bis zur Markteinführung bis zu acht Jahre dauern kann.
Für Bayer ist die Entwicklung eines neuen Herbizids wichtig, weil die Resistenzen gegen Glyphosat in den kommenden Jahren deutlich zunehmen werden. Vom Geschäftsmodell her soll das jetzt entdeckte Molekül einmal genauso wie Glyphosat funktionieren: Bayer will parallel Nutzpflanzen züchten, die gegen das neue Mittel resistent sind, und damit in Kombination verkauft werden können.
Gentechnik spielt in der Forschung an neuem Saatgut für Bayer eine große Rolle. Etwa bei der Entwicklung einer neuen Maissorte, die niedriger wächst, standfester und somit weniger anfällig ist. Der Konzern nutzt dabei zwar auch klassische Züchtungsmethoden. Schneller und zielgerichteter dürften die gewünschten Eigenschaften aber mit der neuartigen Genom-Editierung erreicht werden. Dabei werden einzelne Abschnitte im Gen einer Pflanze abgeschaltet, und die DNA wird somit verändert.
Vergleiche vor dem Abschluss
Das ist noch Zukunftsmusik. Doch die in Aussicht gestellten Milliardenumsätze durch Neuentwicklungen wird Bayer aus einem realen Grund gut gebrauchen können. In den USA verhandeln die Konzernanwälte derzeit die letzten Details einer außergerichtlichen Einigung mit Tausenden Klägern, die ihre Krebserkrankung auf den Einsatz des Glyphosat-Mittels Roundup zurückführen.
In der Branche wird erwartet, dass Bayer vor der Hauptversammlung im April zu einer Lösung mit den Klägeranwälten kommt – möglicherweise gelingt dies schon vor der Ende Februar angesetzten Bilanzpressekonferenz. Eine Vergleichssumme von rund zehn Milliarden Dollar steht im Raum.
In Kreisen des Konzerns heißt es, man setze sich bei einem möglichen Vergleich nicht unter Zeitdruck. Auch der Termin der Hauptversammlung spiele dabei keine entscheidende Rolle. Wichtiger sei vielmehr, dass man eine wasserdichte Lösung finde, mit der eine neue Klagewelle in Zukunft vermieden werden kann.
Eine solche Klagewelle ist nicht unwahrscheinlich. Denn wenn in einigen Jahren Erkrankungen an Lymphdrüsen-Krebs diagnostiziert werden, können die Betroffenen in den USA dafür den Einsatz von Glyphosat verantwortlich machen. Bayer wird dies nicht vollständig ausschließen können, will aber nicht noch einmal in die Situation geraten, dass mehr als 40.000 Klagen auf einmal gegen den Konzern vorliegen.
Eine solche rechtssichere Regelung für die Zukunft zu finden ist allerdings schwierig – ein Grund dafür, warum sich die Vergleichsverhandlungen schon seit Wochen hinziehen.
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