Voith-Chef Hubert Lienhard „Wir sehen uns als Gewinner“

Der Verkauf der Kuka-Anteile gibt dem schwäbischen Maschinenbauer mehr Spielraum.
Stuttgart Am Ende ging es doch ganz schnell. Voith verkauft seine 25 Prozent am Roboterhersteller Kuka an den chinesischen Konzern Midea. Die Chinesen hatten die Pläne von Voith durchkreuzt selbst die Kontrolle bei Kuka zu übernehmen. Voith-Chef Huber Lienhard erklärt dem Handelsblatt exklusiv, warum er sich nicht als Verlierer fühlt und wie er mit dem Trostpflaster von 1,2 Milliarden Euro seine Digitalpläne doch noch verwirklichen will. Die nächste Einkaufstour steht bevor.
Herr Lienhard, warum haben Sie denn den Kuka-Anteil von Voith verkauft?
Kuka war für uns eine sehr erfolgreiche Beteiligung. Binnen rund anderthalb Jahren hat sich der Wert mehr als verdoppelt. Das zeigt, wie vorausschauend unser Einstieg in das Unternehmen Ende 2014 war. Zumal wir uns hierdurch von Anfang an mehrere Optionen eröffnet haben. Nun ist es zum Verkauf gekommen. Wir erlösen dadurch rund 1,2 Milliarden Euro. Angesichts der faktischen Mehrheit, die Midea künftig an dem Unternehmen halten wird, ist das für uns unternehmerisch die sinnvollste Entscheidung.
Wann haben die Voith-Eigentümer entschieden?
Das war am Freitag, am 1. Juli.
Warum dann doch so schnell?
Wir haben die Offerte sorgfältig und eingehend geprüft, wie es unsere unternehmerische Pflicht ist. Dafür haben wir uns die nötige Zeit genommen. Wenn die Entscheidung getroffen ist, macht es keinen Sinn die Sache unnötig hinauszuzögern.
Wollten sie wirklich ursprünglich die Mehrheit an Kuka?
Sie dürfen davon ausgehen, dass wir auch solche Möglichkeiten eingehend geprüft haben.
Aber der Kuka-Kurs stieg doch immer weiter...
Wie gesagt, die Mehrheit war für uns immer eine Option von mehreren. Man kann sich viele andere Konstellationen vorstellen. Aber lineares Denken ist in solchen Fällen nicht immer hilfreich. Sie müssen als Unternehmen flexibel sein.
Aber Midea hat diese Pläne durchkreuzt...
Das würde ich so nicht sehen. Wir sehen uns ganz klar als Gewinner. Durch die Abgabe der Beteiligung kann Voith die bislang dort gebundenen Mittel nun flexibel in organisches Wachstum wie auch für attraktive Akquisitionen einsetzen. Dass ein Gegenangebot für uns als konservativ rechnendes Familienunternehmen ausscheidet, betrachte ich da eher als untergeordnet.
Wie bewerten sie die Rolle von Kuka-Chef Till Reuter?
Das deutsche Übernahmerecht sieht nicht ohne Grund vor, dass sich die Gremien eines Unternehmens zunächst ein sehr umfassendes Bild von einem Übernahmeangebot machen, bevor sie sich äußern. Das können Sie aber erst machen, wenn das Angebot schwarz auf weiß auf dem Tisch ist. Genau deshalb äußern sich Vorstand und Aufsichtsrat üblicherweise erst im Rahmen der Begründeten Stellungnahme.
Aber das Angebot ist doch außerordentlich hoch gewesen...
Darauf kommt es nicht an. Der Blick auf andere, aktuell laufende Übernahmeangebote zeigt deutlich, was Best Practice ist.
Hat der Ex-Investmentbanker Reuter schon vorher mit den Chinesen verhandelt oder nicht?
Das müssen Sie ihn fragen.
Fühlen sie sich von ihm hintergangen?
Am Anfang hätte die Informationspolitik gegenüber dem Aufsichtsrat aus meiner Sicht anders laufen können.
Und seit der Veröffentlichung des Angebots?
Der Prozess lief insgesamt angemessen.
Aber Kuka, war doch ein zentraler Bestandteil ihrer Strategie, das 149 Jahre alte Unternehmen Voith auf Industrie 4.0 zu trimmen.
Kuka ist ein tolles Unternehmen. Der Roboter ist aber nur ein Mosaikstein von Industrie 4.0.
Jetzt sind Sie der Verlierer?
Nein, warum? Voith ist ganz sicher einer der Gewinner. Wir haben unser Investment in eineinhalb Jahren in etwa verdoppelt und unsere Gesellschafter wollen die gesamte Summe wieder in den Konzern reinvestieren, das ist doch mehr als ein Grund sich sehr zu freuen.
Na, das müssen Sie näher erklären.
Wir haben 2012 unsere Lage klar analysiert. Wir haben festgestellt, dass Voith noch zu stark auf Mechanik fokussiert ist und wir unsere elektronische Kompetenz ausbauen müssen. Wir haben den Markt systematisch auf attraktive Zielfirmen untersucht. Weit früher als andere haben wir das Potenzial von Kuka gesehen, die damals übrigens noch bei einem Kurs von 30 Euro standen.
