Pharma- und Agrarkonzern Bayer übertrifft Prognosen im dritten Quartal – und tauscht Führung im Agrargeschäft aus

Der Konzern steigerte im dritten Quartal den bereinigten Gewinn um 16 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro.
Düsseldorf Der Pharmakonzern Bayer tauscht die Führung seiner Agrardivision aus. Der langjährige Vorstand Liam Condon verlässt das Unternehmen auf eigenen Wunsch zum Jahresende. Neuer Chef von Bayer Crop Science und Mitglied des Konzernvorstands wird der Brasilianer Rodrigo Santos, der bisher Chief Operating Officer der Einheit ist.
Wie es in Unternehmenskreisen heißt, sei Condon intern nicht zum Rückzug gedrängt worden, sondern habe nach zehn Jahren an der Spitze von Bayer Crop Science schon länger mit einem Jobwechsel geliebäugelt. Doch dürfte dazu beigetragen haben, dass das Agrargeschäft seit der Übernahme von Monsanto im Jahr 2018 noch nicht die erhofften und versprochenen Zuwächse und Ergebnisbeiträge abgeliefert hat. Condon stand deswegen schon länger unter Druck.
Der 53-Jährige hatte die Übernahme des US-Saatgutkonzerns im Volumen von 63 Milliarden Dollar seit 2016 federführend mitgestaltet. Condon galt intern bei Bayer lange Zeit auch als möglicher Nachfolger von CEO Werner Baumann, weil er über langjährige Erfahrung im Konzern verfügt und viele Jahre auch das Pharmageschäft der Leverkusener geleitet hat.
Nun verfolgt er laut Bayer Karrieremöglichkeiten außerhalb des Konzerns, bei dem er eigentlich noch bis Ende 2023 unter Vertrag steht. Eine Abfindung wird nicht fällig, da er selbst um Vertragsauflösung gebeten hat. In einem Brief an die Mitarbeiter, der dem Handelsblatt vorliegt, schreibt Condon, „dass niemand länger als zehn Jahre ein und denselben Job machen sollte und jede Führungskraft in der Lage sein muss, zum richtigen Zeitpunkt Platz zu machen.“
Den Kreisen zufolge steht bereits fest, wohin Condon wechselt. Es tritt eine Top-Position bei einem Unternehmen mit Sitz außerhalb Deutschlands und außerhalb der Agrarchemiebranche an.
Aufsichtsratsvorsitzender Nobert Winkeljohann dankte Condon für seine Leistungen in den mehr als 30 Jahren bei Bayer. Zugleich äußerte der Chefkontrolleur klare Erwartungen an den Nachfolger: Bayers Agrargeschäft sei gut positioniert. „Nun geht es darum, auf dieser Basis in den kommenden Jahren das riesige Wertsteigerungspotenzial voll auszuschöpfen“, sagte Winkeljohann.
In diesen Worten klingt Kritik mit, dass dies nach Abschluss der Monsanto-Übernahme noch nicht gelungen ist. Bayer hatte mit zahlreichen internen und externen Problemen zu kämpfen und konnte die bei der Übernahme gefassten Finanzziele für die Agrarsparte bisher nicht erreichen.
Bayer übertrifft Analystenerwartungen
Das lag nicht allein an den Belastungen durch den Rechtsstreit um den Unkrautvernichter Glyphosat, der Bayer am Ende bis zu 15 Milliarden Dollar kosten könnte. Zuletzt enttäuschte die Agrarsparte im Sommer 2021 mit einer im Konkurrenzvergleich schwachen Marge, auf die der Finanzmarkt nicht vorbereitet war. Die Aktie gab danach kräftig nach. Investoren sprachen wegen der negativen Überraschungen von einem anhaltenden Vertrauensverlust gegenüber Bayer.

Es kommt zu einem überraschenden Personalwechsel in der Bayer-Sparte Crop Science.
Condon kann aber nun erhobenen Hauptes gehen. Denn im dritten Quartal ist die Division Crop Science kräftig gewachsen und hat gute Aussichten, dass dies im viertem Quartal anhält. Die Sparte hat an vorderster Stelle dazu beigetragen, dass Bayer insgesamt die Prognosen der Analysten übertroffen hat. Der Konzern steigerte im dritten Quartal den bereinigten Gewinn um 16 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro. Die Konsenserwartungen der Analysten lagen bei 1,9 Milliarden Euro.
Auch beim Konzernumsatz lag Bayer über den Erwartungen und kam auf 9,8 Milliarden Euro (plus 14 Prozent). Für das Gesamtjahr 2021 hat der Konzern seine Ziele leicht angehoben. Basierend auf den Wechselkursen zum 30. September erwartet das Unternehmen nun eine leicht höhere Ebitda-Marge von 25,5 Prozent sowie ein bereinigtes Ergebnis je Aktie von 6,10 Euro bis 6,30 Euro.
Die Nachrichten kamen an der Börse gut an. Die Bayer-Aktie stieg am Vormittag um drei Prozent auf 51,50 Euro und setzte sich damit an die Spitze eines insgesamt nur leicht steigenden Dax-40. Die Investmentbank JP Morgan erwartet, dass die Konsensschätzungen für das Jahresergebnis von Bayer nun angehoben werden.
