Stahlhersteller Wie sich Tata Steel auf den Brexit vorbereitet

Der britische Teil des europäischen Tata-Geschäfts gilt schon lange als Sorgenkind im Konzern.
Düsseldorf Es ist die Scheidung einer Ehe, die über 20 Jahre von gegenseitigem Misstrauen geprägt war. Wenige Wochen vor dem EU-Austritt Großbritanniens hat der indische Stahlhersteller Tata Steel kürzlich bekanntgegeben, sein Europageschäft in einen niederländischen und einen britischen Teil aufspalten zu wollen.
Der Schritt markiert das Ende des einstigen Stahlherstellers Corus, der vor seiner Übernahme durch Tata aus der Fusion der Stahlproduzenten Hoogovens und British Steel hervorgegangen war. Dabei soll der niederländische Teil, der im Wesentlichen aus einem Werk nahe Amsterdam besteht, an den schwedischen Rivalen SSAB verkauft werden.
Für den britischen Teil, der unter dem Dach Tatas fortgeführt werden soll, beginnen harte Zeiten. Über Jahre galt Tata Steel UK als Sorgenkind im Konzern. Während das Stahlwerk in den Niederlanden in den vergangenen Jahren ordentlich Gewinne in die Kasse spülte, schrieb die britische Tochter hohe Verluste.
Von der nun beschlossenen Aufteilung verspricht sich Tata auch ein größeres Engagement der Regierung in London, um den Standort im walisischen Port Talbot am Leben zu erhalten. So erklärte der indische Tata-Stahlchef T. V. Narendran vor wenigen Tagen in einem Interview, ohne staatliche Unterstützung sei der langfristige Fortbestand von Tata Steel UK dauerhaft in Gefahr.
Falls die Regierung keine direkten Staatshilfen leisten wolle, sei die Senkung der hohen Energiepreise ein guter Anfang, die die Wettbewerbsfähigkeit der britischen Werke im Tata-Verbund behinderten, so Narendran. Darüber hinaus biete die operative Trennung der niederländischen und britischen Aktivitäten nun alle Möglichkeiten für den Staat, sich bei Tata Steel UK finanziell zu engagieren.
Zollfreies Kontingent festgelegt
Dabei geht vom Brexit selbst zunächst nur eine begrenzte Gefahr für das Unternehmen aus. Die EU will im ersten Halbjahr 2021 im Rahmen ihrer Schutzmaßnahmen gegen überdurchschnittlich hohe Stahleinfuhren den Import von rund 1,4 Millionen Tonnen britischem Stahl zollfrei stellen.
Nur darüber hinausgehende Einfuhren sollen mit einem Zoll in Höhe von 25 Prozent belegt werden, sollte Großbritannien nach dem Brexit auf den Status eines Drittlandes zurückfallen. Andernfalls hätte sich der Handel mit Stahlprodukten allein im ersten halben Jahr nach dem Austritt um rund 80 Millionen Pfund verteuert, so die Schätzung von Branchenexperten.
Entsprechend verfährt die Kommission mit Stahlimporten aus anderen Ländern, die sich jeweils an der durchschnittlichen Höhe der vergangenen Jahre orientieren. Dabei sind die Kontingente zwar unterschiedlich groß, sie werden aber in regelmäßigen Abständen überprüft und gleichmäßig um drei bis fünf Prozent erhöht.
Allerdings ist fraglich, ob es am Ende nicht dennoch zu einem langfristigen Rückgang der Handelsaktivitäten zwischen Großbritannien und der EU bei Stahlprodukten kommen wird. Derzeit sorgt die Corona-Pandemie bei vielen Stahlherstellern für einen weitaus dramatischeren Absatzeinbruch als der Brexit. Der Weltstahlverband rechnet infolge der Krise für 2020 mit einem Nachfragerückgang von mehr als 15 Prozent in der EU.
Auch wenn sich das Geschäft im Jahr 2021 aller Wahrscheinlichkeit nach spürbar erholen wird, bleibt der Markt geprägt von hohen Überkapazitäten. Wie schwer der EU-Austritt die britische Stahlindustrie trifft, hängt also maßgeblich davon ab, wie sich die Lage der Abnehmerbranchen im Inland nach dem Brexit entwickelt.
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