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A380

Vom europäischen Champion zum Auslaufmodell.

(Foto: Airbus)

Riesenjet Der A380 war eine Fehlentscheidung – für Airbus und Europa

Airbus stellt die Fertigung des Super-Jumbos ein. Das Ende des A380 ist auch ein Beleg dafür, dass die europäische Industriepolitik Grenzen hat.
14.02.2019 - 19:57 Uhr Kommentieren

Toulouse, Frankfurt, Berlin Die Nachricht breitete sich am frühen Donnerstagmorgen in der Luftfahrtbranche aus wie ein Lauffeuer: Airbus stellt die Produktion des A380 ein. Carsten Spohr ist auf einer Konferenz in Addis Abeba, als er das erfährt.

Der Lufthansa-Chef ist Pilot und Fan des Doppeldeckers. „Der Airbus A380 ist ein faszinierendes und in vielerlei Hinsicht herausragendes Flugzeug. Eine technische Innovation und Meisterleistung aus Europa“, sagt er. 14 Flugzeuge der Marke A380 hat die „Hansa“. Stolz ist in der Flottenpräsentation des Konzerns vom „Flaggschiff“ die Rede.

„Wir freuen uns, dass wir den Airbus A380 auch weiterhin einsetzen können. Unsere Kunden und auch unsere Crews lieben das Flugzeug“, betont Spohr, benennt aber auch die Probleme des Jets: „Es hat sich gezeigt, dass ein profitabler Einsatz des A380 nur auf den extrem nachgefragten Strecken möglich ist.“

Es ist ein typisches Urteil. Einerseits fasziniert der A380 Fluggäste und Luftfahrtbranche. Andererseits sind die Einsatzmöglichkeiten des Doppeldeckers eingeschränkter, als viele dachten – vor allem bei Airbus. Der Jet war am Ende nicht nur unverkäuflich, Kunden zogen Bestellungen sogar zurück. Die australische Qantas stornierte vor wenigen Tagen acht A380. Großkunde Emirates reduzierte seine Bestellungen von 163 auf 123 Jets.

14 Jahre nach dem Erstflug des A380 wird die Fertigung nun 2021 eingestellt. „Wir dürfen im Geschäft unsere Entscheidung nicht auf Basis von Gefühlen oder Wünschen treffen, sondern basierend auf Fakten“, sagte Airbus-Chef Tom Enders in Toulouse. Der Doppeldecker war am Ende nahezu unverkäuflich: Airlines bevorzugen kleinere Jets, die flexibler einsetzbar sind.

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Der A380 ist damit Airbus‘ wohl größte interne Fehlentscheidung. Und zeigt in der Folge, dass Industriepolitik, wie sie jüngst von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gefordert wurde, auch seine Grenzen hat.

Mit dem A380 wollten Airbus sowie die Anteilseigner Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien zeigen, dass man es mit dem US-Riesen Boeing aufnehmen kann. Ein Drittel der auf zwölf Milliarden Euro geschätzten Entwicklungskosten steuerten die Staaten bei, rückzahlbar je nach Erfolg des Programms.

Anschubfinanzierung nennt sich das – gängige Praxis auch in den USA bei Boeing und dennoch seit vielen Jahren auch ein Streitfall vor der Welthandelsorganisation (WTO).

Eine Milliarde vom Steuerzahler

Muss Airbus nun Geld zurückerstatten? Finanzchef Wilhelm erklärte, Entwicklungsbeihilfen müsse Airbus nicht mehr an die Regierungen zurückzahlen. „Das ist alles aus der Bilanz raus.“

Beim Bundeswirtschaftsministerium heißt es, Airbus und einige Zulieferer hätten 2002 ein Darlehen des Bundes in Höhe von 1,095 Milliarden Euro zur Entwicklung des A380 erhalten. Der weitaus größte Teil davon sei an Airbus gegangen. Das Darlehen sei bisher noch nicht in voller Höhe zurückgezahlt.

„Die Rückzahlungen erfolgten laufend, gekoppelt an die Auslieferungen des A380. Die Auswirkungen der Produktionseinstellung werden wir jetzt analysieren und dann mit dem Unternehmen erörtern“, sagte ein Ministeriumssprecher. Ein Airbus-Sprecher ergänzte: Für jede verkaufte Maschine habe man anteilig die Risikobeteiligung erstattet, der Rest sei durch die Einstellung der Produktion ab 2021 hinfällig, da das Risiko sich realisiert habe.

Auch die Flughäfen – häufig in kommunaler Hand – investierten, weil der Riesen-Jet eine andere Infrastruktur braucht. Fünf Millionen Euro waren es etwa in Düsseldorf, wo Emirates mit dem A380 fliegt. Zweifel an der Entscheidung gibt es dort nicht. Sie sei weiter „die richtige Entscheidung für die Stärkung des Luftverkehrs in Nordrhein-Westfalen“, heißt es.

