Pharmakonzern Boehringer erzielt Rekordgewinn nach Konzernumbau

Der Pharmakonzern sieht sich dank einer starken Forschungspipeline auch für die kommenden Jahre in einem Aufwärtstrend.
Frankfurt Der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim geht gestärkt aus dem Umbau der vergangenen beiden Jahre hervor. Das machen die Zahlen und Prognosen deutlich, die Firmenchef Hubertus von Baumbach jetzt auf der Bilanzpressekonferenz des zweitgrößten deutschen Pharmaherstellers präsentierte.
Zwar ist der Umsatz des Ingelheimer Konzerns 2018 nominal um drei Prozent auf 17,5 Milliarden Euro gesunken. Doch das geht im Wesentlichen auf Sondereffekte im Zusammenhang mit aufgegebenen Geschäftsfeldern und negative Währungseffekte zurück. Bereinigt um diese Faktoren legten die Erlöse nach Angaben des Unternehmens um vier Prozent zu.
Der Betriebsgewinn konnte trotz Umsatzrückgang auf dem hohen Vorjahresniveau von 3,5 Milliarden Euro gehalten werden, die operative Rendite verbesserte sich damit von 19,3 auf knapp 20 Prozent. Unter dem Strich weist Boehringer einen Rekordgewinn von knapp 2,1 Milliarden Euro nach Steuern aus, nach einem Verlust von 223 Millionen Euro im Vorjahr.
Von Baumbach, ein Urenkel des Firmengründers Albert Boehringer, spricht von einem „starken Jahr“ und sieht den Konzern dank einer soliden Forschungs-Pipeline auch für die kommenden Jahre im Aufwärtstrend. Im vergangenen Jahr investierte Boehringer rund 3,2 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung.
Mit Rekord-Sachinvestitionen von rund einer Milliarde Euro baute der Konzern sowohl seine Forschungskapazitäten als auch die Produktionskapazitäten für biotechnische Produkte aus. Rund 40 Prozent der eigenen Pipeline-Produkte entfallen auf Biotech-Produkte. Darüber hinaus ist Boehringer ein führender Auftragsfertiger in dem Bereich.
Für 2019 stellt von Baumbach auf vergleichbarer Basis ein leichtes Wachstum in Aussicht. Zugleich bekräftigte der Boehringer-Chef das Ziel, bis Mitte des nächsten Jahrzehnts einen Umsatz von etwa 25 Milliarden Euro zu erreichen. „Es gibt keinen Grund daran zu zweifeln“, sagte er im Gespräch mit dem Handelsblatt, auch wenn Boehringer bis dahin noch weitere Patentabläufe zu verkraften hat.
Von Baumbach verweist in dem Zusammenhang unter anderem auf rund 90 Projekte in der Forschungs-Pipeline. „Der Anteil an Substanzen oder Indikationen mit Potenzial für einen medizinischen Durchbruch liegt bei über 65 Prozent und damit deutlich jenseits unserer internen Zielmarke von 50 Prozent.“
Wachstumstreiber Diabetes
Wachstumschancen sieht er für den Ingelheimer Konzern in den nächsten Jahren vor allem in der Therapie von Diabetes, immunologischen Erkrankungen wie Schuppenflechte und fibrotischen Lungenerkrankungen. Einige Hoffnungen ruhen unter anderem auf dem von Boehringer entwickelten Schuppenflechte-Medikament Skyrizi (Risankizumab), das in Japan bereits zugelassen ist und 2019 voraussichtlich auch in Europa und den USA die Zulassung erhalten wird.
Das Mittel wird zwar vom US-Konzern Abbvie vertrieben, dürfte aber hohe Lizenzerträge für den Ingelheimer Konzern einspielen. Mittelfristig will Boehringer zudem auch in der Krebstherapie sowie bei Leber- und neurologischen Erkrankungen eine stärkere Rolle spielen.
In der Onkologie forscht das Unternehmen intensiv an neuartigen Ansätzen in der Immuntherapie gegen Tumore. „Da sehen wir eine neue Welle an Möglichkeiten, durch die sich die Therapiekonzepte nachhaltig verändern werden“, so von Baumbach.
Boehringer rangiert in der Welt-Pharmaindustrie aktuell auf Position 19 und ist damit das mit Abstand größte Familienunternehmen in der Branche. Die zurückliegenden beiden Jahre waren stark durch M&A-Transaktionen und eine interne Reorganisation geprägt. Anfang 2017 übernahm der Konzern das Tiermedizin-Geschäft des französischen Konzerns Sanofi und wurde damit zum weltweit zweigrößten Hersteller auf diesem Gebiet.
Im Gegenzug gab Boehringer den Bereich Consumer Health-Care (CHC/rezeptfreie Medikamente) an Sanofi ab. Service-Leistungen und Produktlieferungen in diesem Bereich hatten 2017 noch den Umsatz aufgebessert, sind 2018 aber weitgehend entfallen. Vor allem darauf führt Boehringer den Umsatzrückgang im vergangenen Jahr zurück.
