Thyssen-Krupp in Turbulenzen: Ringen um die Zukunft der Stahlsparte
Benachrichtigung aktivierenDürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafftErlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviertWir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke
Anzeige
Thyssen-Krupp in TurbulenzenRingen um die Zukunft der Stahlsparte
Die Pläne des Stahlgeschäfts sorgen für Unruhe bei Thyssen-Krupp. Sollte es zur Fusion mit Tata kommen, sieht der Betriebsrat tausende Jobs in Gefahr. Bei einer Abstimmung im Aufsichtsrat droht das Vorhaben zu scheitern.
Essen Zoff bei Thyssen-Krupp: Für Konzernchef Heinrich Hiesinger droht das Ringen um die Zukunft der europäischen Stahlsparte zur Zerreißprobe zu werden. Fast sieben Jahre nach seinem Amtsantritt ist der Umbau des Essener Industriekonzerns noch immer nicht am Ziel. Nun steht mit dem Stahlgeschäft die traditionelle Wurzel auf dem Prüfstand. Mit seinen Plänen für einen möglichen Zusammenschluss mit dem indischen Konkurrenten Tata ist der ehemalige Siemens-Manager Hiesinger nun jedoch auf heftigen Widertand gestoßen.
Unmittelbar vor einer am Wochenende geplanten Sitzung des Aufsichtsrats haben Betriebsräte und die IG Metall für Freitag in Bochum zu einer großen Protestveranstaltung aufgerufen. Erwartet werden mindestens 5000 Stahlkocher. Belegschaftsvertretung und Gewerkschaft befürchten einen massiven Abbau von Arbeitsplätzen und die Schließung ganzer Standorte. Bereits ohne den möglichen Zusammenschluss sieht der Betriebsrat bis zu 4000 Jobs auf der Kippe - was das Unternehmen allerdings zurückweist.
Die größten Stahlproduzenten in Deutschland
Der Stahlproduzent aus dem sächsischen Riesa wurde 1992 gegründet und produziert unter anderem Stranggussknüppel, Betonstabstahl und Walzdraht. 2016 produzierte Feralpi eine Million Tonnen Stahl.
Quelle: Wirtschaftsvereinigung Stahl
1970 wurde das Stahlwerk im bayrischen Meitingen gegründet. Das Unternehmen hat sich auf Betonstahl spezialisiert. Lech produzierte 2016 1,2 Millionen Tonnen Stahl.
1,3 Millionen Tonnen Stahl produzierte das Stahlwerk 2016. Georgsmarienhütte wurde 1856 in der gleichnamigen Stadt in Osnabrück gegründet. Das Unternehmen produziert Stabstahl, Halbzeug und Blankstahl.
Der italienische Stahlkonzern hat mehrere Werke in Deutschland. 1954 wurde das Unternehmen von den Brüdern Emilio und Adriano Riva in Mailand gegründet. 2016 produzierte Riva in Deutschland 1,8 Millionen Tonnen Stahl.
Das Hüttenwerk (Anlage zur Erzeug von Stahl und Eisen aus Erzen) mit Sitz im saarländischen Dillingen produzierte 2016 2,2 Millionen Tonnen Stahl. Das Unternehmen wurde bereits 1685 gegründet.
Der Stahlhersteller wurde 1955 im baden-württembergischen Kehl gegründet und produziert hauptsächlich für die Bauindustrie. 2016 konnte das Unternehmen 2,4 Millionen Tonnen Stahl produzieren.
1989 wurde der Stahlproduzent im saarländischen Völklingen gegründet. 2016 produzierte er 2,5 Millionen Tonnen Stahl.
Die Wurzeln der 1998 im niedersächsischen Salzgitter gegründeten Salzgitter AG gehen ins Jahr 1858 zurück. Rund sieben Millionen Tonnen Stahl produzierte das Unternehmen 2016.
Der Konzern ging 2007 aus der Fusion der niederländischen Mittal und Arcelor aus Luxemburg hervor. Der Konzern hat mehrere Standorte in Deutschland und produzierte 2016 hierzulande 7,8 Millionen Tonnen Stahl.
1999 wurden die Ruhrgebietskonzerne Krupp-Hoesch und Thyssen zusammengelegt. Deutschlandweit ist das Unternehmen mit Sitz in Essen der größte Stahlproduzent. Allein 2016 fertigte er 12,1 Millionen Tonnen Stahl.
Nach „Spiegel“-Informationen soll den Kontrolleuren bei der Sitzung zunächst jedoch nur eine Grundsatzvereinbarung - ein sogenanntes Memorandum of Understanding - vorgelegt werden. Ob es dabei schon zu einer Abstimmung kommen wird, ist derzeit unklar. Die Details einer möglicherweise dann endgültigen Vereinbarung würden erst bis Anfang des kommenden Jahres ausgehandelt, hieß es.
Doch die Zeit drängt. Nach über einem Jahr Verhandlungen ist der in der tiefsten Krise der Konzerngeschichte Anfang 2011 als Sanierer angetretene Hiesinger dringend auf einen Durchbruch angewiesen. Zwar konnte der Manager bereits mit dem Verkauf von Stahlwerken in Amerika einen Schlussstrich unter die bislang wohl größte Fehlinvestition ziehen. Der „große strategische Wurf“ sei ihm aber noch nicht gelungen, bemängeln Kritiker.
Der Vorstand stehe unter großem Druck von Investoren und Anteilseignern, stellte Thyssen-Krupp-Gesamtbetriebsratschef Wilhelm Segerath fest. Der ehemalige Siemens-Manager Hiesinger könnte mit einer Abtrennung der Stahlsparte nicht nur dem angestrebten Wandel von Thyssenkrupp zum Technologiekonzern einen Schritt näher kommen. Der Betriebsrat wirft dem Manager auch vor, außerhalb der Bilanz „Schulden abkippen“ zu wollen. Bereits heute spielt der Stahl in dem Gesamtkonzern mit einem Umsatz von rund 39 Milliarden Euro im zurückliegenden Jahr 2015/16 (30.09.) nur noch eine Nebenrolle.
Entstehen würde durch eine solche Fusion das hinter dem Branchenprimus ArcelorMittal zweitgrößte Stahlunternehmen in Europa, gemessen an der Produktion. Doch die ebenso zyklische wie krisenanfällige Branche leidet weltweit unter erheblichen Überkapazitäten. Hiesinger hatte in der Vergangenheit deshalb immer wieder die Notwendigkeit eine Konsolidierung betont.
Doch ob angesichts enormer Überkapazitäten in China ausgerechnet ein Konsolidierungsbeitrag von Thyssen-Krupp und Tata für Abhilfe sorgen könnte, erscheint fraglich. „Für eine weltweite Lösung sind die beiden zu klein“, meint etwa Thomas Hechtfischer von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW).
Sollte es doch schon am Wochenende zu einer Abstimmung in dem Thyssen-Krupp-Kontrollgremium kommen, hat der Betriebsrat eine geschlossene Ablehnung durch die Arbeitnehmervertreter angekündigt. Das wäre ein Novum in der Konzerngeschichte. Nur mit Zugeständnissen könnte Hiesinger dann versuchen, die Arbeitnehmervertreter schließlich doch noch auf seine Seite zu ziehen.
Das könnte auch dringend notwendig werden - denn die Stimmen aller Vertreter der Kapitalseite sind ihm keinesfalls sicher. Als Wackelkandidat gilt etwa der schwedische Großaktionär Cevian, der Gerüchten zufolge bereits mit einer Zerschlagung des Gesamtkonzerns liebäugeln könnte.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.