Volkswagen-Konzern Seat fordert Staatshilfen für Elektroauto-Produktion in Spanien

Der spanische König stattet der VW-Tochter eine Visite ab: Konzernchef Herbert Diess (zweiter von links) erklärt dem Monarchen Felipe IV. (rechts) neue Seat-Modelle.
Madrid, Düsseldorf Seat-Chef Wayne Griffiths macht keinen Hehl daraus, welche Bedeutung die spanische VW-Tochter seiner Meinung nach für die viertgrößte Volkswirtschaft in Europa hat. „Vor 70 Jahren haben wir dieses Land auf Räder gestellt“, sagt er mit Blick auf die Gründung der Autofabrik, die damals noch gar nicht zum VW-Konzern gehörte. „Jetzt wollen wir es auf elektrische Räder stellen.“
Die Nachricht, die er damit am Montag bei der Vorlage der Jahresergebnisse transportieren wollte, ist klar: Spanien braucht Seat. Deshalb soll Madrid die spanische VW-Tochter mit einer Milliardensumme beim Aufbau einer Produktion für Elektroautos in der katalanischen Fabrik in Martorell unweit von Barcelona unterstützen. „Das Projekt steht am Startblock und seine Ausführung hängt von einem klaren Bekenntnis der spanischen Regierung und der EU-Kommission ab“, sagte Griffiths.
Spanien gehört zu den Ländern, die am stärksten von der Coronakrise betroffen sind. Das Land erhält deshalb 140 Milliarden Euro aus dem Wiederaufbaufonds der EU – die zweithöchste Summe nach Italien. Zahlreiche Konzerne buhlen derzeit um diese Gelder.
Fließen die gewünschten Subventionen, will Seat in Martorell vom Jahr 2025 an jährlich mehr als 500.000 Elektroautos produzieren – und zwar nicht nur der eigenen Marke, sondern auch für Schwestermarken des Konzerns wie VW, Skoda und wahrscheinlich auch Audi.
Diese elektrischen Stadtautos sollen zwischen 20.000 und 25.000 Euros kosten und sind „wichtig, um die Elektromobilität für die Masse zugänglich zu machen“, sagte Griffiths. Von der Größe her dürften sich diese neuen E-Autos etwa an einem VW Polo orientieren. Bislang wird dieses Einstiegssegment bei vollständig batteriebetriebenen E-Autos von den wenigsten Fahrzeugherstellern besetzt, auch vom Volkswagen-Konzern nicht.
Hohe Subventionen für VW in Osteuropa
„Als zweitgrößter Autoproduzent in Europa hat Spanien eine große Verantwortung dafür, die Ziele des Green Deals bis 2030 zu erreichen“, sagte Griffiths. Um den gesetzten Zeitplan einhalten zu können, müsse eine Entscheidung über eine Subventionierung durch den Staat noch in diesem Jahr fallen. Mit dem Green Deal hat die EU künftige Kohlendioxid-Vorgaben noch einmal verschärft. Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen um 55 Prozent reduziert werden (Ausgangsbasis: 1990).
Zum Umfang der erwarteten staatlichen Hilfe wollte Griffiths keine Angaben machen. VW-Chef Herbert Diess hatte in der vergangenen Woche gesagt, dass der Umbau von Martorell für die Produktion von Elektroautos etwa 2,5 Milliarden Euro kosten werde. Er machte auch klar, dass er in Spanien ähnlich hohe Subventionen erwarte wie an anderen möglichen Standorten.
In Osteuropa bekomme Volkswagen 30 bis 35 Prozent für ähnliche Investments von öffentlicher Seite, so Diess. Legt man den Anteil für die geplanten Umbaukosten in Martorell zugrunde, würde Seat von Spanien voraussichtlich Subventionen in Höhe von rund 800 Millionen Euro erwarten. Ein Konzernsprecher wollte die Zahlen auf Nachfrage nicht bestätigen.
Zudem plant Seat auch eine Fabrik für Batteriezellen. Dieses Werk würde nach Angaben der spanischen Industrieministerin Reyes Maroto rund fünf Milliarden Euro kosten. Maroto hatte Anfang März angekündigt, dass Spanien dafür EU-Fonds einsetzen werde, um eine Public-private-Partnership mit Seat und dem spanischen Energieversorger Iberdrola für den Bau dieser Batteriezellenfabrik zu gründen.
Spanien plant, für jeden Euro öffentlichen Geldes vier Euro von privaten Investoren zu mobilisieren. Das würde bedeuten, dass der spanische Staat die Batteriefabrik mit einer Milliarde Euro subventioniert.
Diess trifft sich mit dem spanischen König
In VW-Kreisen heißt es jedoch, die Entscheidung für einen Standort der Batteriefabrik sei noch gar nicht gefallen. VW wolle eine von insgesamt sechs europäischen Batteriefabriken zwar in Südeuropa bauen – das könne aber genauso in Portugal oder in Frankreich sein. Auch aus größerer Entfernung ließen sich die Autowerke des VW-Konzerns in Spanien mit Batteriezellen beliefern. Außer in Martorell ist VW noch mit einer Fabrik in Pamplona im Norden des Landes vertreten.
So oder so scheint Seat auf die Unterstützung des spanischen Staates zählen zu können. In den vergangenen Wochen haben Treffen auf allerhöchster Ebene stattgefunden. VW-Chef Diess traf sich vor drei Wochen zum 70-jährigen Seat-Jubiläum mit dem spanischen König sowie Ministerpräsident Pedro Sánchez in Martorell.
„Das Projekt, die Produktion des kleinen Elektrofahrzeugs für den gesamten Volkswagen-Konzern in Spanien zu lokalisieren, ist zweifelsohne eine großartige Nachricht“, sagte dabei König Felipe IV. Nach dem Tourismus ist die Autobranche der zweitgrößte Wirtschaftszweig in Spanien, er trägt zehn Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei.
Doch die Entscheidung über eine Förderung liegt nicht allein bei Spanien. Auch die EU muss solchen Projekten zustimmen. In Kreisen von VW ist zu hören, dass es dabei derzeit noch hakt. Für neue Autofabriken ist es vergleichsweise einfach, staatliche Hilfen zu bekommen. So wird auch die gerade entstehende Tesla-Fabrik in Berlin öffentlich gefördert. Fördermittel für bestehende Werke zu bekommen, die umgebaut und modernisiert werden sollen, ist hingegen schwieriger.
Mehr: Wettlauf um die Batterie: VW baut sechs eigene Batteriezellwerke in Europa auf.
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Und immer wieder der Ruf der Automobilindustrie nach noch mehr Subventionen, begründet mit den Subventionen, die man in anderen Teilen der EU bekommt. Dem Ruf folgen die willfährigen Industriepolitiker natürlich gern. Die Subvention nährt die Subvention und die Populisten können Punkten. Der Steuerzahler steht mit seinen viel zu hohen Abgaben ja gern dafür ein. Nur wettbewerbsfähiger ist die EU mit diesem Unsinn in den letzten Jahrzehnten nicht geworden. Sie gehört trotz großer Gesten zu den wachstumsschwächsten Regionen der Erde.