Pharmabranche Pharmakonzerne zahlen über 600 Millionen Euro an deutsche Ärzte

Über 600 Millionen Euro haben Pharmaunternehmen im vergangenen Jahr an deutsche Ärzte bezahlt. Was mit dem Geld passiert, ist unklar.
Düsseldorf Sie nennt sich FSA: Freiwillige Selbstkontrolle der Arzneimittelindustrie. Und sie hat sich auf die Fahnen geschrieben, Transparenz in das Verhältnis von Arzt und Pharmaindustrie zu bringen. Dazu veröffentlicht der Zusammenschluss von 55 Konzernen seit 2015 ihre Geldzahlungen an Ärzte, Apotheker und Kliniken.
Am Donnerstag vermeldete die Organisation nun die Zahlen für 2017. Und die zeigen ein trauriges Bild. Die Zuwendungen steigen weiter an – während immer weniger Empfänger damit einverstanden sind, dass ihre Namen öffentlich gemacht werden.
So gingen laut FSA 2017 etwa 605 Millionen Euro an Ärzte, Apotheker und Krankenhäuser. Im Jahr davor waren es dagegen noch knapp 562 Millionen Euro. Allein über 105 Millionen Euro wurden dabei für Fortbildungen und Vorträge geleistet, ein Bereich, in dem die Beeinflussung der Männer und Frauen in Weiß durch die Pharmaindustrie besonders oft vorkommt.
Aber auch die übrigen Gelder, die die FSA als „Forschungsgelder“ tituliert, sind teilweise fragwürdig. So fallen darunter etwa auch die äußerst umstrittenen „Anwendungsbeobachtungen“. Bei diesen kassiert ein Arzt Gelder von einem Medikamentenhersteller dafür, dass er dessen Mittel im Alltag testet. Organisationen wie etwa Transparency International sehen darin dagegen eine Scheinforschung, die eigentlich nur den Zweck verfolgt, indirekt Einfluss auf den Mediziner zu nehmen.
Die Arzneimittelindustrie bewertet die Veröffentlichung der FSA gleichwohl positiv. „Der Transparenzkodex setzt einen Standard im deutschen Gesundheitswesen und hat sich im dritten Veröffentlichungsjahr etabliert“, so Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Lobbyverbandes vfa.
Gerade mit Blick auf das Thema Transparenz muss hinter diese Aussage aber ein dickes Fragezeichen gesetzt werden. Denn trotz der FSA-Veröffentlichung können Patienten noch immer in den meisten Fällen nicht nachvollziehen, ob und wieviel Geld ihr Arzt von einem Pharmaunternehmen kassiert.
Anders als in den USA etwa, wo die Unternehmen gezwungen sind, die Empfänger von Geldern auch namentlich zu nennen, verpflichtet die FSA ihre Mitglieder bis heute nicht, Ärzte zum „Outing“ zu zwingen. Eine namentliche Nennung erfolgt nur, wenn der Arzt zustimmt. Dabei könnten die Pharmakonzerne ihre Zahlungen ganz einfach davon abhängig machen, dass die Ärzte eine Namensnennung akzeptieren.
Die Quittung dieses Verhaltens zeigen die weiteren Zahlen des FSA. Kaum ein Arzt erlaubt noch die Identifizierung. Schon 2015 waren nur 31 Prozent dazu bereit, 2016 sank der Wert auf 25 Prozent. 2017 haben ganze 20 Prozent noch der Namensnennung zugestimmt.
Die FSA aber bleibt offenbar bei ihrem Kurs. Holger Diener, FSA-Geschäftsführer, richtet lediglich einen Appell an die Mediziner. „Um das Vertrauen in die Unabhängigkeit von Diagnose und Therapie zu stärken, sollte sich die Bereitschaft der Ärzte erhöhen, einer individuellen Nennung zuzustimmen“, so Diener.
Für Vereinigungen wie Transparency International oder die unabhängige Ärzteorganisation MEZIS („Mein Essen zahle ich selbst“) reicht das dagegen nicht aus, um glaubwürdig für Transparenz und gegen Ärztebeeinflussung einzustehen. Für Wolfgang Wodarg, Vorstand bei Transparency Deutschland, ist die FSA lediglich ein Feigenblatt der Pharmaindustrie. „Sie ist nur dazu da, umstrittene Praktiken schön zu reden“, so Wodarg.
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