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Restrukturierung bei VW Vor dem großen Umbau

Der Automobilriese ist im Sommer 2015 ein Konzern im Wandel. Alles scheint in Bewegung: Das Management, die Märkte und nicht zuletzt die Eigentümerfamilien. Absatzprobleme gibt es besonders in China und den USA.
26.07.2015 - 20:00 Uhr Kommentieren
Herbert Diess, VW Marketingchef Quelle: BMW
VW-Markenvorstand Diess

Möglicher Kandidat für die Konzernspitze.

Frankfurt, München Es war eine Fahrradtour der besonderen Art. Gemeinsam mit Betriebsratschef Bernd Osterloh radelte VWs neuer Markenchef Herbert Diess an einem seiner ersten Arbeitstage in Wolfsburg durch Lackiererei und Fertigung. Man tauschte aus: gegenseitige Wertschätzung, Lob für die Mitarbeiter und das Erstaunen über die Größe des Werks. Es sind mehr als warme Worte, die da Anfang Juli zwischen den beiden Männern ausgetauscht wurden.

Nicht nur Respekt ist da, sondern offenbar auch Sympathie. „Ich bin sehr davon angetan, wie er bestimmte Dinge einschätzt“, sagt Osterloh über Diess im Handelsblatt-Interview. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Herbert Diess hat sich in seiner Zeit bei BMW einen Ruf als harter Hund und Kostenkiller erarbeitet. In Wolfsburg empfangen ihn die Arbeitnehmer freundlich. Der Schulterschluss zwischen Arbeit und Kapital ist ein wichtiges Signal für die bald 600.000 Mitarbeiter. Denn von Diess und Osterloh hängt ab, wie der große VW-Konzern durch die nächsten Jahre kommt.

Der Betriebsrat ist nach der vom früheren Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch versuchten Demontage des Vorstandschefs Martin Winterkorn die Konstante im Machtgefüge des Zwölf-Marken-Konzerns. Und Diess muss nun möglichst geräuschlos dafür sorgen, dass bei der Kernmarke VW die Kosten um fünf Milliarden Euro gedrückt werden. Bewältigt er dieses Kunststück, kann er sich Hoffnungen auf höhere Weihen machen.

Volkswagen im Sommer 2015 ist ein Konzern im Wandel. Ausgelöst durch sechs Worte des bis dato allmächtigen Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piëch („Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“), wirkte der Autobauer von Mitte April an wochenlang wie gelähmt. Dass Piëch nebst Ehefrau Ursula und nicht Winterkorn Opfer des Machtkampfs wurde, ist nur der Anfang eines komplizierten Veränderungsprozesses. Nun ist alles gleichzeitig in Bewegung: das Management, die Märkte und nicht zuletzt die Eigentümerfamilien.

Bei einem Schwergewicht wie Volkswagen gleichen solche Bewegungen der Verschiebung von tektonischen Platten – schwere Beben sind wie im Fall Piëch nicht ausgeschlossen. Wie stark die VW-Welt in Bewegung ist, zeigt ein Blick in die Bilanzen. Vor neun Jahren kündigte Winterkorn an, VW ganz nach vorne zu bringen. Seitdem hat sich der Umsatz fast und das Ergebnis sogar mehr als verdoppelt.

Mit einem Jahreserlös von 200 Milliarden Euro und gut zehn Millionen verkauften Fahrzeugen sind die Niedersachsen mittlerweile auf Augenhöhe mit General Motors und Toyota. Doch das wundersame Wachstum hat auch eine ungesunde Schieflage. 48,6 Prozent aller Verkäufe der Kernmarke VW gingen 2014 in die Region Asien/Pazifik, der Großteil davon nach China. In der Volksrepublik aber ist der Boom vorbei. Im ersten Halbjahr verkaufte der Konzern 3,9 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Die Kernmarke büßte gar sieben Prozent ein.

