Ola Källenius Warum der designierte Daimler-Chef die Autobranche vernetzen will

Erst nach der Hauptversammlung am 22. Mai, wenn Dieter Zetsche als Daimler-CEO abdankt, will Källenius sein Programm vorstellen. Hinter den Kulissen lässt sich sein Wirken aber schon erkennen.
München Vier Monate bleiben. Dann wird Entwicklungsvorstand Ola Källenius voraussichtlich Dieter Zetsche als Daimler-Chef und Mercedes-Frontmann beerben. Die 300.000 Mitarbeiter des Auto- und Lastwagenkonglomerats warten ebenso gebannt auf die Zukunftsvision des Schweden wie Investoren und Konkurrenten. Sie alle bewegt die Frage, wohin Daimler mit dem 1,95 Meter großen Blondschopf steuern wird. Welche Strategie er verfolgt, was sich ändert und was bleibt.
Aktuell weicht Källenius solchen Fragen noch aus. „Was ich heute nicht machen möchte, ist, eine Daimler-Programmrede zu halten“, erklärte der 49-Jährige zuletzt Anfang Januar auf der Technikmesse CES in Las Vegas. Erst nach der Hauptversammlung am 22. Mai, wenn Zetsche als CEO abdankt, will Källenius sein Programm vorstellen. Hinter den Kulissen lässt sich sein Wirken aber schon erkennen. Daimler wird mit Källenius vor allem eines sein: viel offener.
Das beginnt schon bei der Ansprache. Der „Ola“, wie ihn intern alle nennen, duzt seine Mitarbeiter konsequent. Und auch sonst ist der Vater dreier Kinder ein großer Pragmatiker. „Fürchte dich nicht davor, alles zu hinterfragen“, lautet sein Credo. Im Zweifel heißt das sogar, den Schulterschluss mit dem Münchener Erzrivalen zu wagen.
Källenius und BMW-Chef Harald Krüger loten derzeit die Möglichkeit aus, umfangreiche Allianzen einzugehen. Dabei geht es insbesondere um eine enge Zusammenarbeit beim autonomen Fahren, aber auch um die einheitliche Beschaffung von Komponenten in den USA wie Getrieben oder eine gemeinsame Plattform im Bereich der Kompaktautos.
„Da wo es Win-Wins geben kann, sind wir offen für Kooperationen“, sagt Källenius. Die Zeiten, in denen sich Daimler und BMW spinnefeind waren, sind vorbei. Die Konzerne bleiben zwar harte Wettbewerber. Aber in Bereichen, wo es schon aus Kostengründen kaum lohnte, dem Konkurrenten zu enteilen, bislang etwa beim Einkauf, wollen sie die Zusammenarbeit noch vertiefen. In den vergangenen Monaten sei ein „gutes Klima“ zwischen den beiden Häusern entstanden, heißt es in Unternehmenskreisen. Maßgebend war die Zusammenlegung der Mobilitätsdienste.
Ende 2018 verschmolzen Mercedes und BMW unter anderem ihre Carsharing-Plattformen Car2Go und DriveNow. Die neue Lust an Partnerschaften, die bei Daimler in der Ära Zetsche begann, will sein Zögling Källenius fortführen und vertiefen. Ihm bleibt auch nichts anderes übrig, heißt es in Branchenkreisen. Denn gegen neue, finanzkräftige Wettbewerber wie die Google-Tochter Waymo, die Technologien für autonome Fahrzeuge entwickelt, kommt auch ein Riese wie Daimler kaum allein an.
Die Entwicklungskosten für das autonome Fahren sind so hoch, dass die Stuttgarter sie lieber mit Partnern teilen. Zudem gilt: Bevor die Techkonzerne aus dem Silicon Valley der Autobranche die Standards diktieren, tun sich die Industrieführer lieber zusammen. Källenius unterscheidet in der Zusammenarbeit prinzipiell drei Ebenen.
Erstens, die Ästhetik der Autos. „Es muss ein Mercedes sein“, sagt Källenius. Die Kombination aus den Karosserie- und Innenraumbildern, die Designer in Stuttgart entwerfen, und dem, was die Ingenieure daraus kreieren, ist und bleibt Markenkern. Hier gibt es keinen Kooperationsspielraum. Als zweite Ebene nennt Källenius Bedienlogik und Intuition. Beim Multimediasystem MBUX will man sich mit Gestensteuerung und dem Sprachassistenten „Hey Mercedes“ von der Konkurrenz abheben. Das sei „proprietary knowledge“, firmeneigenes Wissen, stellt Källenius klar.
Erst auf der dritten Ebene, bei den Funktionalitäten, will Daimler mit anderen kooperieren. Um etwa ins Lokal zu navigieren, Musik abzuspielen und Einkäufe zu erledigen, arbeitet Mercedes bei seinem MBUX-System schon heute mit Diensten wie Yelp, Tripadvisor, Amazon, Alibaba, WeChat oder Spotify zusammen. Der Rahmen für neue Allianzen ist gesetzt, sie könnten einige Milliarden Euro einsparen. Im Elektrozeitalter muss Källenius auch dringend auf die Kosten schauen. „Da agieren wir rational“, sagt der Manager und meint damit: Es geht nur gemeinsam.
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