Stahlhändler Klöckner-Chef Gisbert Rühl: Abgang mit Ansage

Der Klöckner-Chef übergibt seinem Nachfolger einen solide finanzierten Konzern.
Düsseldorf Für seine letzte Pressekonferenz als Klöckner-Chef hätte sich Gisbert Rühl wohl kaum erfreulichere Zahlen wünschen können. Denn der Duisburger Stahlhändler profitiert derzeit kräftig von der anziehenden Konjunktur – und konnte so die ersten drei Monate des laufenden Geschäftsjahres mit dem besten Quartalsergebnis seit mittlerweile zwölf Jahren abschließen. Fast genauso lange ist Rühl Vorstandschef bei Klöckner.
Zur Hauptversammlung im Mai wird der 61-Jährige in den Ruhestand treten. Ein wichtiges Ziel hat der Manager dabei erreicht: Seinem designierten Nachfolger Guido Kerkhoff, der im September als Rühls Stellvertreter in den Vorstand eingetreten war, hinterlässt er ein gesundes und frisch restrukturiertes Unternehmen.
Klöckner konnte nicht nur im vergangenen Jahr die Nettoverschuldung um ein gutes Drittel von 563 Millionen Euro auf 363 Millionen Euro reduzieren. Auch der Betriebsgewinn vor Steuern, Investitionen und Abschreibungen hat sich im Vergleich zum Vorjahresquartal von 21 Millionen Euro auf 130 Millionen Euro mehr als verfünffacht – während die Auslieferungen um 5,7 Prozent auf knapp 1,3 Milliarden Euro zurückgingen. Dabei stellt der Konzern seinen Anlegern für die Hauptversammlung im Jahr 2022 wieder eine Dividende in Aussicht, nachdem die Investoren in den Jahren zuvor aufgrund der schlechten Stahlkonjunktur leer ausgegangen waren.
Die erfreulichen Zahlen zeigten, wie stark Klöckner derzeit von Preissteigerungen infolge der anziehenden Konjunktur profitiere, erklärte Rühl bei der Vorlage der Zahlen am Donnerstag. „Die Lieferketten sind weitgehend leer gefegt, nicht nur auf der Ebene der Produzenten und Distributoren, sondern auch bei den Weiterverarbeitern“, so der Manager. Wann die Rally vorbei sein werde, lasse sich derzeit nur schwer prognostizieren. „Es wird sicherlich eine Zeit dauern, bis die Lager wieder aufgefüllt sind.“
Klar ist allerdings: Mit einem Anteil des Digitalgeschäfts von 45 Prozent vom Umsatz ist Klöckner & Co. für die Zukunft solide aufgestellt. Das ist nicht zuletzt auch Rühls Verdienst, der den Stahlhändler in den vergangenen Jahren gründlich digitalisiert hat. Dabei verwandte der Manager viel Energie darauf, die Plattform-Geschäftsmodelle der großen Techkonzerne aus dem Silicon Valley zu studieren. Zeitweise bezog Rühl sogar ein Büro in einem Berliner Coworking-Space, um die Arbeitsweise der dort ansässigen Start-ups besser zu verstehen.
Der Plattform-Enthusiast
Mit XOM gründete Klöckner unter der Ägide von Rühl schließlich ein eigenes Start-up und stieg in den Markt für industrielle Handelsplattformen ein. Mittlerweile hat sich das Jungunternehmen von einer Handelsplattform zu einem Software-Anbieter weiterentwickelt, der Werkstoffhändlern aus verschiedensten Branchen dabei hilft, die eigenen Vertriebsprozesse zu digitalisieren.
Allein im ersten Quartal wickelte XOM so ein Handelsvolumen von rund 150 Millionen Euro ab. Zu den Kunden zählen die Stahlkonzerne Severstal und Novolipetsk aus Russland sowie der finnische Edelstahlhersteller Outokumpu.
Nach seinem Ausscheiden aus dem Vorstand wird sich Rühl verstärkt um die Plattformaktivitäten bei Klöckner kümmern – und dem Stahlhändler als Aufsichtsratschef einer neuen Gesellschaft zur Verfügung stehen, in die das Plattformgeschäft ausgelagert wird. Dabei sucht der Stahlhändler nach weiteren Investoren und will in Zukunft nur noch mit einer Minderheit an XOM beteiligt bleiben – auch, um die Plattform attraktiver für Konkurrenten zu machen.
„Mir hat die Arbeit bei Klöckner immer viel Spaß gemacht“, zog Rühl in einer Telefonkonferenz eine Bilanz seiner Amtszeit. Neben dem Posten als Aufseher will sich der Manager künftig stärker auch auf seine eigenen Investments fokussieren und sich als Business Angel betätigen. „Ich habe in den vergangenen Jahren schon in einige Start-ups investiert und hier auch schon ein gewisses Portfolio zusammengekauft, vor allem aus Plattform-Unternehmen“, sagte der Manager von wenigen Wochen im Handelsblatt-Interview. „Das möchte ich gern professionell weiterentwickeln.“
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