Pandemie-Bekämpfung „Es wird ein Wettrennen“: Bei Corona-Luftreinigern für Schulen droht der nächste Engpass

Wenn die Schule wieder losgeht, gehen auch die Bestellungen von Luftfiltern wieder in die Höhe.
Düsseldorf Raumluftreiniger sollen zum Start des neuen Schuljahres die Infektionsgefahr in den Klassenräumen senken. Dafür stellt die Politik nun hohe Millionenbeträge bereit. Doch bei der Beschaffung der Geräte droht in Deutschland der nächste Engpass in der Pandemiebekämpfung, zeigt eine Recherche des Handelsblatts bei großen Herstellern.
In der Debatte um den Einsatz der Geräte in Schulen hatte sich zuletzt ein Wandel gezeigt. Länder und Kommunen hielten überwiegend das alleinige Lüften in Klassenzimmern für ausreichend und verwiesen auf die Experteneinschätzungen. Doch haben immer mehr Studien gezeigt, dass eine Kombination aus Fensteröffnen während der Pausen und dem Einsatz hochwertiger Raumluft-Filter den bestmöglichen Schutz vor der Ansteckung über Aerosole bietet.
Das Umweltbundesamt hat seine Bewertung zu mobilen Luftfiltergeräten in Schulen mittlerweile geändert und hält hochwertige und professionell installierte Geräte für sinnvoll im Kampf gegen die Infektionsgefahr.
Mit 200 Millionen Euro will die Bundesregierung nun die Beschaffung fördern. Bei den Herstellern stapeln sich aktuell schon die Bestellungen. Die Förderung sei der richtige Weg – „wenn die Geräte denn verfügbar sind“, sagt Thomas Kneip, Chef der Wolf GmbH aus dem bayerischen Mainburg, einer der größten deutschen Hersteller mobiler Raumluftreiniger.
„Die Politik hat sehr spät reagiert, noch vor vier Wochen hat kaum jemand über die Raumluftreinigung in den Schulen gesprochen“, sagt Kneip. Möglicherweise zu spät: „Jetzt wird es bis zum Schulstart den großen Run geben, das wird mit Sicherheit auch ein Wahlkampfthema.“
Der Wolf-Chef prophezeit ein regelrechtes Wettrennen um die Geräte, weil auch Veranstalter, Gastronomie und Fitnesscenter auf Raumluftreinigung setzen. „Der Markt wird überfordert sein, wenn Kommunen jetzt deutschlandweit Hunderttausende Geräte für Schulen bestellen“, sagt Kneip. Es werde zu „größeren Engpässen“ bei den Geräten kommen, die für die Schulen geeignet seien.
Das Wettrennen wird zwischen den Schulträgern ablaufen: Einige haben sich auf die Beschaffung von Raumluftfiltern bereits seit Wochen vorbereitet und können nun umgehend über Bestellungen entscheiden. Diese Kommunen könnten bis September beliefert werden, unterstreicht Jan-Eric Raschke, Director Air Solution Systems beim Hersteller Mann+Hummel aus Ludwigsburg.
Nicht gerüstet für Zehntausende Klassenzimmer
„Alle anderen, die noch ein bis zwei Monate mit Bestellungen warten, müssen mit längeren Lieferfristen rechnen“, erwartet Raschke. Das dürfte auf die Mehrheit der Schulträger zutreffen. Für den Manager ist klar: „Aus dem Stand heraus wird unsere Industrie nicht Zehntausende Klassenzimmer ausrüsten können.“
Mann+Hummel verzeichnet seit den Ankündigungen verschiedener Förderpakete eine deutlich stärkere Nachfrage von kommunalen Schulträgern und Elternvertretungen. Mehrere Tausend Geräte hat der Hersteller aktuell auf Lager und kann die Produktion hochfahren. Allerdings muss die Firma immer abwägen, wie stark sie dabei in Vorleistung geht.
