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Pharmabranche Opioid-Epidemie: Oxycontin-Hersteller-Familie Sackler muss Milliarden zahlen

Mit ihrem aggressiven Marketing für das Opioid Oxycontin hat der Hersteller Millionen Amerikaner in die Abhängigkeit getrieben. Nun muss er dafür zahlen.
02.09.2021 - 18:17 Uhr Kommentieren
Die Familie zahlt 4,5 Milliarden Dollar für die Entschädigung der Abhängigen. Quelle: KENTUCKY ATTORNEY GENERAL'S OFFI/Redux/laif
Richard Sackler

Die Familie zahlt 4,5 Milliarden Dollar für die Entschädigung der Abhängigen.

(Foto: KENTUCKY ATTORNEY GENERAL'S OFFI/Redux/laif)

New York Ihr Name steht wie kein anderer für die Opioid-Epidemie in den USA: die Sackler-Familie. Die Sacklers sind die Besitzer des Pharmakonzerns und Oxycontin-Herstellers Purdue, der mit der Abhängigkeit Milliarden machte.

Es ist ein legales, aber extrem schnell abhängig machendes opioidhaltiges Mittel, das die Familie bewusst in den Markt drückte. Sie gilt als Hauptverantwortliche für die Opioid-Epidemie, die rund einer halben Million Amerikanern das Leben gekostet hat.

Unter dem Druck von Tausenden Klagen ist ihr Reich und ihr Unternehmen zusammengebrochen. Purdue hat die Insolvenz beantragt, und die Familie wird 4,5 Milliarden Dollar an das übrig gebliebene Unternehmen zahlen, damit es davon die Kläger bedient. Damit sollen die Sacklers selbst vor Klagen gefeit sein. Einer entsprechenden Einigung haben diese Woche ein Insolvenzrichter und die beteiligten Parteien zugestimmt.

Für die Sackler-Familie – und allen voran für Richard Sackler, der einst das Patent auf Oxycontin anmeldete und als Präsident an der Purdue-Spitze stand – ist dies das teure Ende eines langen finanziellen und gesellschaftlichen Aufstiegs.

Bevor die Sacklers als feiner Drogenclan bekannt wurden, hatten sie Zugang zu den höchsten Ebenen der Gesellschaft: Ihr Nachname zierte dank großzügiger Spenden die berühmtesten Museen der Welt. Im Metropolitan Museum in New York war der Flügel mit dem altägyptischen Dendur-Tempel nach der Familie benannt. Das Guggenheim Museum, das Smithsonian, der Louvre und Universitäten wie Harvard und Oxford haben der Familie Räume gewidmet.

Die edlen Spender aus New York – in dieser Rolle sah sich die Familie Sackler gern, die 1952 das Unternehmen Purdue Pharma übernommen hatte. Mit einem Vermögen von 14 Milliarden Dollar schaffte sie es 2015 zum ersten Mal unter die Top 20 auf der „Forbes“-Liste der reichsten US-Familien – noch vor den Rockefellers.

Von Philanthropen zu Hauptverantwortlichen der Opioid-Epidemie 

Doch seit einigen Jahren stehen die Sacklers nicht mehr als Philanthropen in den Schlagzeilen, sondern als Hauptverantwortliche der amerikanischen Opioid-Epidemie. Opferanwälte, aber auch Bundesstaaten klagen gegen Purdue und die Sacklers. Sie werfen ihnen vor, Menschen mit dem starken Schmerzmittel Oxycontin wissentlich in die Abhängigkeit gebracht zu haben. Das Unternehmen soll die Gefahr der Abhängigkeit heruntergespielt und mit gefälschten Studien zur Verbreitung des Medikaments beigetragen haben.

So hat Purdue unter anderem seine Pharmavertreter mit Prämien angespornt, die schneller abhängig machende, höhere Dosis bei den Ärzten zu vertreiben. Das führte dazu, dass einige Menschen bei geringeren Schmerzen Oxycontin verschrieben bekamen und nicht mehr davon loskamen. Wenn die Verschreibungen ausliefen, stiegen sie dann in vielen Fällen auf den florierenden Schwarzmarkt für Oxycontin um oder gleich auf Heroin, das deutlich günstiger zu haben ist.

Angefangen hatte Purdue Pharma eher unspektakulär und verkaufte vor allem Abführmittel oder Ohrenreiniger, als die Psychiater-Brüder Raymond, Mortimer und Arthur Sackler das Unternehmen 1952 kauften. Erst in den 90ern kam der Durchbruch. Unter Führung des verstorbenen Raymond Sackler entwickelte Purdue das neue Schmerzmittel Oxycontin. Die Familie definierte das Unternehmen als „Pionier in der Entwicklung von Medizin, die Schmerzen reduziert, der Hauptgrund für menschliches Leiden“.

Um den Markt für das Medikament zu vergrößern, stieß Purdue in den 90ern die Debatte über den Umgang mit Schmerzmitteln an. Purdues Marketingexperten sorgten dafür, dass Schmerzen nicht mehr als Symptom galten, sondern dass der Schmerz selbst behandelt wurde. Wirtschaftlich ging die Rechnung auf: 1996 setzte Purdue gerade einmal 42 Millionen Dollar mit Oxycontin um, 2010 bereits drei Milliarden. 

Gesellschaftlich war es ein Desaster: Die Zahl der Drogentoten hat sich laut der US-Gesundheitsbehörde NIH seit der Einführung von Oxycontin 1995 auf mehr als 70.000 im Jahr 2019 versechsfacht. Davon starben 50.000 an Opioiden wie „Oxy“.

Schon 2007 eine Strafe von 635 Millionen Dollar

Raymonds Sohn Richard Sackler übernahm vor zwei Jahrzehnten das Amt des Präsidenten und später auch das des Chairman. Bereits 2007 mussten Purdue und drei Topmanager für die aggressive Vermarktung von Oxycontin 635 Millionen Dollar Strafe zahlen. Die Familie dagegen blieb damals verschont.

Diesmal kommen die Sacklers nicht ungeschoren davon: Sie müssen sich mit Milliarden freikaufen. Purdue wird als eine Art Auszahlungsfonds für Geschädigte fungieren. Drogenabhängige oder deren Angehörige sollen aus einem Fonds vermutlich zwischen 3500 und 48.000 Dollar individuelle Entschädigung bekommen. Außerdem sollen Bundesstaaten, Gemeinden und Krankenhäuser für ihren hohen Aufwand durch die vielen Abhängigen entschädigt werden.

„Kein Deal ist perfekt, und keine Summe Geld wird je die Hunderttausenden Toten wettmachen“, sagte die New Yorker Staatsanwältin Letitia James, die vor zwei Jahren die Klage gegen Purdue und die Sacklers eingereicht hatte. „Aber dieser Fonds wird dazu dienen, zukünftige Tote und Zerstörung durch die Opioid-Epidemie zu verhindern.“

Fast zwei Jahre lang hätten Purdue und die Sackler-Familie jede Verzögerungstaktik genutzt und die Gerichte missbraucht, um ihr Fehlverhalten zu vertuschen. Aber dank der jüngsten Einigung kämen endlich 4,5 Milliarden Dollar zügig zu den Betroffenen und in die Gemeinden „einer der gefährlichsten Drogenhändler der Nation ist ein für alle Mal aus dem Opioid-Geschäft raus“, sagte James über die Sacklers.

Mehr: Oxycontin-Hersteller Purdue Pharma akzeptiert Milliardenvergleich

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