Novartis und Roche Der Baseler Zweikampf

Der Pharmakonzern Roche verfolgt einen anderen Weg als Konkurrent Novartis.
Basel Die Firmenzentralen liegen nur ein paar Hundert Meter voneinander entfernt. Doch der Kontrast zwischen den beiden Baseler Pharmariesen Novartis und Roche ist derzeit so groß wie schon lange nicht mehr. Während Novartis am Dienstag vor allem mit neuen Umbaumaßnahmen, Restrukturierungen und stagnierende Erträgen von sich Reden machte, wartete der Lokalkonkurrent Roche einen Tag später mit „business as usual“ auf: Konzernumbau und Wachstumsschwächen sind für die Nummer zwei der europäischen Pharmabranche derzeit offenbar kein Thema. Umsatz und Betriebsgewinn legten währungsbereinigt um jeweils rund fünf Prozent zu, die Dividende wird weiter erhöht und wie schon in den Vorjahren stellt Firmenchef Severin Schwan auch für 2016 abermals ein Umsatzsteigerung um einen niedrigen bis mittleren einstelligen Prozentsatz in Aussicht. Der um Sonderfaktoren bereinigte Kerngewinn soll noch etwas stärker zulegen.
Vor allem was die weiteren Perspektiven angeht, gibt sich das Management des Baseler Konzerns noch etwas optimistischer als in den Vorjahren. Entscheidend seien die Fortschritte in der Produkt-Pipeline, sagt Schwan. Der Roche-Chef hat dabei nicht nur die beiden Neuzulassungen im Auge, die der Konzern im vergangenen Jahr für neue Krebsmittel erhalten hat, sondern vor allem die guten Daten bei mehreren Entwicklungsprodukte – allen voran der potenzielle Krebswirkstoff Atezolizumab sowie das Multiple-Sklerose(MS)-Mittel Ocrelizumab.
Für Atezolizumab hat Roche gestern die erste Zulassung beantragt, den MS-Wirkstoff will man im Laufe des Jahres einreichen. Alles in allem geht Schwan davon aus, dass der Konzern in den nächsten drei Jahren acht völlig neue Produkte auf den Markt bringen kann – genug, um die ab 2017 anstehenden Patentabläufe bei den aktuellen Bestsellern wie den Krebsmitteln Herceptin, Avastin und Rituxan zu kompensieren. „Wir haben damit gute Chancen, durch diese Phase mit Wachstum durchzukommen“, so Schwan.
Mit Atezolizumab will Roche erstmals auf dem Gebiet der Krebsimmuntherapie Flagge zeigen – einem Therapieansatz, dem viele Fachleute erhebliches medizinisches wie kommerzielles Potenzial zutrauen. Das Grundprinzip besteht darin, die Immunabwher mit Hilfe von Arzneien gegen Tumorzellen zu aktivieren.
Führend sind hier bisher die US-Firmen Bristol-Myers Squibb (BMS) und Merck & Co. Roche glaubt aber, über die breiteste Forschungspalette auf dem Gebiet zu verfügen, mit insgesamt neun Produkten in klinischen Tests. Mit Ocrelizumab hofft sich der Konzern zudem ein Stück vom 20 Milliarden Euro großen MS-Markt herauszuschneiden, der bisher Firmen wie Biogen, Teva, Novartis und der Darmstädter Merck-Gruppe dominiert wird. Das Mittel zeigte in klinischen Studien als bisher einzige Substanz Wirkung sowohl gegen die schubförmige als auch die stetig verlaufende MS und lieferte bessere Daten als zum Beispiel Rebif von Merck.
Ungeachtet aller Zuversicht mit Blick auf die Produktentwicklung wirken die Zahlen des Baseler Konzerns auf den ersten Blick keineswegs überragend: Mit 48 Milliarden Franken liegt der Umsatz 2015 nominal lediglich um ein Prozent über dem Vorjahr und nahezu auf dem gleichen Niveau wie 2010. Ähnliches gilt für die meisten Ertragsgrößen. Der Konzerngewinn wird mit neun Milliarden Franken um fünf Prozent niedriger als im Vorjahr ausgewiesen und ist nur minimal höher als 2010. Der um Sonderfaktoren bereinigte operative Gewinn stieg in diesem Zeitraum um bescheidene sechs Prozent.
Allerdings wird das Zahlenwerk erheblich verzerrt von der Aufwertung des Franken, der zum Beispiel gegenüber dem Euro 2015 alleine um 14 Prozent und seit 2010 um 30 Prozent zulegte. Roche erzielt nur ein Prozent des Umsatzes in der Schweiz. Rechnet man diesen Aufwertungseffekt aus den Zahlen heraus, ergibt sich nach Daten von Roche ein Ertragsplus von rund fünf Prozent im vergangenen Jahr und fast 50 Prozent Plus in den letzten fünf Jahren.
Ähnlich wie Novartis ist dabei auch Roche auch derzeit schon von Patentabläufen bei älteren Medikamenten betroffen, so etwa beim Krebsmittel Xeloda. Auch im Hepaitits-C-Bereich verbuchte der Konzern deutliche Einbußen. Allerdings ist der Effekt bisher weniger gravierend als bei dem Konkurrenten Novartis, der auch 2015 nochmals stark durch Nachahmerkonkurrenz bei seinem einstigen Blockbuster Diovan und einigen weiteren Produkten gebremst wurde. Nur dank der Eingliederung des von Glaxo-Smithkline erworbenen Onkologiegeschäfts (mit etwa 1,8 Milliarden Dollar Umsatz) konnte Novartis den Umsatz seiner Pharmasparte noch um währungsbereinigt sechs Prozent auf gut 30 Milliarden Dollar steigern.