Neuer HDB-Chef Tim-Oliver Müller Wie Deutschlands oberster Baulobbyist für mehr Tempo in der Branche sorgen will

„Ich möchte unsere Mitgliedsunternehmen bei der Digitalisierung und dem Wandel zum nachhaltigen Bauen unterstützen und mich in der politischen Arbeit für eine offene Kultur der Transparenz einsetzen.“
Foto: HDB
Düsseldorf Wenn sich Tim-Oliver Müller sein neues Büro in der Berliner Kurfürstenstraße anschaut, fallen ihm viele Dinge auf, die er darin gern verändern würde. So soll etwa die riesige Regalwand aus Holz, durch die eine Tür auf den Gebäudeflur führt, durch eine Glasfront ersetzt werden. „So kann jeder sehen, ob ich gerade im Büro und ansprechbar bin.“
Auch die etwas altbackenen Holzvertäfelungen an den Wänden will Müller bald entfernen – ebenso wie das schwere Ledersofa. „Das ist so ein Siebzigerjahre-Ambiente, einfach nicht mehr zeitgemäß“, erklärt der neue Chef des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie (HDB) im Gespräch mit dem Handelsblatt.
Das Signal, das er nicht nur mit dem geplanten Umbau seines Büros senden will, ist deutlich: Es soll einen Neuanfang geben beim HDB, dessen Präsidium den 37-Jährigen vor wenigen Wochen überraschend zum neuen und damit auch jüngsten Geschäftsführer in der Geschichte des Verbands erkoren hat.
Es ist ein Posten, der mit großen Erwartungen verbunden ist. Denn der HDB ist der Spitzenverband der deutschen Bauindustrie – er vertritt zehn Landesverbände und damit etwa 2000 große und mittelständische Unternehmen. Gesamtumsatz: mehr als 140 Milliarden Euro pro Jahr.
Wie diese Erwartungen aussehen, hatte HDB-Präsident und Strabag-Vorstandsmitglied Peter Hübner nach der Wahl im Juni kommuniziert: „Wir, das Präsidium und ich, sind davon überzeugt, dass Herr Müller der Richtige ist, um die Modernisierung der Verbandsarbeit voranzutreiben und der Bauindustrie eine starke und verlässliche Stimme auf Bundesebene zu verleihen“, sagte der Manager.
Müller hat gestandene Funktionäre ausgestochen
Aus Verbandskreisen war zu hören, dass Müller sich beim Bewerbungsprozess als Außenseiterkandidat durchgesetzt und dabei auch gestandene Verbandsfunktionäre ausgestochen habe, die teils über jahrelange Führungserfahrung verfügten. Doch am Ende habe Müller die Verantwortlichen mit seinen frischen Ideen für den Verband überzeugt. Die Neubesetzung war nötig geworden, nachdem Müllers Vorgänger Dieter Babiel im April aus persönlichen Gründen ausschied.
Der neue HDB-Chef selbst beschreibt die Schwerpunkte, die er setzen will, so: „Ich möchte unsere Mitgliedsunternehmen bei der Digitalisierung und dem Wandel zum nachhaltigen Bauen unterstützen und mich in der politischen Arbeit für eine offene Kultur der Transparenz einsetzen.“ Dabei will Müller politisch nicht bloß fordern, sondern Angebote machen: „Nur so können wir die großen Herausforderungen, vor denen die Gesellschaft insgesamt steht, auch gemeinsam bewältigen.“
Denn die Bauindustrie ist von vielen dieser Megatrends betroffen – sei es die Dekarbonisierung, die beispielsweise die Herstellung von Zement erschwert, oder das Recycling von Baurohstoffen in einer Kreislaufwirtschaft. Auch die Digitalisierung macht vor der Baustelle nicht halt: Viele Auftraggeber fordern heute eine genaue digitale Dokumentation – was die Planung erleichtert und die Genauigkeit erhöht.
Bei der Transformation dürfte Müller helfen, dass er seine Karriere einst im HDB begonnen hat. Nach einem Studium des strategischen Managements in Berlin mit Schwerpunkten auf Vertrags-, Risiko- und Netzwerkmanagement startete er 2011 beim Verband als Referent für Infrastrukturpolitik und Partnerschaftsmodelle, wobei er beispielsweise verschiedene Finanzierungsinstrumente für Bauprojekte untersuchte.
Flut als Müllers erste große Herausforderung
2018 stieg er zum Geschäftsführer Wirtschaft, Recht und Innovationen auf, bevor er Anfang 2020 als Leiter für die Geschäftsentwicklung zur deutschen Tochter des französischen Konzessions- und Baukonzerns Vinci wechselte. „Ich wollte nach den vielen Jahren der Verbandsarbeit auch einmal die Arbeit bei einem Mitgliedsunternehmen kennen lernen“, so Müller. „Das hat mir auf jeden Fall geholfen, die Branche noch besser zu verstehen.“
Die erste große Herausforderung, die er als Verbandschef hinter sich gebracht hat, hat dabei weder mit Digitalisierung noch mit Nachhaltigkeit zu tun – oder jedenfalls höchstens am Rande: Nachdem vor einigen Tagen Teile Deutschlands überflutet wurden, übernahm der HDB die Koordination von Unternehmen, die die Betroffenen mit Geräten und Arbeitskraft unterstützen können. „Auch das gehört zur Arbeit dazu“, so Müller.
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