US-Behörde FTC Neue Kartellhürden für Linde und Praxair – Scheitert die Gasefusion?

Die geplanten Fusion mit Praxair stößt auf unerwartet großen Widerstand der US-Kartellbehörden.
München Die Fusion von Linde und Praxair stößt in den USA auf unerwartet hohen Widerstand bei den Kartellwächtern: Die Partner müssen für ihre Fusion wegen kartellrechtlicher Bedenken möglicherweise mehr Unternehmensteile veräußern als bislang erwartet.
Es gebe „erhöhte Anforderungen an die kartellrechtlichen Freigaben“, teilte Linde überraschend in der Nacht zum Sonntag mit. Eine „Überschreitung einer vereinbarten Obergrenze für von Linde und Praxair zu akzeptierende Kartellauflagen“ sei wahrscheinlich. Auch ein Scheitern des Zusammenschlusses zum weltgrößten Gasekonzern gilt in Industriekreisen nicht mehr als völlig ausgeschlossen.
Die beiden Fusionspartner hatten sich eigentlich schon auf der Zielgeraden gewähnt. Es war klar, dass der Zusammenschluss wettbewerbsrechtlich vor allem in den USA und Europa, also in den Heimatmärkten der beiden Fusionspartner, heikel sein würde. Der Gasemarkt ist bereits oligopolistisch von wenigen großen Anbietern geprägt. Eine weitere Marktkonzentration sehen die Wettbewerbshüter daher kritisch.
Doch hatten Linde und Praxair nach Gesprächen mit den Kartellwächtern Lösungen präsentiert: Weite Teile des Praxair-Geschäfts in Europa werden an den japanischen Industriegase-Hersteller Taiyo Nippon Sanso Corporation verkauft. Dies soll eine Zustimmung von Brüssel gewährleisten. Auf der anderen Seite des Atlantiks soll das US-Geschäft von Linde größtenteils an den deutschen Konkurrenten Messer verkauft werden. Damit schienen die größten Hürden aus dem Weg geräumt.
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Doch nun teilte Linde mit, die amerikanische Federal Trade Commission (FTC) habe „Erwartungen im Hinblick auf zusätzliche Veräußerungszusagen und die betreffenden Erwerber geäußert“. Man wolle diese nun analysieren, um „deren Reichweite einzuschätzen und zu bewerten, inwieweit sie sich schnell genug umsetzen ließen, um eine rechtzeitige Freigabe des Zusammenschlusses zu erreichen“.
Damit steht die Fusion wieder auf der Kippe. Linde und Praxair hatten sich eine Schmerzgrenze gesetzt. Wenn sie sich aufgrund von Kartellauflagen von mehr als 3,7 Milliarden Dollar Umsatz oder 1,1 Milliarden Dollar Betriebsergebnis trennen müssen, können sie sich die Fusion noch einmal überlegen. Laut Linde gibt es nun „eine höhere Wahrscheinlichkeit“, dass eine Obergrenze überschritten wird. Bis zum 24. Oktober muss die Genehmigung aller Kartellbehörden vorliegen, sonst platzt die Fusion.
Linde wollte die Lage auf Anfrage des Handelsblatts in der Nacht zum Sonntag nicht weiter kommentieren. Dies gilt auch für die Frage, ob die aktuellen transatlantischen Spannungen bei den überraschenden Nachrichten aus den USA eine Rolle gespielt haben könnten. „Linde und Praxair setzen ihre konstruktiven Gespräche mit den Wettbewerbsbehörden und miteinander über die erforderlichen Veräußerungen fort“, hieß es lediglich.
Die 60-Milliarden-Euro-Fusion von Linde und Praxair, die von Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle vorangetrieben wurde, war in Deutschland lange heftig umstritten. Die Arbeitnehmervertreter fürchteten eine heimliche Übernahme durch die Amerikaner. Denn es handelt sich zwar um eine 50:50-Fusion. Doch soll Praxair-Chef Steve Angel das neue Unternehmen aus den USA heraus operativ führen. Sitz der neuen Holding soll Irland sein.
Laut Mitteilung wurde Linde am Samstag von der FTC über die weitergehenden Erwartungen informiert. Demzufolge gibt es aber Hinweise auf höhere Anforderungen von „verschiedenen Wettbewerbsbehörden“. Neben Brüssel und den USA steht noch unter anderem die Genehmigung in Indien, China und Südkorea aus.
Industriegase wie Stickstoff, Sauerstoff und Edelgase werden in vielen Branchen bei der Produktion eingesetzt. Der Linde-Umsatz war im vergangenen Jahr insgesamt um währungsbereinigt zwei Prozent auf 17,1 Milliarden Euro gestiegen. Praxair legte um neun Prozent auf 11,4 Milliarden Dollar zu.
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