Softwareentwickler Waymo erhält Finanzspritze von 2,25 Milliarden Dollar – aber nicht von Autokonzernen

Der Software-Entwickler für selbstfahrende Autos erhält eine Finanzspritze von 2,25 Milliarden Dollar.
San Francisco, Düsseldorf Eine milliardenschwere Finanzspritze dürfte künftig Waymos Wachstumspläne befeuern: Für 2,25 Milliarden Dollar sichern sich externe Investoren Anteile des Softwareentwicklers für selbstfahrende Autos, wie CEO John Krafcik in einer Telefonkonferenz am Montag bekanntgab. Zu welcher Bewertung die Geldgeber bei der Google-Schwester einsteigen, ließ der Manager offen. Die US-Großbank Morgan Stanley schätzte Waymos Wert vergangenen September auf 105 Milliarden Dollar. Alphabet behält also mit hoher Wahrscheinlichkeit die Kontrolle über die Roboterwagenfirma.
Das 2016 aus Google ausgegliederte Unternehmen gilt als Marktführer unter den Entwicklern autonomer Fahrzeuge. Von dem deutschen Informatiker Sebastian Thrun 2009 als Projekt in Googles Forschungslabor X gegründet, hat Waymo seither gewaltige Fortschritte bei der Entwicklung gemacht. So bietet das Unternehmen etwa in einem Vorort von Phoenix im US-Bundesstaat Arizona seinen Fahrdienst „Waymo One“ an.
Waymo ist damit das einzige Unternehmen, das fahrerlose Autos in einer definierten Umgebung auf öffentlichen Straßen fahren lässt. Experten sprechen auch von Level-4-Fahrzeugen. Beim nächsthöheren Level 5 wird der menschliche Fahrer überflüssig.
In der letzten Telefonkonferenz mit Analysten Anfang Februar deutete Alphabet-Chef Sundar Pichai bereits an, dass der Konzern für seine kostspieligen High-Tech-Wetten nach externen Investoren sucht. Schon seit Anfang 2019 soll das Unternehmen auf der Suche nach Investoren gewesen sein. Damals berichtete die Nachrichtenseite „The Information“, dass Waymo auch mit Volkswagen über eine Beteiligung gesprochen habe.
Daraus wurde nichts, stattdessen investierte VW vergangenen Juli 2,6 Milliarden Dollar in Fords Waymo-Konkurrenten Argo. Ein Grund für die Entscheidung gegen Waymo soll gewesen sein, dass sich VW nicht von Google abhängig machen wollte.
Ambitionierter Newcomer
Obwohl Waymo seine Mission in seiner offiziellen Mitteilung als „Teamsport“ mit Zulieferern und Autoherstellern bezeichnet, wird die Alphabet-Tochter in der Autoindustrie misstrauisch beäugt. Selbst Kooperationspartner Fiat-Chrysler, dessen Minivans Waymo in der Entwicklung nutzt, arbeitet parallel auch mit dem Start-up Aurora zusammen, dessen Chef Chris Urmson einst die Softwareentwicklung des Waymo-Vorgängers leitete.
Kersten Heineke, Mobilitätsexperte und Partner beim Beratungsunternehmen McKinsey, wundert das nicht. „Zulieferer dürften in Waymo eher einen Konkurrenten als einen Kooperationspartner sehen“, sagt Heineke dem Handelsblatt. Unter den Geldgebern sind stattdessen Finanz- und strategische Investoren.
Da ist zum einen der Private-Equity-Investor Silverlake, der an zahlreichen großen Technologiedeals beteiligt war. Silverlakes Investition in Alphabets Gesundheits-Start-up Verily dürfte der Testfall für die Waymo-Beteiligung gewesen sein – Alphabet-Chef Pichai nannte es im Investorencall ein positives Beispiel.
Auch an der Flixbus-Mutter Flixmobility aus München ist Silverlake beteiligt, was mittelfristig interessante Kooperationsmöglichkeiten ergeben könnte. Silverlakes CEO Egon Durban wird auch in Waymos Board sitzen. Zu den Geldgebern gehört zudem Kanadas öffentlich-rechtlicher Pensionsfonds CCPIB, der einer der größten Private-Equity-Investoren der Welt ist. Sein Interesse dürfte rein finanziell sein, was das langfristige Geschäftspotenzial Waymos unterstreicht. Auch CCPIB erhält einen Board-Sitz.
