Volkswagen Causa Diess, neue Vorstände, Milliardeninvestitionen: Was die VW-Aufseher heute beschließen wollen

Am Donnerstag muss er sich den Fragen seiner Aufsichtsräte stellen. Sie wollen seinen Spielraum begrenzen.
Düsseldorf Der größte europäische Autohersteller Volkswagen will am heutigen Donnerstag zentrale Punkte aus seiner Planung für die kommenden fünf Jahre vorlegen. Vorangehen soll eine Sitzung des Aufsichtsrats. Eigentlich waren die Ergebnisse bereits für Mitte November geplant gewesen. Doch weiterer Beratungsbedarf zu manchen Investitions- und auch Führungsfragen verzögerte den Ablauf, sodass ein ergänzender Termin angesetzt werden musste.
Vor allem die Personalie Herbert Diess sorgte zuletzt für reichlich Aufregung: Erst ließ der Vorstandschef intern den Abbau von bis zu 35.000 Arbeitsplätzen im Stammwerk Wolfsburg durchspielen, dann beklagte er sich im Aufsichtsrat darüber, dass seine Pläne auf Kritik stießen. Gleichzeitig lobte Diess den US-Konkurrenten Tesla über den grünen Klee. Im Zuge dessen überwarf sich Diess mit dem mächtigen Betriebsrat und musste zwischenzeitlich sogar um seinen Job fürchten.
Die Wogen haben sich zuletzt wieder etwas geglättet, eine Ablösung des Konzernchefs steht inzwischen nicht mehr zur Debatte. Die Kompromisslösung beinhaltet jedoch personelle Veränderungen im Konzernvorstand, die der Aufsichtsrat an diesem Donnerstag voraussichtlich beschließen wird. Dadurch verliert Diess eine ganze Reihe von operativen Zuständigkeiten. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum heutigen Tag:
Normalerweise ist die Aufsichtsratssitzung zur Investitionsplanung von Volkswagen eine Routinesache. Warum ist sie in diesem Jahr so wichtig?
In diesem Jahr geht es nicht nur um Investitionen, neue Modelle und die künftige Werkebelegung von weltweit mehr als 120 Produktionsstätten. Dieses Mal gibt es auch eine intensiv geführte Personaldebatte, die sich vor allem auf eine einzelne Person bezieht, nämlich auf Konzernchef Herbert Diess. In der Diskussion der vergangenen Wochen hatte die bei Volkswagen so wichtige Arbeitnehmerseite die weitere Zusammenarbeit mit Diess infrage gestellt. Eine Zeit lang war sogar unklar, ob sich der Vorstandsvorsitzende an der Konzernspitze würde halten können.
Was hat den Konflikt ausgelöst?
Im September hatte Diess an den Arbeitnehmern und am Aufsichtsrat vorbei durchrechnen lassen, ob sich die Zahl der Beschäftigten am Stammsitz in Wolfsburg halbieren lasse. Aktuell arbeiten in der Konzernzentrale gut 60.000 Menschen, davon etwa 13.000 in der Produktion. Diess hatte in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass Volkswagen unbedingt produktiver werden müsse, um gegen neue Mitbewerber wie Tesla dauerhaft bestehen zu können.
Warum waren die Arbeitnehmer so aufgebracht?
Den Betriebsrat erzürnte besonders, wie Diess das Thema eines möglichen einschneidenden Stellenabbaus aufbrachte – hinter seinem Rücken und ohne offene Kommunikation. Die Arbeitnehmervertreter sprachen von einem Vertrauensbruch. Der Konzernchef könne mit seinen Betriebsräten so nicht umgehen. Die Betriebsräte fühlten sich erst recht hintergangen, weil sie im Sommer einer Vertragsverlängerung für Diess bis 2025 zugestimmt hatten.
Lesen Sie mehr zum Thema Volkswagen:
- Das Protokoll der Wut: Wie Herbert Diess die Führungskrise bei VW auslöste
- 160 Milliarden Euro für fünf Jahre: Volkswagen investiert massiv in neue Werke und Modelle
- Machtverschiebung bei Volkswagen: So soll die Lösung im Streit um Herbert Diess aussehen
Welche Entscheidungen sind nun am Donnerstag vom Aufsichtsrat zu erwarten?