Sondereffekte im Zusammenhang mit diesen Transaktionen sind letztlich auch für den enormen Ertrags-Swing der letzten beiden Jahre verantwortlich. So verbuchte Boehringer 2017 hohe Steueraufwendungen im Zusammenhang mit dem CHC-Verkauf, während man den Veräußerungsgewinn aus dem Desinvestment bilanztechnisch praktisch komplett neutralisierte.
Hinzu kamen Steuerbelastungen im Zusammenhang mit der US-Steuerreform. Da sich beide Effekte 2018 nicht wiederholten, hat sich der ausgewiesene Steueraufwand von rund 3,1 Milliarden Euro auf 1,1 Milliarden Euro normalisiert.
Operativ entwickelten sich alle drei verbliebenen Sparten solide. Das Humanpharma-Geschäft wuchs nach Unternehmensangaben währungsbereinigt um 3,3 Prozent auf 12,6 Milliarden Euro. Klammert man rückläufige Lizenzerlöse aus, stieg der Umsatz um gut fünf Prozent. Boehringer dürfte damit im Medikamentengeschäft etwas stärker als der Gesamtmarkt gewachsen sein.
Umsatzeinbußen beim bisherigen Bestseller Spiriva, einem Atemwegs-Medikament, und beim Herzmittel Micardis standen weitere kräftige Zuwächse im Diabetesgeschäft gegenüber. Das Diabetesmittel Jardiance legte um gut die Hälfte auf 1,8 Milliarden Euro zu. Das Medikament Ofev gegen Lungenfibrose steigerte die Erlöse um 29 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro. Zuwächse verbuchte Boehringer auch mit dem Gerinnungshemmer Pradaxa.
In der Tiermedizin steigerte der Konzern die Erlöse um 5,6 Prozent auf knapp vier Milliarden Euro, was von Baumbach angesichts der parallel laufenden Integration der Sanofi-Sparte als besonderen Erfolg wertet. Im dritten Geschäftsfeld, der biopharmazeutischen Auftragsproduktion, wuchs der Umsatz um 8,3 Prozent auf 734 Millionen Euro.
Finanzreserve sichert Freiheitsgrade
Auch finanziell präsentiert sich das Ingelheimer Familienunternehmen weiterhin in extrem starker Verfassung. Der operative Cashflow verbesserte sich auf rund drei Milliarden Euro, der freie Cashflow nach Sachinvestitionen legte um fast ein Viertel auf 1,9 Milliarden Euro zu. Lediglich gut 200 Millionen Euro flossen als Ausschüttung an die Eigentümerfamilie. Diese Mittel dienten dabei im wesentlichen dazu, die Steuerverpflichtungen der persönlich haftenden Gesellschafter zu decken.
Der Löwenanteil des Cashflows dagegen verblieb im Unternehmen, so dass sich die ohnehin üppige Netto-Finanzposition des Konzerns um weitere 1,5 Milliarden auf rund neun Milliarden Euro vergrößerte. Kein anderes deutsches Unternehmen leistet sich ein derart starkes Finanz-Polster.
Boehringer-Chef von Baumbach sieht die hohen Finanzreserve weiterhin in erster Linie als Absicherung für eine ambitionierte Forschungsstrategie. „Wir bleiben ein unabhängiges, auf Innovation ausgerichtetes Unternehmen mit einer langfristigen Perspektive.“ Weitere größere Akquisitionspläne sind demnach kein Thema für den Konzern.
Mögliche Ergänzungen des Sortiments durch den Erwerb von Unternehmen oder fortgeschrittenen Entwicklungsprodukten, etwa im Krebsbereich, betrachtet von Baumbach als zu teuer und daher als finanziell unattraktiv. „Wenn man das Risiko mit einkalkuliert, sind das in der Regel Negativgeschäfte.“
Der Boehringer-Chef, ein gelernter Banker und Jurist, rückt stattdessen das Thema Innovation klar in den Vordergrund seiner Strategie. „Wenn ich Boehringer Ingelheim reduzieren würde auf das, was uns stark gemacht hat, dann ist es der Glaube an unsere Innovationskraft und die Beständigkeit in der Übung der Innovation“, sagt er.
In den letzten Jahren hat Boehringer in diesem Zuge das Engagement bei Forschungsprojekten in der Frühphase ausgebaut und setzt dabei verstärkt auf Kooperationen mit externen Partnern aus der akademischen Forschung und dem Biotechsektor.
Dazu hat der Ingelheimer Konzern unter anderem die Initiative „Research beyond borders“ gestartet und das Innovationsportal „opnMe „gestartet, auf dem er Moleküle aus der eigenen Forschung auch für externe Wissenschaftler zur Verfügung stellt. Das Netzwerk der Partnerschaften umfasst inzwischen rund 150 Allianzen.
Insgesamt will sich der Konzern damit noch stärker für externe Innovationen öffnen und die Flexibilität stärken mit Blick auf neue Technologien. Boehringer wolle in dieser Hinsicht noch mutiger werden, so von Baumbach. „Wir dürfen uns nicht schuldig machen, unsere Freiheitgrade nicht genutzt zu haben.“
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.