Warum sind sie dann erst Ende 2014 eingestiegen?
Ein Paket in dieser Höhe zu bekommen, geht schwer über den Markt. Das heißt sie müssen verhandeln und den richtigen Zeitpunkt abpassen, wenn ein Aktionär verkaufen möchte. Die Gelegenheit ergab sich dann 2014. Parallel haben wir unseren eigenen Konzernumbau vorangetrieben.
Sie haben dann das Paket des Unternehmers Grenzebach bei einem Kurs von rund 50 Euro für rund 600 Millionen Euro übernommen. War damals Kuka-Chef Reuter schon an den Gesprächen beteiligt?
Herr Reuter war an einigen allgemeinen Gesprächen beteiligt. Die Verhandlungen über das Paket liefen mit der Firma Grenzebach.
Reuter wusste also schon lange, dass sie möglicherweise mehr wollten?
Es ging damals darum, ob Voith ein Paket von knapp 20 Prozent von Grenzebach erwirbt.
Aber ihre Digitalstrategie ist erstmal dahin.
Überhaupt nicht. Im Gegenteil. Uns fließen 1,2 Milliarden Euro Liquidität zu, wir werden das Geld, das wir jetzt einnehmen, komplett in das Portfolio von Voith reinvestieren. Damit werden wir unsere Kompetenz für die vernetzte Industrie 4.0 massiv ausbauen können. Mehr kann man sich eigentlich gar nicht wünschen. Die Beteiligung an Kuka war für unsere Digitalstrategie ein Baustein, aber ganz sicher nicht tragende Säule.
Gibt es denn schon Übernahmeziele?
Wir beobachten den Markt fortlaufend und haben eine Ziel-Liste von interessanten Unternehmen.
Verhandeln sie denn schon aktuell?
Darüber sprechen wir nicht. Lassen sie sich überraschen.
Kann es schnell gehen?
Das wird man sehen. Wir sollten aber auch nicht vergessen, dass wir vermutlich nicht vor Ende des Jahres das Geld aus der Kuka-Transaktion auf dem Konto haben werden, abhängig von den Genehmigungen, die Midea benötigt, möglicherweise sogar noch etwas später.
Viele haben die gleichen Firmen auf dem Zettel. Die Preise sind hoch?
Wir werden sicher keine Mondpreise zahlen. Aber wir hatten auch durch den Verkauf von Voith Industrial Services, der ja auch in diesem Jahr lief und unsere bestehenden Cash-Bestände schon eine gut gefüllte Kriegskasse. Die ist jetzt noch voller. Und Sie sollten auch nicht vergessen, dass sich nach dem Brexit die konjunkturellen Aussichten eingetrübt haben. Das wirkt sich zwar negativ auf unser Geschäft aus, könnte aber auch die Übernahmepreise drücken und uns Chancen zusätzliche eröffnen.
Zum Abschluss: Sehen sie es als große Leistung an, ein deutsches High-Tech-Unternehmen teuer an einen Chinesen zu verkaufen?
Ich bin als Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses ja häufig in China und ich sage dort immer, dass Deutschland offen ist für chinesische Investoren. Das gilt auch in diesem konkreten Fall. Und wenn ich den Äußerungen von Kuka-Vorstand, den Arbeitnehmervertretern und der IG Metall Glauben schenken darf, gibt es keinen Anlass, sich zu sorgen. Im Gegenzug fordere ich aber übrigens auch sehr dezidiert mehr Freiheit für deutsche Investoren in China.
Na dann haben sie ja mit dem Verkauf der Kuka-Anteile bei der nächsten Reise mit der Kanzlerin ein Argument mehr bei der chinesischen Führung.
Ja, aber mein verbandspolitisches Engagement hat nichts mit der Entscheidung unserer Eigentümer für einen Verkauf zu tun.
Aber es hätte schon seltsam ausgesehen, wenn der APA-Chef im Ernstfall in seinem Unternehmen anders handelt.
Es ist meine tiefste persönliche Überzeugung, dass Deutschland von der Offenheit gegenüber ausländischen Investoren profitiert, ganz gleich ob Sie aus Amerika, Europa oder eben China kommen.
Das Problem sind sie ja jetzt los. Sind die Eigentümer jetzt von Ihnen enttäuscht?
Wieso sollten sie? Die Voith-Gesellschafter gehören klar zu den Gewinnern dieses Übernahmeangebotes und haben klug entschieden. Wir können unsere digitale Transformation jetzt beschleunigen und haben eine volle Kriegskasse.
Womit haben wir zu rechnen?
Lassen sie sich überraschen.
Sie sind 65 Jahre, Ihr Vertrag läuft noch bis April 2018.
Ja, und den plane ich auch zu erfüllen. Wir entwickeln Voith zu einem Unternehmen, das den digitalen Wandel maßgeblich mitgestaltet, was kann es spannenderes für einen CEO geben.