Die Nachfrage nach Flugreisen werde in den kommenden Jahrzehnten kontinuierlich steigen, der Verkehr werde immer stärker über die großen Drehkreuze gesteuert, lautete vor vielen Jahren die Begründung von Airbus für den A380, Listenpreis stolze 450 Millionen Dollar.

Heute wissen wir: Die erste Annahme traf zu, der weltweite Luftverkehr wächst und wächst. Doch mit dem entscheidenden Teil der Prognose lagen die Fachleute bei Airbus daneben. Drehkreuze sind zwar weiter wichtig, aber direkte Verbindungen jenseits der Mega-Hubs boomen. Das Verkehrsaufkommen hat sich zersplittert, längst nicht alles geht über die großen Drehkreuze wie Frankfurt, London oder New York.

Die meisten Airlines setzen deshalb auf Jets wie den Airbus A350 oder Boeings 787. Die sind zwar kleiner, mit ihren zwei Triebwerken aber effizienter und viel flexibler. Der A380 – bei Lufthansa etwa mit acht 8 First-, 78 Business-, 52 Premium-Economy- und 371 Economy-Sitzen ausgestattet – ist schwer zu füllen. Bleibt eine signifikante Zahl an Sitzen im A380 leer, droht der Betrieb schnell zu einem Verlustgeschäft zu werden.

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„Wir müssen realistisch sein, der Auftragsbestand reicht nicht aus, um über 2021 hinaus zu produzieren“, sagte Airbus-Chef Enders am Donnerstag. Das Programm werde aber weitergehen, „wir werden die Flotte von über 220 Flugzeugen versorgen“.

Man habe alles versucht, neue Kabinenausrüstungen angeboten und sondiert, ob sich eine verlängerte Version mit sparsameren Motoren lohnen würde. „Die Reaktion des Marktes war schwach, um es sehr zurückhaltend auszudrücken“, sagte der im April scheidende Konzern-Chef. „Wenn Sie ein Produkt haben, das niemand mehr will oder das nur unter den Herstellungskosten zu verkaufen ist, müssen sie es stoppen.“

Ein überraschend deutliches Eingeständnis, dass der A380 auch für Airbus ein teures Abenteuer war.

Investoren verlangten Schlussstrich

Airbus konnte mit dem Verkauf der A380 nur die Kosten für die Fertigung decken – und am Ende noch nicht einmal das. Der A380 habe im Jahre 2010 noch eine Belastung von einer Milliarde Euro verursacht, erklärte Finanzchef Harald Wilhelm, „niemand hätte damals gedacht, dass wir 2015 den Break-even erreichen würden“. Doch sei in den folgenden Jahren der A380 wieder zu einer Belastung für das Airbus-Ergebnis geworden.

Deshalb, so heißt es in der Branche, sei der Druck von Investoren, einen Schlussstrich zu ziehen, immer größer geworden. Diese Aufgabe hat nun Enders übernommen. Er bereinigt damit noch vor der Stabübergabe an seinen Nachfolger Guillaume Faury die größte Baustelle.

Es sei die richtige Entscheidung, das jetzt zu tun, erklärte Enders. Airbus sei nicht einfach „reingestolpert in das A380-Programm“, sondern habe vor 20 Jahren „viel analysiert, und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass dieses Flugzeug einen Sinn ergibt, aber jetzt kommen wir nicht aus der Falle niedriger Nachfrage raus“.

Die unmittelbaren finanziellen Belastungen bleiben überschaubar. Wilhelm erklärte, sämtliche absehbaren Kosten der Einstellung seien mit der Belastung von rund 460 Millionen Euro beim Betriebsergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) abgefangen, die 2018 gebucht wurde. Ob es 2019 noch Kosten für Sozialmaßnahmen geben werde, lasse sich noch nicht absehen.

Mit Blick auf die Arbeitsplätze sagte der designierte CEO Faury, dass an einigen Standorten Personal umgesetzt werden könne, etwa auf die Fertigung des A320 oder des A350. „Wir sind ja voll im Wachstum.“ Es werde auch Standorte geben, „an denen es schwieriger ist, Menschen auf andere Programme zu setzen“. Airbus suche nun mit den Gewerkschaften Lösungen. Auch die IG Metall rechnet nicht mit großen negativen Auswirkungen.

Am Ende bleibt für Airbus ein großer Imageschaden. Den will die Konzernspitze schnell beseitigen und zeigt auf das verbleibende Produktangebot. „Unser neues Flaggschiff ist der A350“, sagt Faury. Der sei, was das Reiseerlebnis für die Passagiere angehe, vergleichbar mit dem A380.


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