Spac-Börsenvehikel Wie die Ex-Chefs von Merck, McKinsey und Qiagen den Pharma-Markt aufmischen wollen

Peer Schatz (o.l.), Cornelius Baur (u.l.) und Stefan Oschmann: Die drei Ex-CEOs haben einen Börsenmantel für eine Pharmafirma gegründet.
Düsseldorf Man kennt sich schon seit vielen Jahren, traf sich beim Weltwirtschaftsforum in Davos oder privat bei Geburtstagen. Jetzt gründen mehrere bekannte Ex-CEOs aus der deutschen Wirtschaft eine eigene Firma für Unternehmensfinanzierung. Sie wagen sich ausgerechnet an das umstrittene Modell der Spacs, also der leeren Börsenmäntel – allerdings mit einem neuartigen Konzept, wie CEO Cornelius Baur im Gespräch mit dem Handelsblatt unterstreicht.
Der ehemalige Deutschlandchef von McKinsey hat eine illustre Gruppe zusammengebracht: Mit an Bord sind neben ihm der frühere Chef des Darmstädter Pharmakonzerns Merck, Stefan Oschmann, der langjährige Qiagen-CEO, Peer Schatz, und Axel Herberg, einst Vorstandschef des Healthcare-Zulieferers Gerresheimer. Chairman wird der frühere Burda-Vorstand Stefan Winners, der in diesem Jahr den ersten deutschen Spac an die Frankfurter Börse gebracht hat.
Sie stehen als sogenannte Sponsoren hinter der „European Healthcare Acquisition & Growth Company“ (EHC), die noch diese Woche an die Börse Amsterdam gehen soll. Es handelt sich um eine Mantelgesellschaft ohne operativen Inhalt, auch „Special Purpose Acquisition Company“ (Spac) genannt.
Binnen zwei Jahren soll EHC einen Minderheitsanteil an einem privat geführten Pharmaunternehmen mit einem Gesamtwert von einer bis zwei Milliarden Euro übernehmen. Nach der Fusion beider Firmen soll daraus ein Global Player werden. Baur hat dafür schon ein Bild kreiert: „Wir verstehen uns als dreistufige Rakete, mit deren Hilfe ein gesundes und bereits profitables Unternehmen eine neue Umlaufbahn erreichen kann.“
Die Stufen sehen so aus: 200 Millionen Euro frisches Eigenkapital wird der Firma direkt zur Verfügung gestellt. Sie fusioniert mit EHC und kommt so quasi durch die Hintertür zu einer Börsennotierung mit besserem Zugang zum Kapitalmarkt und zu Talenten. Baur, Schatz und Oschmann wollen die Firma bei der internationalen Expansion dann beraten.
Mehr als 100 Ziel-Unternehmen auf der Liste
Ihre Namen und Expertise im Pharmamarkt haben beim Werben um Geldgeber bereits gezündet. Für den Börsengang der EHC wurden die Bücher am Mittwochabend bereits geschlossen. Die dabei zusammengekommenen 200 Millionen Euro stammen laut den Gründern von erfahrenen europäischen Investoren aus dem Healthcare-Sektor. Die Platzierung der Anteile war laut EHC überbucht.
Namen wollen sie keine nennen, doch es sind zahlreiche Family Offices dabei – also Vermögensverwaltungen von Unternehmerfamilien. EHC sucht gezielt nach einer familiengeführten Pharmafirma, die bisher auf einen lokalen Markt fokussiert ist, nun aber Kapital und Expertise für eine notwendige internationale Expansion braucht.
„Wir haben nach einer rigorosen Marktanalyse mehr als 100 spannende Ziel-Unternehmen auf unserer Liste“, sagt Peer Schatz, der viele Jahre lang den Diagnostik- und Biotechkonzern Qiagen geführt hat, dem Handelsblatt. Darunter sind keine Start-ups oder Pharmafirmen in der frühen Forschungsphase. Realistisch ist, dass EHC bei einem etablierten Labor-Zulieferer für die Biotechindustrie oder einem Diagnostikanbieter einsteigt.
