Schweizer Rohstoffriese Neuer Glencore-Chef Gary Nagle: Kein Bruch mit der Ära Glasenberg

Der Rohstoffhändler profitierte von steigenden Preisen bei Kupfer, Nickel und Co.
Zürich Gary Nagle versucht gar nicht erst, aus dem übergroßen Schatten seines Vorgängers herauszutreten. Auf die Frage eines Analysten, was der Nachfolger von Ivan Glasenberg als Glencore-CEO ändern werde, antwortete Nagle: „Ich werde nichts reparieren, was nicht kaputt ist.“
Nagle hat im Juli den Chefposten von jenem Mann übernommen, der fast 20 Jahre die Geschicke des Rohstoffriesen mit zuletzt über 140 Milliarden Dollar Umsatz bestimmt hat. Bei der Präsentation der ersten von ihm verantworteten Quartalsbilanz am Donnerstag zeigte sich: Bei Glencore steht kein Bruch mit der Ära Glasenberg bevor, sondern die nahtlose Fortsetzung.
Derzeit fährt Nagle mit der Verwaltung von Glasenbergs Erbe gut: Die Preisrally bei Industriemetallen wie Kupfer, Zink und Nickel sorgt für volle Kassen beim Schweizer Rohstoffriesen. Das bereinigte Nettoergebnis des Minen- und Handelskonzerns legte im ersten Halbjahr 2021 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 289 Prozent auf 3,2 Milliarden Dollar zu. Das Ergebnis vor Steuern und Abschreibungen (Ebitda) verbesserte sich um 79 Prozent auf 8,7 Milliarden Dollar.
Auch für das Gesamtjahr gibt sich Nagle optimistisch: „Die geld- und fiskalpolitischen Impulse, die erfolgreich durchgeführten Impfkampagnen und die zunehmende Dynamik im Zusammenhang mit der Dekarbonisierung der Energiesysteme dürften sich auch in Zukunft stützend auf die Stimmung in der Branche auswirken“, sagt er.
Die Transformation vom Handelshaus zum integrierten Rohstoffkonzern mit großer eigener Produktion, die Glasenberg mit der Fusion mit dem Bergbaukonzern Xstrata 2012 angestoßen hatte, macht sich insbesondere in der Rohstoffrally nach dem Corona-Marktschock bezahlt. Die Minensparte von Glencore wuchs im vergangenen Halbjahr rasant. Das Ebitda des Geschäftsbereichs kletterte um über 150 Prozent auf 6,6 Milliarden Dollar und macht damit drei Viertel des Konzern-Ebitda aus.
Auch die Margen des Bereichs haben sich schlagartig verbessert, sie stiegen von 22 auf 38 Prozent. Ohne das Kohlegeschäft lägen sie wohl noch wesentlich höher: In der Kupferproduktion bleibt über die Hälfte des Umsatzes als Ergebnis hängen, bei Nickel sind es rund 40 Prozent.
Langsamer Ausstieg aus der Kohle
Am Kohlegeschäft zeigt sich besonders deutlich, dass Nagle an dem von Glasenberg eingeschlagenen Kurs unbeirrt festhält. Nagle gilt als handverlesener Nachfolger des Langzeitchefs an der Spitze von Glencore. Er ist – wie Glasenberg – gebürtiger Südafrikaner. Und er leitete – wie Glasenberg – vor seinem Amtsantritt als CEO die Kohlesparte. Auch Nagle hält nichts von einem schnellen Rückzug aus dem Geschäft, trotz großen Drucks von der Investorenseite. Bis 2035 will er die Kohleproduktion um mindestens 40 Prozent senken, ab 2050 soll der Konzern netto ohne Emissionen auskommen.
Auch bei der Erschließung neuer Minen etwa für weltweit dringend benötigte Industriemetalle wie Kupfer oder Nickel ist von Nagle keine strategische Kehrtwende zu erwarten. Er möge keine Explorationen auf der grünen Wiese: „Ich gehöre da der gleichen Denkschule an wie Ivan“, sagte er. Glencore werde unter seiner Führung sicherlich nicht damit beginnen, „zu bohren und zu hoffen, auf etwas zu stoßen“, spöttelte er.
Zudem erteilte er einem Einstieg in Geschäftsfelder außerhalb der Kernkompetenz von Glencore eine Absage. So sei etwa nicht geplant, in den von China dominierten Markt mit Seltenen Erden einzusteigen. Die Absage kommt überraschend, da mit Kalidas Madhavpeddi kürzlich ein Experte für diese Metallsorten Chefaufseher wurde.
Von Warnungen, etwa vom Chef der Internationalen Energieagentur (IEA), die steigenden Rohstoffpreise könnten die Energiewende unerschwinglich machen, lässt sich der neue Glencore-Chef nicht unter Druck setzen. Der Konzern dominiert etwa das Geschäft mit Kobalt, das in E-Autobatterien eingesetzt wird. Die Preise zogen zuletzt deutlich an, Nagle gibt sich jedoch zurückhaltend: „Wir fahren unsere Minenoperationen langsam wieder hoch, aber wir sind vorsichtig genug, um die Preise nicht zu drücken“, sagte er.
Statt Investitionen legt Glencore den Schwerpunkt auf Ausschüttungen an Aktionäre: Nagle kündigte eine Sonderdividende und Aktienrückkäufe an. So sollen die Ausschüttungen von zwölf auf 21 Cent pro Anteilsschein steigen. Insgesamt schüttet Glencore 2,8 Milliarden Dollar an seine Aktionäre aus. Glasenberg, Großaktionär mit rund neun Prozent, wird es freuen.
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