Pharmakonzern Bayer-Aktie bricht nach Monsanto-Urteil um bis zu 14 Prozent ein
Düsseldorf Bayer ist an diesem Montag nicht nur der größte Verlierer im Dax. Die Aktie des Leverkusener Pharmakonzerns ist zwischenzeitlich um 14 Prozent auf 80,37 Euro eingebrochen – und damit auf den tiefsten Stand seit mehr als fünf Jahren gefallen. Das entspricht einem Verlust von mehr als elf Milliarden Euro an Börsenwert.
Verantwortlich für den Kurssturz ist ein Urteil in den USA gegen die Bayer-Tochter Monsanto. Das Unternehmen wurde zu einer hohen Schadensersatzzahlung verdonnert.
Ein Gericht in San Francisco hatte Monsanto in einem ersten Prozess wegen angeblich verschleierter Krebsrisiken seines Unkrautvernichters Roundup mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat zu hohem Schadensersatz verurteilt.
Die Geschworenenjury des zuständigen Gerichts in San Francisco ordnete nach dreitägigen Beratungen an, dass der Hersteller Monsanto, der mittlerweile zu Bayer gehört, dem klagenden Krebskranken Dewayne Johnson insgesamt 289 Millionen Dollar (253 Millionen Euro) zahlen muss. Das Unternehmen habe nicht ausreichend vor den Risiken seines Produkts gewarnt.
Grundsätzlich ist es in den USA zwar nicht ungewöhnlich, dass die Strafzahlungen bei solchen Verfahren später erheblich verringert oder die Urteile in der nächsten Instanz wieder kassiert werden. Analyst Michael Leacock von Mainfirst sagte, das Urteil dürfte wegen der Unsicherheiten aber lange auf den Aktien lasten.
Hinzu kommt, dass Börsianer nun fürchten, dass das Urteil nur der Anfang einer ganzen Welle an Schadensersatzforderungen ist, da sich Monsanto noch rund 5.000 ähnlichen Klagen gegenübersieht. Das Brokerhaus Mainfirst stufte die Bayer-Aktie herunter und senkte das Kursziel von 135 auf 90 Euro.
Auch die Experten von Citi Research reduzierten ihr Kursziel: von 132 auf 93 Euro pro Papier. Für sie ist der Rückschlag im Glyphosat-Verfahren nur eines von vielen Problemen im Bayer-Konzern, die sich in den vergangenen Jahren aufgetan hätten.
Dazu gehörten etwa die Schwierigkeiten im US-Geschäft mit freiverkäuflichen Arzneien und eine womöglich zu schwache Pharma-Pipeline, die den Patentablauf beim aktuellen Bestseller Xarelto (zur Schlaganfall-Prophylaxe) im nächsten Jahrzehnt womöglich nicht abfedern könne: „Die Nachricht vom Wochenende macht es nahezu unmöglich, noch ein Käufer der Bayer-Aktie zu bleiben“, lautet die Schlussfolgerung des Citi-Analysten Peter Verdult.
JP Morgan, Goldman Sachs und die Commerzbank beließen das Papier hingegen bei ihrem jeweiligen Kursziel von 120, 116 beziehungsweise 111 Euro. JP-Morgan-Analyst Richard Vosser hält die Sorgen der Anleger für übertrieben und sieht die Kursverluste aus diesem Grund als eine gute Kaufgelegenheit.
Ähnlicher Meinung ist Ulrich Huwald, Pharma-Experte des Bankhauses Warburg. Auch er hält den Kursverlust für übertrieben. Die mögliche Gesamtbelastung für die Glyphosat-Verfahren sei jetzt noch gar nicht greifbar. Diese Unsicherheit belaste aber schon jetzt die Bayer-Aktie.
Der Leverkusener Konzern ist mit der Übernahme von Monsanto Anfang Juni zum weltweit führenden Agrochemie-Anbieter aufgestiegen, mit etwa 19 Milliarden Euro Jahresumsatz. Etwa 3,3 Milliarden Euro davon entfallen auf das Pflanzenschutzgeschäft von Monsanto, das überwiegend auf glyphosathaltigen Produkten beruht. Das Hauptgeschäft des US-Konzerns dagegen besteht aus Saatgut. Vor allem genmodifizierte Mais- und Sojasorten, die gegen Glyphosat resistent sind, sind für den Aufstieg Monsantos verantwortlich.
Monsanto will Berufung einlegen
Monsanto kündigte Berufung gegen das Urteil an. Das Unternehmen bestreitet, dass Glyphosat Krebs verursacht. Wissenschaftliche Studien hätten gezeigt, dass die Chemikalie für den menschlichen Gebrauch unbedenklich sei. Bayer erklärte, der Konzern sei davon überzeugt, „dass die Gerichte im weiteren Verfahrensverlauf zu dem Ergebnis kommen werden, dass Monsanto und Glyphosat für die Erkrankung von Herrn Johnson nicht verantwortlich sind“.
Der Anwalt von Johnson sagte dagegen, die Geschworenen hätten zum ersten Mal interne Firmenunterlagen gesehen, die bewiesen, dass Monsanto seit Jahrzehnten wisse, dass Glyphosat Krebs verursachen könne.
Die Analysten von Barclays gehen davon aus, dass die Berufung von Monsanto wahrscheinlich dazu führen wird, dass die Strafe auf ein Minimum reduziert oder sogar rückgängig gemacht wird. In einem „Worst-Case-Szenario“ sei angesichts der Zahl der Klagen mit einer Belastung von über einer Billion Dollar zu rechnen. Dies sei aber sehr unwahrscheinlich.
Glyphosat zählt weltweit zu den meist verwendeten Herbiziden. Monsanto patentierte die Chemikalie in den frühen 1970er-Jahren. Inzwischen wird Glyphosat auch von anderen Firmen hergestellt, da das Patent seit Jahren abgelaufen ist. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hatte die Chemikalie 2015 als „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“ eingestuft. Die US-Umweltschutzbehörde schloss dagegen 2017 eine jahrzehntelange Bewertung der Risiken von Glyphosat ab und erklärte, dass die Chemikalie für Menschen wahrscheinlich nicht krebserregend sei.
„Es könnten noch viel höhere Schadensersatzforderungen auf Bayer zukommen“
In der EU war die Zulassung von Glyphosat im vergangenen November für weitere fünf Jahre verlängert worden. In Deutschland will Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) den Gebrauch von Glyphosat aber einschränken. Nach Ansicht des SPD-geführten Umweltministeriums sollte Glyphosat ab 2021 nicht mehr verwendet werden: „Es gilt der Koalitionsvertrag, dass die Anwendung von Glyphosat grundsätzlich innerhalb dieser Legislaturperiode zu beenden ist.“
Das Glyphosat-Urteil in den USA habe keinen Einfluss auf diese Entscheidung, denn dieses betreffe Gesundheitsaspekte, sagte ein Sprecher. Der Ausstieg werde in Deutschland betrieben, weil Glyphosat die Artenvielfalt in der Natur beeinträchtige. „Und das ist unsere Hauptmotivation.“
Mit Material von Reuters
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
Eine solche Übernahme muss ja gut vorbereitet werden. Sicherlich haben die Bayer-Strategen dieses Szenario vor der Übernahme von Monsanto auch durchgespielt...oder?