Pharmaforschung Neue Impfstoffe gegen Grippe, Tuberkulose, HIV und Malaria – Woran Biontech forscht

Anders als Moderna setzt sich Biontech in seiner Forschungs-Strategie keinerlei Grenzen, was Technologien oder Substanzklassen angeht.
Frankfurt Mit der enormen Finanzkraft aus dem Covid-Impfstoff-Geschäft im Rücken arbeitet Biontech intensiv daran, auch seine anderen Forschungsaktivitäten stark zu beschleunigen und zu verbreitern. Das machte das Management des Mainzer Biotech-Unternehmens am Dienstag im Quartals-Call deutlich. Der Großteil der Ausführungen war den diversen klinischen Projekten gewidmet.
„Die Transformation von Biontech zu einem führenden und voll integrierten Immuntherapieunternehmen geht mit hohem Tempo voran“, sagte Biontech-Chef Ugur Sahin.
In den ersten drei Quartalen des Jahres habe man die Onkologie-Pipeline schneller erweitert denn je. Sie umfasst inzwischen 15 Projekte in 19 klinischen Studien, darunter vier Phase-2-Studien, in denen Wirkstoffe an einer größeren Zahl von Patienten erprobt werden. Für sechs der Programme, darunter Krebsvakzine und Zelltherapien, will Biontech positive Daten auf der bevorstehenden Konferenz der Gesellschaft für Immuntherapie (SITC) präsentieren.
Auch im Bereich der Infektionskrankheiten hat das Mainzer Unternehmen seine Aktivitäten in jüngerer Zeit offenbar deutlich forciert und über Covid hinaus erweitert. Man verfolge jenseits von Covid inzwischen zehn Programme und werde in den nächsten 18 Monaten eine ganze Reihe von klinischen Studien starten, kündigte Sahin an.
Unter anderem zielt das Unternehmen auf neue Impfstoffe gegen Grippe, Tuberkulose, HIV und Malaria. Für einen Grippeimpfstoff, den Biontech in Kooperation mit Pfizer entwickelt, sind bereits erste klinische Studien angelaufen. Die Forschungsausgaben sollen im laufenden Jahr auf bis zu 1,05 Milliarden Euro steigen (gegenüber 645 Millionen Euro im Vorjahr) und dürften 2022 weiter stark wachsen. Zudem will Biontech auch die Investitionen in Automation, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz weiter verstärken.
Mit der Übernahme der österreichischen Phagomed Biopharma GmbH für bis zu 150 Millionen Euro demonstriert das Mainzer Biotech-Unternehmen zudem, dass es über Impfstoffe hinaus auch in die Behandlung von Infektionskrankheiten drängt. Phagomed arbeitet an neuartigen Wirkstoffen, die in der Lage sind, die Zellwand von Bakterien zu zerstören.
Neue Kombinationstherapien gegen Krebs
Anders als der amerikanische Konkurrent Moderna, der sich nahezu vollständig auf mRNA-basierte Therapien und Vakzine fokussiert, setzt sich Biontech in seiner Forschungsstrategie keinerlei Grenzen, was Technologien oder Substanzklassen angeht. Das Unternehmen forscht über mRNA hinaus vielmehr auch an diversen anderen Ansätzen, darunter etwa Zelltherapien und auch klassische Pharmamoleküle.
Sahin und Medizinchefin Özlem Türeci haben diese Strategie jetzt im Analysten-Call einmal mehr bekräftigt. Man baue einen Werkzeugkasten an Technologien und treibe Innovationen über „multiple Plattformen voran, um das Immunsystem zu stärken und Behandlungsparadigmen bei Infektionskrankheiten und Krebserkrankungen zu transformieren“, so der Biontech-Chef.
Man glaube, dass man mit dem breiten Spektrum neue starke Kombinationstherapien für eine ganze Palette an Krebserkrankungen entwickeln könne, für die bisher keine befriedigenden Therapien zur Verfügung stehen. „Wir erforschen Innovationen an der Schnittstelle von Immunologie und synthetischer Biologie“, so Sahin.
Vorerst werde man sich dabei wohl stark auf Krebs und Infektionskrankheiten konzentrieren. Mittelfristig sieht Sahin aber auch Potenzial für Biontech in Bereichen wie Autoimmunerkrankungen (Rheuma, Schuppenflechte etc.) oder regenerativen Therapien.
Im Rahmen der Strategie setzt das Unternehmen zudem auf weitere Zukäufe. Neben dem Erwerb von Phagomed hatte sich Biontech auf diese Weise auch durch den Erwerb einer Forschungseinheit von Gilead im Bereich Zelltherapien gegen Krebs verstärkt.
„Sie können davon ausgehen, dass es mehr solcher Deals geben wird“, sagte Strategiechef Ryan Richardson am Dienstag. Diese werden nach Aussage Richardsons primär darauf zielen, die Technologiebasis des Unternehmens zu verbreitern. Denkbar sei aber auch der Zukauf von klinischen Forschungsprogrammen, insbesondere im Bereich Onkologie und Infektionskrankheiten.
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