Auch die JK-Gruppe aus dem rheinland-pfälzischen Windhagen will die Produktion mobiler Raumluftreiniger jetzt kurzfristig erhöhen. „Das Geschäft mit unseren mobilen Luftfiltern hat sich seit Ausbruch der Pandemie exponentiell entwickelt“, sagt Firmenchef Marco Jakobs. Die öffentliche Förderung für Schulen dürfte aus seiner Sicht noch mal neue Dynamik bringen.
Die JK-Gruppe fertigt mobile Luftfiltergeräte, die auf UV-Technik basieren – also Viren und Bakterien nicht mechanisch herausfiltern, sondern durch Bestrahlung mit ultraviolettem Licht unschädlich machen. Die Raumluftreiniger von Wolf und Mann+Hummel arbeiten nach einem anderen Prinzip: Bei ihnen entfernen sogenannte Hepa-Filter die Viren und Bakterien aus der Luft.
Klar ist: Nur die qualitativ hochwertigen und professionellen Geräte sind überhaupt für den Einsatz in Klassenzimmern geeignet. Sie kosten entsprechend: Für 3750 Euro ist etwa der Wolf Air Purifier im Handel zu haben. Das Gerät ist mehr als mannshoch, weil die Luftreinigung im oberen Teil eines Raumes erfolgen muss.
Vor dem Einsatz billiger Massengeräte aus dem Baumarkt warnen alle Profi-Hersteller. Diese Geräte hätten weder die Leistung, um die Luft im Klassenzimmer wirksam zu reinigen, noch seien sie leise genug für den Betrieb während des Unterrichts, heißt es. Sie empfehlen den Behörden, entsprechende Vorgaben beim Einkauf zu machen – um nicht wie bei den Masken auf qualitativ minderwertigen Beständen sitzen zu bleiben.
Bund stellt 200 Millionen Euro für mobile Luftfilter in Schulen
Doch gerade die hochwertigen Geräte sind nicht in beliebig hohen Stückzahlen lieferbar. Die Produktion selbst können die Hersteller relativ schnell steigern: Firmen wie Mann+Hummel und Wolf verfügen als führende Luftfilter-Spezialisten über genügend Kapazitäten.
Der limitierende Faktor ist der, unter dem die deutsche Industrie insgesamt leidet: der Mangel an Material und Rohstoffen. „Vorprodukte sind knapp. Bei Elektronikbauteilen trifft uns der Mangel genau wie die deutsche Wirtschaft insgesamt“, sagt Wolf-Chef Kneip. Gleiches gilt für die in den Geräten verbauten Ventilatoren.
Die professionellen Raumlüfter werden zudem von Chips gesteuert – ein aktuell rares Gut in der Wirtschaft. „Bei der Beschaffung von Chips stehen wir in Konkurrenz auch zu anderen Branchen wie der Automobilindustrie“, sagt JK-Chef Jakobs. Bei größeren Bestellungen werde es deswegen zu längeren Wartezeiten kommen.
Es sei unwahrscheinlich, dass bereits nach den Ferien flächendeckend ausreichend Geräte zur Verfügung stehen, glaubt Jakobs. Seine pessimistische Prognose lautet: „Alle deutschen Schulen mit einem Luftfilter auszustatten könnte ein bis zwei Jahre dauern.“
So weit wollen die anderen Hersteller nicht gehen. „Es wird sicherlich herausfordernd, die Lieferketten so durchzutakten, dass wir auch einen kräftigen Nachfrageschub stemmen können“, sagt Mann+Hummel-Manager Raschke. Bei den Filtermedien selbst kann die Firma als weltweit führender Hersteller noch den Bedarf decken. Anders sieht es bei den knappen Elektronikbauteilen aus.
Raschke aber gibt sich optimistisch: „Ich bin überzeugt, dass die deutsche Industrie mit einer Kraftanstrengung bis Jahresende sehr viele Schulen ausrüsten kann.“
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