Eine Branche vor der Revolution

Doch nicht nur China wandelt sich gerade, die ganze Autobranche steht weltweit unter Veränderungsdruck. Elektro-, Gas- und Wasserstoffantriebe werden wichtiger. Mit Macht drängt das Internet ins Auto. Die neuen Rivalen heißen Google, Uber oder Tesla. Deren Ambitionen im Geschäft mit Mobilität sind auch wegen ihrer finanziellen Möglichkeiten eine Herausforderung für Volkswagen. Winterkorn kennt die Gefahren – und reagiert darauf etwa mit der Berufung von Diess oder Milliardeninvestitionen in alternative Antriebe. Der 68-Jährige wird aber nicht auf Jahre an der Vorstandsspitze bleiben – auch wenn der Aufsichtsrat ihm eine Vertragsverlängerung für den kommenden Februar in Aussicht gestellt hat. Mit Rückendeckung der Familien könnte Winterkorn aber in den Aufsichtsrat wechseln und dort den Vorsitz übernehmen. Damit wäre dann der Platz frei für eine neue Managementgeneration.

Kronprinz für Winterkorns Nachfolge ist Herbert Diess. Der kann sich jetzt genauso profilieren wie Audi-Chef Rupert Stadler, Porsches erster Mann Matthias Müller oder Ex-Daimler Mann Andreas Renschler, seit gut einem halben Jahr zuständig für den Lkw-Bereich. So richtig nach vorne drängt es im Moment aber noch niemanden. Das wäre auch gefährlich. Zeigt doch gerade bei Volkswagen die Erfahrung, dass es wenig zielführend ist, sich zu früh aus dem Fenster zu lehnen Außerdem gibt es einige Außenseiter wie Skoda-Chef Winfried Vahland oder VW-Entwicklungsvorstand Hans-Jakob Neußer, denen ebenfalls Chancen für den Weg nach ganz oben nachgesagt werden. Wer in den kommenden Monaten die Nerven behält und Erfolge vorweisen kann, hat gute Karten für einen Aufstieg. Denn der Umbruch im Topmanagement dürfte umfangreich sein. Nicht nur die Ära Winterkorn wird zu Ende gehen, auch Finanzvorstand Pötsch ist 64 Jahre alt. Der Österreicher gilt als die graue Eminenz im Hintergrund, die Jahr für Jahr neue Rekordzahlen präsentiert. Personalchef Horst Neumann, eine weitere feste Stütze im Vorstand, verabschiedet sich aus Altersgründen zum Jahresende.

Vor der großen Rochade beweist der Vorstand seine Handlungsfähigkeit – und führt eine neue Struktur ein. Nach dem Vorbild der neuen Lkw-Holding um MAN und Scania werden Markengruppen mit Schwerpunkt Massengeschäft (VW, Skoda, Seat), Premium (Audi, Lamborghini) und Sport (Porsche, Bentley) eingeführt. Sie sollen unabhängig von Wolfsburg entscheiden dürfen, in welchen Märkten sie welches Produkt anbieten. Mit dieser Neuordnung, die im Herbst abgesegnet werden soll, verteilt Winterkorn die Macht neu und schafft so die Grundlage für die Zeit nach seinem Wechsel in den Aufsichtsrat. Diess jedenfalls hat nach seiner Werks-Fahrradtour einiges gelernt. Zum Beispiel, wie wichtig dem Betriebsrat die beschäftigungssichernde Fertigung von Komponenten ist, die andere Autohersteller längst an Zulieferer abgegeben haben. „Für ein Unternehmen von der Größe von Volkswagen ist eine hohe Fertigungstiefe vorteilhaft“, sagte Diess der Gewerkschaftszeitung „Mitbestimmen“. Keine Frage: Diess ist in Wolfsburg angekommen. Er hält sich an jenen Satz, mit dem Piëch fast zwei Jahrzehnte das Regiment geführt hat. „Gegen die Arbeitnehmervertreter“, wurde Piëch oft zitiert „lässt sich kein Autokonzern regieren.“

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