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Stada Der Pharmakonzern braucht einen Neuanfang

Verschiedene Investoren greifen den Arzneimittelkonzern an und kritisieren, dass er unter seinen Möglichkeiten bleibt. Doch wer genau hinschaut, erkennt: Sie meinen eigentlich Ex-Chef Hartmut Retzlaff. Eine Analyse.
01.07.2016 - 14:06 Uhr Kommentieren
Ein Neuanfang ist für den angeschlagenen Arzneimittelkonzern dringend nötig. Quelle: dpa
Stada in der Klemme

Ein Neuanfang ist für den angeschlagenen Arzneimittelkonzern dringend nötig.

(Foto: dpa)

Frankfurt Der Arzneimittelhersteller Stada ist in der Klemme. Ein zweiter aktivistischer Investor hat sich gemeldet und attackiert den hessischen Arzneimittelhersteller: Guy Wyser-Pratte, der US-Firmenjäger, der in Deutschland bekannt ist für die Zerschlagung des Maschinenbauers IWKA, Vorgänger des Roboterbauers Kuka. Der Amerikaner hält Stada für zu klein, um Wachstumspotenziale heben zu können, und fordert eine Fusion mit einem internationalen Konkurrenten.

Damit hat der Amerikaner andere Pläne als der aktivistische Investor Active Ownership Capital, der im Frühjahr bei dem MDax-Konzern eingestiegen war. Dieser Fonds findet, dass Stada in den vergangenen Jahren wirtschaftlich unter seinen Möglichkeiten geblieben ist, und will den Wert des Unternehmens steigern. Spekulationen, dass damit der Weg für einen Verkauf oder eine Aufspaltung von Stada geebnet wird, weist der mit mehr als fünf Prozent Aktienbesitz mittlerweile größte Einzelaktionär von Stada aber zurück.

Was ist dran an den Vorwürfen? Hat sich Stada –  mit 2,1 Milliarden Euro Umsatz der viertgrößte deutsche Pharmahersteller – sowohl an der Börse als auch operativ tatsächlich schwächer entwickelt als die meisten Konkurrenten aus der Pharmabranche? Ganz klar, wenn man die Hessen mit dem israelischen Generikariesen Teva vergleicht, dem US-Konzern Mylan oder Allergan. Aber diese Maßstäbe hinken.

Generika und freiverkäufliche Markenprodukte

Bei der Verdreifachung der Marktkapitalisierung von Allergan zwischen 2005 und Ende 2015 spielt eine gehörige Portion Übernahmefieber durch Pfizer eine Rolle. Zudem sind die börsennotierten Unternehmen mit Nachahmergeschäft regional und von den Geschäftsbereichen so unterschiedlich aufgestellt, dass ein fairer Vergleich von Umsatz- und Wertzuwächsen kaum möglich ist. Teva beispielsweise ist breit in den USA vertreten und hat ein starkes Standbein bei innovativen Arzneimitteln. Stada hat neben dem Generikageschäft die freiverkäuflichen Markenprodukte als Kerngeschäft und ist vor allem in Europa unterwegs. Bekanntermaßen mit einem großen Anteil in Osteuropa, was dem Konzern vor allem wegen der Russlandsanktionen seit 2014 die Bilanz verhagelt. Vor diesem Hintergrund wundert dann auch die Rechnung von AOC nicht, dass Stada in den letzten zehn Jahren 2,3 Milliarden Euro investiert und dabei kaum Wert geschaffen hat.

Anfang des Monats hat der Stada-Chef sein Amt wegen einer schweren Erkrankung vorerst niedergelegt. Quelle: dpa
Hartmut Retzlaff

Anfang des Monats hat der Stada-Chef sein Amt wegen einer schweren Erkrankung vorerst niedergelegt.

(Foto: dpa)

Hinter dem Streit um Zahlen aber steckt die eigentliche Kritik der Investoren an Stada: Es ist die Dominanz des 23 Jahre lang agierenden Vorstandsvorsitzenden Hartmut Retzlaff. Ihm bescheinigen viele Konkurrenten und Investoren, dass er das Unternehmen führt, als wäre es sein Eigentum. Unbestritten hat Hartmut Retzlaff den kleinen, unrentablen Medikamentenhersteller in Apothekerbesitz seit den 90er-Jahren zu einem internationalen Konzern aufgebaut. Retzlaff hat das Unternehmen diversifiziert, weniger abhängig vom größten Markt Deutschland und dem hierzulande wenig rentablen Generikageschäft gemacht und durch Zukäufe das margenstarke Geschäft mit Markenprodukten ausgebaut. Dennoch hat Retzlaff bei der Expansion nach Osteuropa das Klumpenrisiko dieser politisch schwer zu kalkulierenden Märkte unterschätzt. Osteuropa stand vor dem Ausbruch des Russland-Ukraine-Konflikts für ein Drittel des Geschäfts, allein Russland kam auf ein Fünftel.

Stada braucht einen konstruktiven Dialog

Schwerer wiegt für die Kritiker aber sicher ein Gebaren, das nach Vetternwirtschaft und Selbstbedienung aussieht. Retzlaffs Sohn Steffen wurde eine gut dotierte Karriere im Unternehmen ermöglicht, mit zuletzt einer Ämterhäufung von drei verschiedenen Führungspositionen. Retzlaff selbst hat Pensionsansprüche in Höhe von mehr als 35 Millionen Euro ansammeln können, eine Größenordnung, die selbst Spitzenverdiener im Dax kaum erreichen. Um die Situation zu entschärfen, verzichtete er 2014 auf elf Millionen Euro weitere Vorsorge durch das Unternehmen.

Hartmut Retzlaff hat Anfang des Monats sein Amt wegen einer schweren Erkrankung vorerst niedergelegt. Das verbliebene Führungsteam mit dem neuen CEO Matthias Wiedenfels und Finanzchef Helmut Kraft packt gerade die Punkte, die die Investoren angesprochen haben, beherzt an: Unternehmensstrukturen und Verwaltungskosten stehen auf dem Prüfstand, Verträge von Retzlaffs Beratern wurden gekündigt, die Ämterhäufung bei Sohn Steffen gekappt.

Das klingt nach Neuanfang, und den braucht Stada auch, um einen konstruktiven Dialog mit dem Investor AOC zu führen. Zumal AOC eine Neubesetzung des Aufsichtsrats fordert. Ob das aber ausreicht, um einen Firmenjäger wie Wyser-Pratte auszubremsen, ist fraglich. Der hat vermutlich seine ganz eigene Agenda. Und die tut Stada nicht unbedingt gut.

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