Stada-CEO Hartmut Retzlaff Ein Chef kämpft um sein Lebenswerk

In wenigen Jahren einen weltweit tätigen Konzern mit Milliardenumsatz geformt.
Frankfurt Am Wochenende zog Stada-Chef Hartmut Retzlaff die Reißleine. In Abstimmung mit Aufsichtsratchef Martin Abend durchkreuzte der Vorstand die Pläne des neuen Investors Active Ownership Capital. Der wollte den Aufsichtsrat beim Pharmahersteller umbauen lassen. Nun verschiebt Stada seine Hauptversammlung auf den 26. August, um dann nach sorgfältiger Suche mindesten drei eigene Kandidaten für den Aufsichtsrat vorzustellen.
Vereint zogen die beiden so unterschiedlichen Gremienverantwortlichen bei Stada an einem Strang: hier der forsche, selbstbewusste Vorstandschef Hartmut Retzlaff, und dort der ruhige, als konsensorientiert geltende Anwalt Martin Abend, seit 2009 an der Spitze des Aufsichtsrats.
Der Angriff des Investors Active Ownership geht zwar über Martin Abend, Ziel der Aktion ist aber der 62-jährige Retzlaff. Seit 23 Jahren führt er das Unternehmen aus dem hessischen Bad Vilbel quasi wie eine Art angestellter Unternehmer – und ist damit maßgeblich verantwortlich für die wirtschaftliche Entwicklung des hessischen Arzneimittelherstellers. „Retzlaff ist der starke Mann bei Stada. Er führt das Unternehmen, als wäre es sein Eigentum“, sagen Investoren und Konkurrenten unisono über den Manager. Ein neu zusammengesetzter Aufsichtsrat könnte seine Macht begrenzen.
Retzlaff selbst scheut kein Eigenlob. Er ist der Ansicht, dass es vor allem ihm zu verdanken sei, dass aus dem „besseren Hasenstall“ mit 100 Millionen Euro Umsatz und fast keinem Ertrag ein internationaler Konzern von nun mehr als zwei Milliarden Euro Umsatz und zuletzt 110 Millionen Euro Ertrag geworden ist. Mit diesem Argument hat er auch die hohen Pensionsansprüche von mehr als 30 Millionen Euro verteidigt, wegen denen er in der Vergangenheit immer wieder in der Kritik stand. Der Aufsichtsrat aber stand immer hinter Retzlaff – und verlängerte dessen Vertrag erst im vergangenen Jahr vorzeitig bis August 2021.
Dass das Ergebnis bei Stada seit einiger Zeit unter Druck steht, schreibt das Management vor allem der schwierigen Situation in Russland und Osteuropa sowie dem Wertverfall der Währungen zu. Retzlaff jedenfalls betont, dass man weiterhin an den russischen Markt glaube.
Die Gründer von Active Ownership Capital, Klaus Röhrig und Florian Schuhbauer, bewerten die Entwicklung des Unternehmens anders. Sie sind der Ansicht, dass Stada in den vergangenen Jahren unter seinen Möglichkeiten geblieben ist und sich schlechter entwickelt hat als die meisten Konkurrenten aus der Pharmabranche. Das Unternehmen habe großes Wertsteigerungspotenzial, hatten sie im Gespräch mit dem Handelsblatt gesagt. Potenzial, dass sie heben wollen, in dem sie frischen Wind in den Stada-Aufsichtsrat bringen.
Damit der Coup auf der Hauptversammlung gelingt, hatte AOC – hinter der eigenem Bekunden nach europäische Familienoffices und institutionelle Investoren stehen – vor wenigen Wochen fünf Prozent der Stada-Aktien erworben und war so zum größten Einzelaktionär aufgestiegen.
Dass der Machtkampf um Stada längst nicht ausgefochten ist, deutet sich in dem kurzen offiziellen Statement an, dass AOC am Montag herausgab: „Wir gehen davon aus, dass der Aufsichtsrat – wie in Deutschland üblich – auf der nächsten HV vollständig neugewählt wird.“ Eine vollständige Neuwahl impliziert zwar nicht, dass alle Aufsichtsratsmitglieder bei Stada ausgetauscht werden. Wohl aber, dass jetzige Mitglieder des Aufsichtsrats, die weiter kandidieren wollen, von der Hauptversammlung neu gewählt werden müssen.
AOC hatte ursprünglich fünf Mitglieder des Kontrollgremiums ersetzen wollen, darunter den 53-jährigen Chef Abend. Im Gespräch mit AOC einigte sich Abend dann auf drei Kandidaten und seinen Verbleib im Gremium.
Man kann davon ausgehen, das AOC seine Vorstellungen im künftigen Aufsichtsrat verwirklicht sehen will. Oder um im Investorendeutsch auszudrücken: „Wir freuen uns in diesem Kontext auf den weiteren Dialog mit der Gesellschaft.“