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Telekom-Vorstand sagt im Schienenkartell-Prozess aus „Da hilft auch kein Schönreden“

Zeuge oder Beschuldigter? Telekom-Vorstand Thomas Kremer sagt im Schienenkartell-Prozess gegen zwei Manager von Thyssen-Krupp aus – und muss dabei eigene Fehler eingestehen.
10.05.2016 - 17:40 Uhr
Thomas Kremer, Vorstand für Datenschutz und Recht bei der Deutschen Telekom, stand als Zeuge vor Gericht. Quelle: dpa
Schienenkartell-Prozess

Thomas Kremer, Vorstand für Datenschutz und Recht bei der Deutschen Telekom, stand als Zeuge vor Gericht.

(Foto: dpa)

Bochum Am Anfang versucht es Thomas Kremer noch mit einem Lächeln. Mit federnden Schritten erklimmt er die zweite Etage des Landgerichts Bochum, die wartenden Journalisten begrüßt er per Handschlag. Erst als der Zeitpunkt näherrückt, an dem Richter Michael Rehaag die Zuschauer in den Sitzungsaal C247 ruft, weicht das Dauerlächeln aus seinem Gesicht. Die Uhr zeigt 9.45 Uhr, als der Prozess Bundesrepublik gegen zwei frühere Manager von Thyssen-Krupp fortgesetzt wird.

Am 22. Sitzungstag des sogenannten Schienenkartell-Prozess verliert Richter Rehaag für einen Moment den Überblick. „Ist Herr Kremer Zeuge oder Beschuldigter?“, sagte er mit Blick zu den Beisitzern. Der 58-Jährige ist als Zeuge vorgeladen. Kremer, grauer Anzug, graue Haare, markante Brille mit dunklen Bügeln, ist Rechtsvorstand der Deutschen Telekom. Bis Juni 2012 aber war er Compliance-Chef bei Thyssen-Krupp.

Die beiden Angeklagten waren lange Zeit für den Verkauf von Schienen zuständig – und sollen, davon ist die Staatsanwaltschaft überzeugt, mit Konkurrenten Preise und Mengen ausgekungelt haben. Der Staat als Eigentümer der Bahn und damit Europas größter Schieneneinkäufer wurde über die Jahre um rund eine Milliarde Euro geschädigt.

Kremer selbst war an dem Kartell nicht beteiligt. Er war vielmehr im Konzern dafür verantwortlich, diese zu verhindern. Das Gericht erhofft sich daher von ihm Aufklärung darüber, wie die Kontrollsysteme bei dem Ruhrkonzern gestrickt waren, damit Geschäfte mit Recht und Anstand umgesetzt wurden.

Folgt man Kremers anfänglichen Worten vor Gericht, so sind die Zweifel an den Mechanismen nicht angebracht. Schon bei der Fusion von Thyssen und Krupp im Jahr 2000 hatten die Verantwortungsträger ein besonderes Augenmerk auf das Thema gelegt. „Es bestand der feste Wille, ein State-of-the-Art-System zu entwickeln“, sagte Kremer.

Thyssen-Krupp wollte also Klassenbester in dieser Disziplin werden. Seminare wurden abgehalten und Tausende von Mitarbeitern in Compliance geschult. Die System seien sogar von einem Wirtschaftsprüfer getestet und zertifiziert worden, wie Kremer ausführt. Gereicht hat es letztlich nicht. „Da hilft auch kein Schönreden“, wie er einräumt.

Dies ist eine freundliche Umschreibung für ein Versagen der Systeme. Thyssen-Krupp wurden über die Jahren Absprachen bei Edelstahl, Aufzüge und Schienen nachgewiesen. Am Rande des Prozesses berichtet eine frühere Führungskraft noch von einem weltweiten Kartell auf dem Blechmarkt. Weil er nicht habe mitmachen wollen, habe er 1999 gehen müssen, sagte der Pensionär. Für Kremer, der 1994 zu Krupp kam, hat er nur ein Kopfschütteln übrig.

Überprüfen lässt sich die Aussage nicht. Die Fülle der Fälle macht diese aber glaubhaft. Das Versagen der Systeme zeigte sich auch an anderer Stelle. Beim Verkauf U-Booten zahlten Mitarbeiter mitunter hohe Schmiergelder. Aktuelle ermittelt die Staatsanwaltschaft Bremen gegen die Thyssen-Krupp-Tochter Atlas wegen möglicher Schmiergeldzahlungen bei Deals mit Griechenland und der Türkei. Kremer ist einer der Beschuldigten. Er weist die Vorwürfe zurück.

Im Saal des Landgerichts Bochum ist Kremer Zeuge. Im Laufe seiner Befragung entblättert sich ein Bild über den Umgang mit Kartellen bei Thyssen-Krupp, das wenig schmeichelhaft ist. So bestätigte er, dass es 2004 im Vorstand einen Beschluss gegeben haben soll, wonach intern aufgedeckte Kartelle nicht den zuständigen Behörden gemeldet werden sollten.

Zum Schutz vor einer Beschlagnahmung wurden Unterlagen bei der Kanzlei Freshfields verwahrt, wie der heutige Telekom-Compliance-Chef bestätigte.

Die Staatsanwälte in Bremen werden seine Ausführungen mit Interesse verfolgen. Sie vermuten, dass Bestechungen erst möglich wurden, weil die Compliance-Systeme versagt haben.

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