Pharmabranche Bayer macht mehr als zehn Milliarden Euro Verlust – und senkt die Dividende

Der Pharma- und Chemieriese hat ein schwieriges Jahr hinter sich.
Düsseldorf, Frankfurt Die Beilegung der Glyphosatklagen in den USA sowie milliardenschwere Abschreibungen im Agrargeschäft haben Bayer 2020 einen Rekordverlust von 10,5 Milliarden Euro beschert. Das teilte der Konzern am Donnerstag mit.
Das Netto-Ergebnis zeichnete sich zwar ab, nachdem der Chemie- und Pharmakonzern im Sommer 2020 einen außergerichtlichen Vergleich in Sachen Glyphosat angekündigt hatte. Dennoch verlor die Bayer-Aktie bis zum frühen Donnerstagnachmittag mehr als vier Prozent.
Mittlerweile sind rund 90.000 Klagen in den USA beigelegt, womit der Rechtsstreit aber noch nicht ausgestanden ist. Die Zahl der bisher bekannten Fälle wird auf bis zu 125.000 geschätzt. Insgesamt erwartet Bayer für die Bereinigung dieser Fälle Vergleichskosten von 9,6 Milliarden Dollar.
Weitere zwei Milliarden Dollar will Bayer für einen weiteren Vergleich bereitstellen, mit dem mögliche zukünftige Klagen bereinigt werden sollen. Der Konzern hat dazu einen neuen Vorschlag bei einem Gericht in den USA eingereicht, über den voraussichtlich bis Ende März entschieden wird. Die Aktionäre müssen also vorerst weiter auf die endgültige Beendigung der Causa Glyphosat warten.
Insgesamt hat Bayer 2021 Sondereffekte in Höhe von 23 Milliarden Euro in den Abschluss gepackt. Neben den Glyphosat-Vergleichen und Abschreibungen in der Agrosparte sind darin auch 1,6 Milliarden Dollar für die Beilegung des Rechtsstreits um das Verhütungsprodukt Essure in den USA enthalten. Dort lagen nahezu 40.000 Klagen wegen angeblicher Nebenwirkungen vor.
Operativ entwickelt sich das Geschäft verhalten. Der Umsatz sank 2020 überwiegend währungsbedingt um fünf Prozent auf 41,4 Milliarden Euro, der bereinigte Betriebsgewinn vor Abschreibungen (Ebitda) verharrte bei 11,5 Milliarden Euro. Negative Währungseffekte durch den starken Euro machte Bayer nach eigenen Angaben durch Kostensenkungen wieder wett.
Auch für 2021 zeichnet sich Stagnation beim Ergebnis ab. Der Umsatz soll 2021 um drei Prozent auf 42 bis 43 Milliarden Euro zulegen. Beim bereinigten Ebitda geht das Management ohne Einfluss von Wechselkursen von einem Wert zwischen 11,2 und 11,5 Milliarden Euro aus – womit Bayer bestenfalls das Vorjahresniveau erreichen würde.
Bayers Verschuldung steigt, die Dividende sinkt
Gleichzeitig werden die hohen Vergleichskosten die Finanzkraft stark belasten. Nach 3,8 Milliarden Euro im vergangenen Jahr rechnet Bayer für 2021 mit Auszahlungen von acht Milliarden Dollar für Vergleiche. Der Free Cashflow, der im letzten Jahr bereits deutlich auf nur noch 1,3 Milliarden Euro schrumpfte, dürfte damit 2021 auf minus drei bis minus vier Milliarden Euro sinken und die Nettoverschuldung von 30 auf 36 bis 37 Milliarden Euro steigen.
Vorstandschef Werner Baumann zeigte sich hingegen nicht unzufrieden mit dem vergangenen Jahr und mit den neuen strategischen Weichenstellungen. „Unsere operative Stärke in diesen unruhigen Zeiten zeigt, dass sich unsere Geschäfte auch in der Pandemie als widerstandsfähig erweisen“, sagte er.
Das gilt aus Sicht des Bayer-Chefs auch mit Blick auf die Dividende. In Reaktion auf die schwache Gewinn- und Cashflow-Entwicklung hat Bayer die Ausschüttung für 2020 zwar von 2,80 Euro auf zwei Euro je Aktie gekürzt. Angesichts einer soliden operativen Performance und einer guten Liquiditätsposition habe die Dividendenfähigkeit jedoch nicht infrage gestanden, sagte Baumann. „Und davon gehen wir auch nach wie vor nicht aus.“
Operativ entwickelte sich für Bayer 2021 sowohl die Agro- als auch die Pharmasparte enttäuschend. Der Umsatz im Arzneigeschäft sank währungsbereinigt um 1,5 Prozent auf 17,2 Milliarden Euro. Damit verfehlte Bayer das Marktwachstum von etwa drei Prozent deutlich und gehörte neben Roche, Glaxo-Smithkline sowie dem neu formierten Konzern Viatris zu den schwächsten Unternehmen der Branche.

