Streit um Prevent-Einstieg bei Grammer „Wir sind erstaunt, dass wir unerwünscht sind“

Prevent hält zwischen 20 und 30 Prozent an dem Autozulieferer aus Amberg.
Hagen Direkt am Werkseingang hängt das Transparent, das Stolz und Hochachtung verbreiten soll. „Unsere Technologie im Einsatz“, lautet die Botschaft am Fabriktor von Prevent TWB im westfälischen Hagen. Viel entscheidender sind jedoch die Autos, die direkt darunter zu sehen sind: Audi, Skoda, VW, Seat, insgesamt 15 verschiedene Modelle. Sie alle brauchen die Teile aus dem Werk in Hagen, und es sind alles Autos ausschließlich aus dem Volkswagen-Konzern.
Dabei ist es noch gar nicht so lange her, da war der deutsch-bosnische Zulieferkonzern Prevent der große Gegner von Volkswagen. Weil verschiedene Töchter nach einer abrupten Vertragskündigung durch VW die Belieferung an den größten Automobilhersteller der Welt eingestellt hatten, ging im August 2016 in einigen VW-Werken wie Wolfsburg und Emden tagelang überhaupt nichts mehr. Doch in Hagen ist von diesem alten Konflikt nichts zu spüren. In der Fabrik surren die Maschinen, bei der Prevent-Tochter werden eifrig Rücksitzlehnen für die verschiedenen VW-Marken produziert, mehr als zwei Millionen Stück im Jahr.
„VW ist der größte Player im Markt. Niemand kommt an diesem Unternehmen vorbei. Prevent hat großes Interesse, diese bestehende Zusammenarbeit weiter zu vertiefen und auszubauen“, sagt Christian Becker, Chefjustiziar und Geschäftsführer von Prevent DEV dem Handelsblatt. Das Unternehmen ist eine Art Keimzelle des weitverzweigten Firmengeflechts von Prevent in Deutschland. Becker sagt aber auch: „Wie VW von uns, so erwarten auch wir von VW Verlässlichkeit und Vertragstreue. Das ist in einem Lieferverhältnis normaler Usus.“
Prevent ist eine verschwiegene Unternehmensgruppe mit rund 12.000 Mitarbeitern und einem geschätzten Jahresumsatz von zwei Milliarden Euro. Sie gehört der Familie Hastor, die bosnische und deutsche Wurzeln hat. Die Brüder Kenan und Damir Hastor haben die Prevent-Leitung vom Vater Nijaz übernommen, äußern sich aber grundsätzlich nie öffentlich. Zu der Auseinandersetzung mit VW im vergangenen Jahr nahmen Prevent-Manager ebenfalls nur mit großer Zurückhaltung Stellung.
Doch nun bricht Prevent sein Schweigen. Das Unternehmen sucht den Kontakt mit dem Handelsblatt. Der Grund: Prevent steht wieder am Pranger. Dieses Mal nicht in Wolfsburg, sondern im bayerischen Amberg. Prevent hat sich beim Autozulieferer Grammer eingekauft und ist dort zum größten Aktionär aufgestiegen. Zwischen 20 und 30 Prozent hält Prevent über verschiedene Firmen. Wie hoch der Anteil genau ist, will Becker nicht verraten.
Grammer fürchtet eine Übernahme
In der Oberpfalz ist die Sorge groß, dass Grammer bald von Prevent geschluckt wird. Stark sind die Vorbehalte in Bayern: Prevent plane eine feindliche Übernahme, Grammer stünden harte Zeiten bevor, Arbeitsplätze seien in Gefahr. Prevent hat in der Branche den Ruf eines Kostenkillers. Das Grammer-Management, allen voran Vorstandschef Hartmut Müller, die Belegschaft und auch die Politik arbeiten kräftig gegen den Investor.
Und selbst die Kunden von Grammer sehen den Einstieg von Prevent bei dem Autozulieferer mit Argusaugen. Angeblich drohen sie damit, künftig weniger Aufträge über Sitze, Mittelkonsolen oder andere Komponenten an Grammer zu vergeben. VW soll, so hört man in Branchenkreisen, dabei eine große Rolle spielen. Ein Drittel der Grammer-Umsätze dürfte etwa auf das Konto der Wolfsburger gehen, die den Konflikt und den Lieferstopp der Prevent-Werke natürlich nicht vergessen haben.
