Technologiekonzern Quartalsgewinn verdreifacht: Siemens schraubt Prognose zum dritten Mal nach oben

Der neue Siemens-Chef kann erneut gute Zahlen vorlegen.
München Der neue Siemens-Chef Roland Busch kommt beim Umbau des Traditionsunternehmens zu einem IT- und Softwarekonzern schneller voran als erwartet. Nach starkem Wachstum im vergangenen Quartal hob er die Prognose für das laufende Geschäftsjahr bereits zum dritten Mal an.
„Wir sehen in der Automatisierung klar, dass wir Marktanteile gewinnen“, sagte Busch am Donnerstag. Durch Akquisitionen will er den Wandel weiter vorantreiben. So verkündete Siemens die Übernahme des niederländischen Bahn-Software-Spezialisten Sqills.
Die Münchener zahlen mehr als eine halbe Milliarde Euro für das Unternehmen, das eine Softwareplattform entwickelt hat, mit der die Nutzer eine Reise mit Bus und Bahn planen, buchen und bezahlen können.
Im dritten Quartal des Geschäftsjahres konnte der Dax-Konzern auf breiter Front zulegen. Der Umsatz stieg um vergleichbar 21 Prozent auf 16,1 Milliarden Euro. Alle operativen Geschäfte wuchsen dabei. Der Auftragseingang verbesserte sich sogar um 44 Prozent auf 20,5 Milliarden Euro. Der Gewinn unter dem Strich verdreifachte sich auf 1,5 Milliarden Euro.
Das Wachstum fiel – gerade in China – auch wegen eines Hamstereffekts so stürmisch aus. Die Kunden vergrößerten sicherheitshalber ihre Vorräte. Dadurch könnte sich das Wachstum abschwächen, wenn ein Normalisierungseffekt eintritt.
Aktuell zahlt sich der Umbau von Siemens in einen Digitalkonzern in Form von hohen Wachstumsraten und Margen also aus. Ex-Chef Joe Kaeser hatte die renditeschwache Energietechnik abgespalten, Nachfolger Busch will den Ausbau zu einem IT-Konzern weiter vorantreiben.
Aussicht auf Nettogewinn deutlich höher
Dies gelingt derzeit schneller, als der Konzern und die Märkte erwartet hatten. Siemens hob in diesem Jahr im Dreimonatstakt die Prognose an. Der Dax-Konzern erwartet für 2020/21 nun auf vergleichbarer Basis ein Umsatzwachstum von elf bis zwölf Prozent (zuletzt: neun bis elf Prozent). Beim Nettogewinn stellt Busch nun 6,1 bis 6,4 Milliarden Euro in Aussicht – statt zuletzt 5,7 bis 6,2 Milliarden Euro.
Mit einem Plus von 3,5 Prozent auf gut 142 Euro war die Siemens-Aktie am Donnerstag denn auch zeitweise bester Dax-Wert und hielt sich dann in der Spitzengruppe. Auf die Verkündung von Buschs neuer Strategie im Juni hatten die Investoren noch zurückhaltend reagiert.
Als heikel gilt vor allem der verkündete Umstieg vom Lizenzverkauf auf ein „Software as a Service"-Mietmodell bei Industriesoftware. „So eine Transformation ist in der Tat eine große Herausforderung, daran haben sich andere verhoben“, sagte Finanzvorstand Thomas im Gespräch mit dem Handelsblatt.
Doch auf längere Sicht soll die neue Strategie zu höheren Umsätzen und Margen führen. Busch treibe die Transformation in Richtung Digitalisierung mit hohem Tempo voran, lobte Harald Smolak, Ex-Siemens-Manager und jetzt Partner bei der Managementberatung Atreus. „Software muss und wird eine zentrale Rolle spielen, Daten sind der wichtigste Rohstoff der Zukunft.“
Lesen Sie auch:
Auch Investoren begrüßen den neuen Kurs insgesamt. „Nach der Abspaltung von Siemens Energy ist sicherlich der Fokus klarer auf die IT ausgerichtet“, sagte Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei der Deka Investment, dem Handelsblatt. „Der Weg ist allerdings noch lang und ohne Akquisitionen nicht zu bewältigen.
Das sieht Busch offenbar ähnlich. Siemens zahlt 550 Millionen Euro plus variable Komponenten für den niederländischen Bahnsoftware-Spezialisten Sqills. Das Unternehmen hat 160 Mitarbeiter und rechnet im kommenden Jahr mit 40 Millionen Euro Umsatz.