„Unsere operative Stärke in diesen unruhigen Zeiten zeigt, dass sich unsere Geschäfte auch in der Pandemie als widerstandsfähig erweisen.“
Weiteren Umsatzsteigerungen beim Bestseller Xarelto standen dabei Umsatzverluste durch Preissenkungen in China und die Folgen der Pandemie gegenüber. Durch Corona sind 2020 zahlreiche medizinische Anwendungen in Arztpraxen und Kliniken entfallen oder verschoben worden, etwa in den für Bayer wichtigen Bereichen Frauengesundheit und Augenheilkunde sowie bei Kontrastmitteln. Das Ebitda der Sparte verbesserte sich leicht auf sechs Milliarden Euro, dürfte 2021 aufgrund schwächerer Margen aber wieder leicht sinken.
Bei den rezeptfreien Medikamenten (Consumer Health) profitierte Bayer hingegen von der Pandemie, weil sich die Menschen mit Gesundheits- und Nahrungsergänzungsmitteln versorgten. Der Umsatz der Division wuchs um fünf Prozent auf fünf Milliarden Euro.
Bayer verkauft Teil von Crop Science
Im Agrargeschäft Crop Science legte Bayer nur leicht um 1,3 Prozent auf 18,8 Milliarden Euro Umsatz zu, der bereinigte Gewinn sank um vier Prozent auf 4,5 Milliarden Euro. In Nordamerika, dem alten Stammmarkt von Monsanto, steht Bayer unter starkem Wettbewerbsdruck, wodurch die Preise und Verkaufsmengen sinken.
Im Gegenzug profitierte Bayer vom starken Geschäft in Lateinamerika, wo Landwirte im großen Stil Sojabohnen anbauen, die anschließend nach China exportiert werden. Die Nachfrage nach Soja-Saatgut war hoch.
Im Portfolio der Agrarsparte räumt Bayer weiter auf. Die Einheit Environmental Science mit einem Umsatz von rund 600 Millionen Euro wird verkauft. Darin sind Geschäfte mit Produkten zur Schädlingsbekämpfung und Unkrautbeseitigung gebündelt, die außerhalb der Landwirtschaft verkauft werden. Um Glyphosat geht es dabei nicht.
Auch für 2021 erwartet Bayer operativ keine großen Sprünge im Agrogeschäft und wird damit weiter hinter den früheren Erwartungen zurückbleiben. Konkret stellt der Konzern zwei Prozent Umsatzwachstum und eine leicht rückläufige Ebitda-Marge von 27 Prozent in Aussicht. Baumann sieht die Sparte weiter in einer Übergangsphase. Sie werde aktuell durch verzögerte Produktzulassungen und rückläufige Lieferungen an BASF gebremst.
Das Marktwachstum sei insgesamt geringer als erwartet und werde für die Zukunft auf etwa drei Prozent pro Jahr geschätzt. „Wir haben aber ganz klar die Ambition und auch die Mittel in der Hand, um mittel- und langfristig über dem Markt zu wachsen“, sagte Baumann.
Mehr: Bayer trennt sich von einem Teil seines Agrargeschäfts
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@Hr. Knoll: Es mag ja strategisch richtig sein, aber einen derartig verbrannten Namen zu kaufen ist ein Risiko. Dann noch die Altlasten - Klagerisiken - mit zu 'kaufen' ist schon vorsätzliche Schädigung der Aktionäre. Das hätte man vertraglich bei den Alteigentümern lassen müssen - oder den Deal halt lassen.
Herr Baumann macht auf mich nicht den Eindruck eines Abkassierers und die Entscheidung Monsanto zu kaufen erscheint mir strategisch immer noch richtig und wird sich für die Aktionäre langfristig auszahlen.
Welches deutsche Unternehmen war bisher in den USA erfolgreich? Ich verstehe nicht, warum der Vorstand nicht längst seinen Hut nehmen musste. Aussitzen kenne ich sonst nur von den Politikern und die richten finanziell oft noch größeren Schaden an. Da zahlt der Steuerzahler, bei Bayer die Aktionäre.
@Herr J.-Fr. Pella
wundert mich auch - richtig Mist bauen und trotzdem ewig abkassieren, was ist da los?
Wieso ist H. Baumann und seine Gefolgschaft noch immer am Ruder?
Es ist einfach unglaublich.