Die in Hagen versammelten Prevent-Manager zeigen sich irritiert über das vermeintlich schlechte Image des eigenen Unternehmens. „Wir sind erstaunt, dass wir offenbar als Investor unerwünscht sind. Mit uns hat darüber niemand gesprochen, auch kein Autohersteller“, sagt Barbaros Arslan dem Handelsblatt. Arslan ist für die Strategie des Unternehmens verantwortlich. Und Justiziar Becker ergänzt: „Wir sehen uns als Investor bei Grammer, der berechtigte Aktionärsinteressen verfolgt. Berichte über eine Übernahme oder die Verlagerung von Standorten sind pure Spekulation. Wir haben nicht das Ziel einer Übernahme.“ Man werde sehen, wohin die Beteiligung führe.
Auf jeden Fall könnte sie erst einmal zur Ablösung des Managements führen. Am 24. Mai ist Hauptversammlung von Grammer. Prevent könnte mit seinem Anteil die Mehrheit stellen, denn bisher lag die Präsenz bei den Hauptversammlungen von Grammer nur wenig höher als bei 40 Prozent der Anteile. Und Prevent hat unmissverständlich klargemacht, dass sie keine Zukunft mit Müller als Vorstandschef sehen. „Für die weitere Zusammenarbeit mit Herrn Müller gibt es keine fruchtbare Basis mehr“, sagt Arslan. Fünf Posten im Aufsichtsrat will der Investor ebenfalls neu besetzen – auch mit eigenen Leuten.
Die Prevent-Manager begründen das mit der aus ihrer Sicht schwachen Entwicklung des Unternehmens. „Die Margen liegen bei Grammer trotz manch ausgewiesener Verbesserung weit unter dem Branchendurchschnitt, hinsichtlich der Kennzahlen bei Ebitda als auch bei Ebit performt Grammer unterdurchschnittlich“, beklagt Becker. Das Unternehmen habe nach Einschätzung von Prevent „viel Potenzial – und das wollen wir heben“.
Mit dem Grammer-Chef gesprochen hat gleichwohl noch kein Prevent-Manager. „Wir haben den Dialog mit Herrn Müller gesucht. Ein Gespräch ist aber bisher leider nicht zustande gekommen“, sagt Arslan. Aus Sicht von Müller liest sich das etwas anders.
Der Grammer-Chef sagt, er habe es nicht mit einem normalen Aktionär zu tun. Doch den Vorwurf, dass Prevent wie ein aktivistischer Investor agiere, dem es um den schnellen Profit gehe, weist Chefjustiziar Becker vehement zurück: „Wir sind keine Private-Equity-Firma, die in ein Unternehmen einsteigt, es saniert und nach ein paar Jahren wieder rausgeht“, sagte er. Es gehe um einen Familien-Verbund auch im Sinne der Arbeitnehmer. „Wir haben bisher kein einziges Unternehmen verkauft“, betont Becker.
Ein anderer Investor als eine Bank
Das Vorgehen bei Grammer begründet Arslan so: „Durch unsere Erfahrung im Automobilbereich sind wir ein anderer Investor als etwa eine Bank oder ein Investmentfonds. Wir fordern mehr, weil wir mehr vom Geschäft verstehen. Man kann auch sagen: Bedingt durch unsere DNA sind wir kritischer.“
Sehr kritisch stehen die Prevent-Manager auch dem Einstieg von Ningbo Jifeng bei Grammer gegenüber. Das chinesische Unternehmen sei nach ihrem Kenntnisstand eigentlich ein Konkurrent von Grammer, sagt Arslan. Ningbo hatte eine Wandelanleihe gezeichnet, die aber nach wenigen Monaten bereits in Aktien umgetauscht. Seit vergangenem Freitag halten die Chinesen dadurch rund neun Prozent der Anteile und sind auf der Hauptversammlung stimmberechtigt. „Die schnelle Wandlung der Anleihe zeigt doch: Ningbo Jifeng dient lediglich als Weißer Ritter, der verhindern soll, dass wir Einfluss nehmen“, klagt Arslan.
Einfluss nehmen heißt in diesem Fall: Grammer auf Profit trimmen, die Spezialität von Prevent, die immer wieder dazu führt, dass das Unternehmen das Image eines Kostenkillers hat. „Wir wissen, wie man Unternehmen profitabel macht“, erklärt Arslan. „Unser größter Konkurrent sind die Kosten.“
Was das heißt, zeigt er in Hagen: Für die Rückenlehnen von Prevent TWB zahlen die Autobauer im Schnitt etwa 50 Euro. Sie gelten als Massenware und könnten genauso gut irgendwo in Osteuropa oder in der Türkei zu günstigeren Löhnen produziert werden. Doch dank hohem Automations- und Innovationsgrad sowie strikter Kostenkontrolle in der Verwaltung arbeitet TWB profitabel.
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