Doch auch organisch lief es im abgelaufenen Quartal gut. Den Umsatz konnte Siemens quer durch alle Geschäftsbereiche steigern. Das Ergebnis der Industriellen Bereiche (Ebita), für Siemens eine der wichtigsten operativen Kennziffern, stieg im dritten Quartal um 29 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro. Dies entsprach einer Marge von 15,3 Prozent.
Dass der Konzern aktuell gut unterwegs ist, zeigt auch ein Blick auf die Konkurrenz, die aber ebenfalls meist gut zulegen konnte.
Auch andere Konzernbereiche verbessern sich
So steigerte der Schweizer ABB-Konzern den Umsatz um vergleichbar 14 Prozent auf knapp 7,5 Milliarden Dollar. „Alle Geschäftsbereiche verzeichneten zweistellige Auftragszuwächse, getrieben durch die breit abgestützte Erholung in den meisten kurzzyklischen Kundensegmenten“, sagte ABB-Chef Björn Rosengren und hob vor einigen Tagen die Prognose an.
Der operative Ergebnis (Ebita) von ABB verbesserte sich um 71 Prozent auf 1,1 Milliarden Dollar, der Nettogewinn konnte sogar auf 752 Millionen Dollar mehr als verdoppelt werden.
ABB erwartet nun für 2021 ein Wachstum des vergleichbaren Umsatzes von knapp unter zehn Prozent. Zuvor hatte die Prognose bei mindestens fünf Prozent gelegen.
Noch wichtiger sind für Siemens inzwischen die fokussierten Spezialisten. So verzeichnete Rockwell Automation im dritten Quartal 2020/21 einen Umsatzzuwachs um vergleichbar 26 Prozent auf mehr als 1,8 Milliarden Dollar. Der operative Gewinn verbesserte sich um knapp 61 Prozent auf 369 Millionen Dollar. Das entsprach einer Marge von 19,9 Prozent.
Zwar sind operative Kennziffern immer nur schwer vergleichbar. Doch kann sich die Siemens-Vorzeigesparte Digitale Industrien (DI) daneben sehen lassen. DI verbesserte den Umsatz im dritten Quartal um vergleichbar 17 Prozent auf 4,2 Milliarden Euro. Der Auftragseingang legte sogar um 36 Prozent auf 4,7 Milliarden Euro zu.
Das operative Ergebnis der Digitalen Industrien sank um sechs Prozent auf 847 Millionen Euro. Das lag aber an einem Sondereffekt im Vorjahreszeitraum. Die Marge von 20,3 Prozent ist im Branchenvergleich sehr ordentlich.
Auch Schneider Electric hatte starke Zahlen vorgelegt. Der Umsatz der Franzosen sprang im zweiten Quartal um vergleichbar 24 Prozent auf 7,2 Milliarden Dollar. Sowohl das Energiemanagement, als auch die Industrieautomatisierung und die Softwaregeschäfte legten prozentual zweistellig zu. Im Gesamtjahr erwartet Schneider Electric nun ein Umsatzwachstum von elf bis 13 Prozent auf organischer Basis.
Auch beim einstigen Hauptrivalen General Electric, der seit der Abspaltung von Siemens Energy nur noch bedingt mit Siemens vergleichbar ist, lief es zuletzt besser. „Auftragseingänge und Umsatz sind wieder auf Wachstumskurs zurückgekehrt, die operativen Margen verbessern sich quer durch alle Segmente“, sagte GE-CEO Larry Culp.
Die Industrieumsätze von GE stiegen im zweiten Quartal angetrieben unter anderem von einer guten Medizintechnik um vergleichbar sieben Prozent auf 16,9 Milliarden Dollar. Die um Sondereffekte bereinigte Umsatzrendite im Industriegeschäft lag bei 5,3 Prozent, unter dem Strich schrieb GE noch rote Zahlen.
Doch für alle Unternehmen gibt es auch Warnsignale. So sprach Busch vom Gegenwind durch steigende Materialkosten, die teilweise in Form von Preiserhöhungen an die Kunden weitergegeben werden. Zudem bereitet die Chipknappheit vielen Unternehmen Sorgen. Und zu guter Letzt warnte Siemens-Chef Busch: „Die Pandemie ist noch nicht vorbei.“
Mehr: Siemens übernimmt Reisesoftware-Spezialisten für mehr als eine halbe Milliarde Euro
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.