Die Mubadala Investment Company – der Staatsfonds von Abu Dhabi – investiert ebenfalls in Waymo und war in der Tech-Branche zuletzt als Großinvestor in Softbanks „Vision Fund“ aufgefallen. Sie ist darüber bereits an Nuro beteiligt – ein Start-up ehemaliger Google-Mitarbeiter, das autonome Lieferfahrzeuge baut. Und auch Andreessen Horowitz, einer der wichtigsten Risikokapitalgeber des Silicon Valley, steckt Geld in Waymo.
Zu den externen Investoren zählen ebenso der kanadische Automobilzulieferer Magna und die größte Autohändlerkette der USA, AutoNation. Sie kooperierten bereits zuvor mit Waymo. Krafcik betonte aber, dass Waymo selbst kein direkter Zulieferer der Autohersteller werden wolle, sondern weitere Partnerschaften mit solchen anstrebe.
Alphabet, Waymos Mutterkonzern, hat bereits viel Geld investiert. Wie viel Geld Alphabet seit 2009 in das Projekt gesteckt hat, hat der Suchmaschinenkonzern bislang immer geheim gehalten – es dürften aber mehrere Milliarden sein.
Alphabet in der Kritik
Die jüngste Finanzierung hilft nicht nur Waymo, sondern auch Alphabet selbst. Der Konzern steht seit Längerem in der Kritik von Investoren, die fordern, dass der Konzern sich auf seine profitablen Geschäfte wie die Suchmaschine oder Youtube konzentrieren solle. Mit seinen anderen Wetten verlor Alphabet 2019 mehr als zwei Milliarden Dollar, mindestens die Hälfte davon soll auf Waymo entfallen.
Der Verlust ist hier so hoch, weil sich das autonome Fahren bislang kaum kommerzialisieren lässt. „Die Marktreife von Systemen, die das autonome Fahren ermöglichen, hat sich in den vergangenen Jahren immer weiter nach hinten verschoben“, sagt McKinsey-Partner Heineke. Zum einen läge das an höheren Sicherheitsanforderungen, zum anderen habe sich in der Entwicklung herausgestellt, dass die Herausforderung, funktionsfähige Level-4-Fahrzeuge herzustellen, größer sei als gedacht, sagt er. Mit der externen Finanzierung kann Alphabet daher das gewaltige Risiko, das in der Entwicklung selbstfahrender Autos liegt, auf mehrere Schultern verteilen.
Waymo kann das Investment nutzen, um seine Spitzenposition zu verteidigen. Das Unternehmen investiert in neue Projekte wie autonome Trucks und Minivans, die seit Januar unter dem Label „Waymo Via“ in Texas und New Mexico unterwegs sind. Laut einem „The Information“-Bericht hat Waymo sein Personal 2019 von 800 auf 1.500 Mitarbeiter fast verdoppelt.
Gleichzeitig fehlen Einnahmequellen. Neben dem Taxidienst in Phoenix startete das Unternehmen im Januar 2019 auch den Verkauf seiner selbst entwickelten Lidars – der Lasersensoren, die autonome Autos zur Umgebungserkennung nutzen. Größere Entwicklungsprojekte, bei denen Autohersteller oder -zulieferer auf Waymos Lidars setzen, wurden seitdem nicht verkündet.
Heineke geht daher davon aus, dass Waymo auf Mobilitätsdienste angewiesen sein wird. „Mit Level-4-Fahrzeugen im Shared-Mobility-Bereich könnte Waymo sein Geschäft monetarisieren“, sagt er. „Bis dahin dürfte das Unternehmen weiterhin auf interne und externe Investoren angewiesen sein, die die Entwicklung des autonomen Fahrens finanzieren.“
Die Finanzierungsrunde zeigt damit zweierlei: Waymo ist ein Unternehmen, dessen Wert sowohl Finanz- als auch branchennahe Investoren hoch einschätzen. Doch der Weg, bis mit autonomen Autos viel Geld verdient werden kann, ist noch weit. Die 2,25 Milliarden Dollar seien „der erste Teil unserer ersten Finanzierungsrunde“, sagte Krafcik. Auch ein Börsengang sei eines Tages denkbar.
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