Die Wogen haben sich in den vergangenen Wochen wieder etwas geglättet. Die Sitzung des Aufsichtsrats setzt auch nur den Schlusspunkt unter eine ganze Reihe von Treffen zwischen Anteilseignern, Arbeitnehmervertretern und dem Management. Bei diesen Verhandlungen haben sich beide Seiten wieder angenähert – eine Ablösung des Konzernchefs steht nun nicht mehr zur Debatte. In Sachen Diess muss der Aufsichtsrat formal überhaupt nichts beschließen, da es einen bestehen Vertrag mit ihm gibt. Vielleicht wird eine öffentliche Aufforderung an Diess ergehen, in der er zu einer offenen Kommunikation mit dem Aufsichtsrat angehalten wird.
Bei Volkswagen wird es also mit Herbert Diess weitergehen. Ist am Donnerstag dann noch mit anderen Entscheidungen zu rechnen?
Die Arbeitnehmerseite stimmt zwar einer Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Diess zu, verlangt aber weitere Garantien. „Sicherheitsvorkehrungen“ wäre ein anderes Wort dafür. Der Vorstandschef soll nicht mehr so walten und gestalten können wie in der Vergangenheit. Er soll sich stärker aus dem operativen Geschäft zurückziehen und sich künftig vor allem verstärkt um die Konzernstrategie kümmern. Der weitere Aufbau der eigenen Softwaretochter gehört beispielsweise dazu.
Wie wird dieses Ziel erreicht?
In erster Linie durch personelle Veränderungen im Konzernvorstand, die der Aufsichtsrat an diesem Donnerstag voraussichtlich beschließen wird. Herbert Diess verliert eine ganze Reihe von operativen Zuständigkeiten. Diese Aufgaben werden dann von neuen Vorstandsmitgliedern übernommen. Das oberste Führungsgremium des VW-Konzerns wird dadurch also um einiges größer. Die wichtigste Veränderung dürfte die Berufung von Ralf Brandstätter zum neuen Chinachef sein, bislang Vorstandsvorsitzender der Marke Volkswagen Pkw. Die Wolfsburger haben erhebliche Probleme in der Volksrepublik, deshalb wird ein Hochkaräter wie Brandstätter nach China entsandt. Er soll die Geschäfte dort wieder in Ordnung bringen.
Wird nach dieser Aufsichtsratssitzung wieder Ruhe bei Volkswagen einkehren?
Es ist unmöglich, dazu bei Volkswagen eine seriöse Aussage zu machen. Nach der Vertragsverlängerung von Herbert Diess im vergangenen Sommer hatte eigentlich fast jeder gedacht, dass damit dauerhaft der Friede in Wolfsburg ausgerufen würde. Doch die vergangenen Wochen haben mit aller Deutlichkeit das Gegenteil bewiesen. Zum Managementstil von Diess gehört die Provokation. Er vertritt die Ansicht, dass die aus seiner Sicht nötigen Fortschritte manchmal nur dann erreicht werden können, wenn am Anfang eine größere Konfrontation steht.
Wie sieht das die Arbeitnehmerseite?
Natürlich würden die Arbeitnehmer dem sofort widersprechen. Sie verlangen mehr Kooperation von Betriebsrat und Management. Herbert Diess arbeitet seit mehr als sechs Jahren für Volkswagen – und immer wieder hat es unter seiner Führung gekracht. Die jüngste Auseinandersetzung war extrem schwierig und hart. Die Entscheidung über den Investitionsplan ist deswegen sogar um einige Wochen verschoben worden. So etwas hat es in der Vergangenheit noch nicht gegeben. Viele in Wolfsburg glauben, dass Diess einen weiteren solch schwerwiegenden Konflikt nicht mehr überstehen würde.
Stehen Investitionsentscheidungen am Donnerstag trotzdem noch auf dem Programm?
Ein Investitionsvolumen von etwa 160 Milliarden Euro muss verabschiedet werden. Der Konzern wartet auf diese Entscheidungen, damit die Zukunftsplanungen für das gesamte Unternehmen fortgesetzt werden können. In Wolfsburg beispielsweise soll eine komplett neue Autofabrik errichtet werden, in der Volkswagen von 2026 an die moderne Elektromodellreihe der „Trinity“-Serie produzieren will. Allein dieses Werk kostet gut eine Milliarde Euro.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Diskussion um Herbert Diess und der Investitionsplanung?
Auf den ersten Blick waren die Themen klar getrennt, dazu hat es auch unterschiedliche Verhandlungsrunden gegeben. Die Arbeitnehmerseite muss sich bei den Investitionen sicherlich nicht als Verlierer fühlen. Mit der Diskussion um den Konzernchef hatte sie ein zusätzliches Druckmittel in der Hand, um in der Investitionsplanung noch etwas mehr herauszuholen als üblich.
Mehr: 160 Milliarden Euro für fünf Jahre: Volkswagen investiert massiv in neue Werke und Modelle
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.