Im Unterschied etwa zum Modell einer Private-Equity-Firma zielt das Konzept von EHC nicht darauf, komplette Kontrolle über eine Firma zu übernehmen. Der Vorbesitzer soll vielmehr als Haupteigner engagiert bleiben, während EHC nur eine Minderheitsbeteiligung übernimmt.
Die EHC-Manager hätten untereinander hitzige Debatten geführt, ob ein Spac das richtige Modell für ihre Pläne als Kapitalgeber ist. Denn der Hype um diese Börsenvehikel ist mittlerweile einer Welle von Kritik und Enttäuschung gewichen.
Imagepflege für Spacs
Die Idee für „Special Purpose Acquisition Companies“ wurde in den USA vor allem von Hedgefonds entwickelt. Sie suchten einen neuen Weg für den schnellen Ausstieg aus einer Zwischenfinanzierung mit möglichst hoher Rendite. Das ist ihnen in vielen Fällen als Spac-Sponsoren auch gelungen, als sie zum Zeitpunkt der Fusion mit der übernommenen Firma Kasse machten und sich verabschiedeten. Die Zeche zahlten die Anleger, denn die Kurse der jeweiligen Firmen sanken kräftig.
Ex-McKinsey-Chef Baur weiß um die Bedenken. „Es sind in den USA Unternehmen an die Börse gebracht worden, die das Geld nicht wert waren“, sagt er. „Das hat den Ruf der Spacs verdorben und deshalb haben wir ein ganz anderes Konzept entwickelt.“ EHC soll zu einem europäischen Spac-Gegenstück mit langfristig orientierten Partnern werden.
Anders als bei amerikanischen Spacs wollen sich die Sponsoren in der neu geschaffenen Firma später unternehmerisch einbringen: Baur mit seiner McKinsey-Erfahrung, die anderen mit ihrer Kenntnis als Pharmamanager. „Wir werden uns daran messen lassen, dass die Firma langfristig Werte schafft. Erst wenn der Aktienkurs nach der Fusion deutlich steigt, profitieren auch wir Sponsoren davon.“
EHC hat im Zuge des Börsengangs insgesamt 20 Millionen Aktien zum Preis von zehn Euro je Aktie emittiert. Je drei Aktien erhalten die Investoren zusätzlich eine Option auf den Erwerb einer weiteren Aktie zum Preis von 11,50 Euro. Diese Warrants werden gesondert an der Börse in Amsterdam gelistet.
Die Sponsoren bringen 11,6 Millionen Euro an Risikokapital aus der eigenen Kasse in die Firma ein. Mit diesem Kapital sollen die Kosten des Börsengangs und die Kosten für die Auswahl und Prüfung potenzieller Fusionsziele finanziert werden. Die 200 Millionen Euro aus dem IPO werden zunächst auf einem Treuhand-Konto geparkt.
Sponsoren sehen sich als Vorreiter
Die Gründer erhalten zum einen für 1,47 Millionen Euro insgesamt rund 6,67 Millionen Aktien (zum Preis von 0,22 Euro je Aktie) und erwerben darüber hinaus für 10,1 Millionen Euro Optionen für den Bezug von weiteren rund 6,7 Millionen Aktien. Schatz, Oschmann & Co werden daher anfänglich mit 25 Prozent an der Firma beteiligt sein. Bei Ausübung aller Optionsrechte kann ihr Anteil aber theoretisch auf 33 Prozent steigen.
Um das längerfristige Engagement zu unterstreichen, werden ihre Aktien allerdings erst nach Abschluss einer Fusion und dann in Abhängigkeit von erzielten Kurssteigerungen in regulär handelbare Aktien umgewandelt. Darüber hinaus gelten Haltefristen für diese Aktien von einem halben bis zu einem Jahr.
Baur sieht EHC als bisher einziges europäisch tätiges Healthcare-Spac – und in dem Konzept mit unternehmerisch orientierten Sponsoren eine Neuerung. „Wenn wir erfolgreich sind, werden wir dazu beitragen, dass mehr Unternehmen auch in Europa über ein Spac-Vehikel leichter an Börsenkapital kommen. Dann können sie schneller wachsen“, gibt er sich überzeugt.
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