Condons Nachfolger Santos kann das Agrargeschäft zu einem Zeitpunkt übernehmen, zu dem es deutlich anzieht. Der Umsatz legte im dritten Quartal wechselkursbereinigt um 25,8 Prozent auf 3,85 Milliarden Euro zu, weil Bayer deutlich mehr verkaufte und zugleich die Preise erhöhen konnte. Selbst den umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat kann Bayer derzeit teurer verkaufen. Der bereinigte Gewinn stieg nach einem Vorjahresverlust auf 471 Millionen Euro und lag deutlich über den Erwartungen.
Der 48-jährige Santos ist erst seit Juli 2021 für die globale kaufmännische Leitung von Bayer Crop Science verantwortlich und arbeitet von der ehemaligen Monsanto-Zentrale in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri aus. Der Brasilianer ist als Manager bei Monsanto groß geworden. 1999 stieg er bei dem US-Konzern als Marketingmanager ein und übernahm später die Führung der für Monsanto wichtigen Brasilien-Tochter.
Nach der Übernahme von Monsanto durch Bayer war Santos für die interne Integration der beiden Einheiten verantwortlich, die als erfolgreich abgeschlossen gilt. Gerade dieser Job dürfte ihn für die Nachfolge an der Crop-Science-Spitze qualifiziert haben. Nach Angaben von Bayer-Vorstandschef Werner Baumann war Santos schon seit geraumer Zeit einer der Topkandidaten für eine mögliche Nachfolge für die Divisionsführung.
Arzneisparten legen ebenfalls zu
„Wir freuen uns, dass mit Rodrigo Santos ein ausgewiesener Experte mit mehr als 25-jähriger internationaler Erfahrung in der Agrarbranche die Leitung der Division Crop Science übernimmt. Rodrigo Santos zeichnet sich durch seine Kundenorientierung, Durchsetzungsstärke sowie Innovationskraft aus“, sagte Aufsichtsratschef Winkeljohann.
Der neue Agrarchef wird vorwiegend weiterhin von St. Louis aus arbeiten – anders als Condon, der sein Büro in Monheim bei Leverkusen hatte. Bayer macht rund 70 Prozent seines Agrarchemieumsatzes im amerikanischen Raum. Santos hatte bei seinen bisherigen Stationen stets einen Fokus auf die Saatgutentwicklung und gilt als starker Befürworter einer digital gesteuerten Landwirtschaft. Beides sind Geschäftsfelder, die für die weitere Entwicklung von Bayers-Agrardivision entscheidend sind.
Zugelegt haben beim Umsatz auch die beiden Arznei-Divisionen des Leverkusener Konzerns. Das Geschäft mit rezeptpflichtigen Medikamenten wuchs um 7,1 Prozent auf 4,54 Milliarden Euro. Nach den Einschränkungen im Pandemiejahr 2021 konnte die Sparte wieder mehr verkaufen, etwa beim Augenmittel Eylea. Allerdings sank im Pharmageschäft das bereinigte Ergebnis deutlich um zehn Prozent auf 1,37 Milliarden Euro. Grund waren höhere Marketingkosten für die Einführung neuer Produkte und sowie höhere Forschungskosten.
Den Umsatz bei den rezeptfreien Gesundheitsprodukten (Consumer Health) steigerte Bayer gegenüber einem sehr starken Vorjahresquartal um elf Prozent auf 1,35 Milliarden Euro. Stark liefen vor allem Nahrungsergänzungsmittel. Der bereinigte Gewinn dieser Division stieg um 2,3 Prozent auf 308 Millionen Euro.
Bayer hat kein strategisches Interesse am Impfstoffgeschäft
Beendet ist die Kooperation von Bayers Pharmaexperten mit dem Tübinger Impfstoffhersteller Curevac. Bayer stehe derzeit in keinerlei vertraglichen Beziehungen mehr zu dem Unternehmen, sagte Baumann. Der Konzern hatte Curevac seine Expertise bei Zulassungsanträgen für einen Covid-19-Impfstoff angeboten und zugleich in Produktionskapazitäten für ein solches Mittel am Standort Wuppertal investiert. Doch Curevac scheiterte mit dem Projekt. Die extra dafür angeworbenen 30 neuen Mitarbeiter werden nun in andere Einheiten von Bayer Pharma integriert.
Baumann unterstrich, dass Bayer bei dem Curevac-Projekt nur unterstützen wollte, aber keinerlei strategisches Interesse am Impfstoffgeschäft habe. Allerdings sei die mRNA-Technologie in der medizinischen Therapie nun etabliert. „Wir schauen uns genau an, wo wir mit möglichen Partnern diese Technologie in den für uns relevanten Gebieten einsetzen können“, sagte er. In der Krebsforschung oder in der Augenheilkunden könnte dies der Fall sein.
Der Bayer-Chef äußerte sich auch zum Umgang mit Impfungen in der Bayer-Belegschaft. „Als wissenschaftsbasiertes Unternehmen sind wir sicher, dass eine Impfung angesichts der medizinischen Evidenz und der Risiken einer Covid-19-Erkrankung das Mittel der Wahl ist“, sagte er. Man halte die Mitarbeitenden an, sich impfen zu lassen. Ein „gewisses Enforcement“ gebe es aber nur bei denen, die etwa als Pharmaexperten oder Techniker in Krankenhäuser fahren. Man könne nicht verantworten, dass nichtgeimpfte Bayer-Mitarbeiter dort zum Risiko würden.
Mehr: Fünf Jahre nach Monsanto-Kauf: Diese fünf Grafiken zeigen, wie die Übernahme Bayer belastet.
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