Rüstungskonzern-Chef Thomas Diehl Heavy Metal

„Solange die anderen wollen, dass ich bleibe, bleibe ich.“
Nürnberg Manchmal wird Thomas Diehl sentimental. Bei der alten Rohrpresse in Röthenbach zum Beispiel. „Die habe ich als Student noch in Betrieb genommen“, sagt Diehl. Doch jetzt habe er sie in den verdienten Ruhestand geschickt. Für einen zweistelligen Millionenbetrag habe er eine neue Presse angeschafft, die jetzt Rohre ausspuckt, aus denen Synchronringe für Autokupplungen werden. „Ich hoffe, dass die neue Presse auch 40 Jahre hält“, schiebt der Firmenpatriarch hinterher.
Er selbst will noch ein bisschen bleiben. Wie lange, will der 65-jährige Patriarch, der seit 1998 den Familienkonzern leitet, nicht sagen. „Eigentlich wäre ich auch fällig“, kokettiert Diehl auf dem traditionellen Jahrespressegespräch, zwischen Blumgestecken und Käsehäppchen. Doch dann habe seine Betriebsratschefin ihn mit großen Augen angeschaut, als das Thema auf den Tisch gekommen sei. „Solange die anderen wollen, dass ich bleibe, bleibe ich“, stellt Diehl klar.
3,1 Milliarden Euro Umsatz erzielt das Firmenkonglomerat mit seinen 16 .175 Beschäftigten. Diehl ist eines der eigenartigsten Gebilde in der deutschen Unternehmenslandschaft. Kaum ein Konzern ist so globalisiert und zugleich so familiär und patriarchisch geführt. Das Unternehmen fertigt Lenkraketen, Wasserzähler, Messingringe und Flugzeugtoiletten und ist doch überall spitze. Die Kunden heißen Airbus, Volkswagen und Bundeswehr. Wo andere krampfhaft nach Synergien und Optimierungen suchen, pflegt Diehl weiter kunstvoll seine Nischen. Käme der Familienkonzern auf den Markt, wäre eine mögliche Zerschlagung ein wahres Fest für Finanzinvestoren. Doch so tickt Thomas Diehl nicht. Er hält an Dingen fest, zu denen er sich einmal bekannt hat.
Zum Beispiel am Rüstungsgeschäft, der einstigen Paradedisziplin. Nur noch 400 Millionen Euro macht Diehl mit Lenkraketen für den Eurofighter, Sensoren und Munition. Er fühle sich mittlerweile als das letzte „Fossil“ der Branche und gibt seine Meinung gerne zum Besten. Dass sämtliche Bundesregierungen der letzten zwei Jahrzehnte die Ausgaben für die Truppe gekürzt haben, sei das eine. Dass ihm die rot-grüne Koalition Waffenlieferungen in den arabischen Raum genehmigte habe und die jetzige Regierung nicht einmal mehr die Anträge bearbeite, das andere. Als Folge seien mittlerweile fast alle deutschen Rüstungsunternehmen in der Hand von Finanzinvestoren oder Ausländern. „Unser Gewicht in der Welt erhöhen wir so nicht“, spottet Diehl in Richtung Berlin.
Leben muss er von Waffen nicht mehr. Franz Josef Strauß motivierte einst Diehls Vater Karl, in das Airbus-Projekt zu investieren, Kabineneinrichtungen und Elektronik. Sohn Thomas hat das ausgebaut und immer mehr kleine Flugzeug-Zulieferer aufgekauft. Mittlerweile sind die Nürnberger „Systemlieferant“ für Airbus und Boeing. Küchen, Bordbeleuchtung und Elektronik liefert der Familienkonzern und neuerdings die Toilettentechnik. „Wenn auf einem Pazifikflug die Küche ausfällt, dann ist das Essen kalt“, sagt Diehl. „Wenn die Toiletten aber ausfallen, dann haben Sie einen Notfall“, erklärt Diehl den Zukauf des Gautinger Toilettenspezialsten AOA.
Solche Ausflüge ins Detail macht Diehl gern, der sich zwischen seinen Sätzen einen tiefen Zigarettenzug gönnt. Bis vor einigen Jahren wurden auch den Journalisten noch Zigaretten angeboten, aber das ist vorbei. Ansonsten scheint sich wenig zu ändern, in der verwinkelten Konzernzentrale mit ihren dunklen Holzvertäfelungen und liebevoll gepflegten Topfpflanzen.
Dabei geht es keineswegs gemütlich zu, Diehl bleibt ehrgeizig. „Smart Meetering“ heißt sein Lieblingsprojekt, dabei geht es um das Auslesen und Analysieren von Wasser- und Gasverbrauch. „In diesem Feld tummeln sich mittlerweile so kleine Firmen wie Google oder Apple“, bemerkt der Firmenchef süffisant. Er selbst habe sich mit IBM verbündet, die Amerikaner stellen die Datencloud für Diehl. Dass ausgerechnet in Deutschland – dem Land der Energiewende – das Geschäft mit seinen cleveren Gaszählern nur schleppend läuft, wurmt ihn. Aber er bleibt dran. „Dieses Rein- und Raushüpfen aus Geschäften passt nicht zu uns“, sagt er.
Diehl hat viel investiert in das Erbe seines Vaters, vor allem Lebensenergie. Als im Februar dieses Jahres sein Bruder Peter verstarb, „ging ihm das persönlich sehr nah“. Peters Anteil halten jetzt dessen Kinder, ein abrupter Generationswechsel. Er selbst hat seine Anteile bereits vor drei Jahren an seine Kinder überschrieben. Thomas Diehl gönnt sich 15.000 Euro pro Monat – das Salär eines Prokuristen. Das Geld hat in der Firma zu bleiben, die Familie zu dienen.
Die Führung aber behält er. Und er bestimmt, wann sich Diehl von Geschäften, Rohrpressen oder seinem Patriarchat verabschiedet. 5,6 Prozent Rendite vor Zinsen und Steuern machte sein Konzern 2016. Er weiß, das ist kaum Spielraum für Investitionen in die Zukunft. Es wird spannend, wie es ihm gelingt, sein Erbe weiterzugeben.
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