Volkswagen und Dieselgate: US-Bundesstaat verhängt Millionenstrafe gegen VW
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Volkswagen und DieselgateUS-Bundesstaat verhängt Millionenstrafe gegen VW
Wer dachte, VW habe den Abgas-Skandal mit dem Milliardenkompromiss in den USA hinter sich gebracht, liegt falsch. Einige Bundesstaaten gehen weiter gegen den Konzern vor. VW plant derweil eine Personaloffensive.
29.07.2016Update: 29.07.2016 - 19:11 Uhr
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VW-Händler in den USA
Der US-Bundesstaat Washington hat gegen den Autobauer eine weitere Umweltstrafe verhängt.
Frankfurt Europas größter Autobauer Volkswagen zeigt sich enttäuscht über die Welle weiterer Klagen von US-Bundesstaaten gegen den Konzern. Die Wolfsburger stehen nach monatelangem Ringen kurz vor der Genehmigung eines Milliardenvergleichs im Abgas-Skandal in den USA - doch nun klagen einzelne Staaten mit anders gelagerten Vorwürfen weiter. Zudem wurde bekannt, dass VW wegen der Affäre um manipulierte Emissionswerte auch großen Personalaufwand in den USA betreiben wird. Auch in Deutschland droht weiteres Ungemach.
„Es ist bedauerlich, dass ein paar Staaten entschieden haben, jetzt Umweltschutzklagen zu erheben, ungeachtet ihrer früheren Unterstützung des laufenden gemeinschaftlichen Verfahrens der Staaten“, sagte ein VW-Konzernsprecher am Freitag in Wolfsburg.
Europas größter Autobauer hatte sich erst Ende Juni mit Hunderten US-Klägern sowie den Generalstaatsanwälten von 44 US-Bundesstaaten auf einen Vergleich von insgesamt bis zu 15,3 Milliarden Dollar geeinigt. Mit dem Vergleichsentwurf sollen auch Klagen von US-Bundesstaaten wegen Verstößen gegen Verbraucherschutzvorschriften abgewickelt werden. Danach reichten jedoch bereits die Staaten New York, Maryland und Massachusetts neue Klagen gegen VW ein - diesmal wegen Verstößen gegen Umweltschutzregeln.
In der Nacht zum Freitag wurde bekannt, dass auch der Staat Washington eine Strafe über 176 Millionen Dollar (derzeit etwa 159 Mio Euro) gegen den deutschen Autobauer verhängte, um ihn für umweltrechtliche Verstöße zur Rechenschaft zu ziehen. „Volkswagen hat die Luftreinhaltegesetze unseres Staates verletzt und die Gesundheit der Menschen gefährdet“, erklärte die Leiterin des Umweltamts Washington (Department of Ecology), Maia Bellon. Die Strafe kann binnen 30 Tagen angefochten werden.
Motoren, Modelle und Marken im VW-Abgas-Skandal
Laut VW ist der Dieselmotor mit der Bezeichnung EA 189 Kern des Problems. Er wurde bei etlichen Marken eingesetzt, erfüllt die EU-Abgasnorm Euro 5 und wird mit 1,2, 1,6 und 2,0 Litern Hubraum angeboten. Betroffen vom Stickoxid-Skandal sind die Baujahre 2009 bis 2014.
Schon ab dem 29. Februar sollte eigentlich der Rückruf der großen 2,0-Liter-Antriebe mit Varianten des Passat und Audi A4 anlaufen, zuvor hatte die Aktion für den Pick-up Amarok begonnen. Für den A4 mit Schaltgetriebe gab es – ebenso wie für den A5 und Q5 sowie den Seat Exeo mit gleichem Motor – bereits die Genehmigung des Kraftfahrt-Bundesamts. Für Passat, CC und Eos liegt sie nun auch vor.
Zum kleinen 1,2-Liter-Motor hatte VW in einem Kundenbrief zunächst einen Beginn der Werkstatt-Aktionen ab dem 30. Mai angekündigt. Dieser Teil werde aber erst „verzögert anlaufen“, hieß es jetzt. Die mittelgroßen 1,6-Liter-Aggregate sollten laut bisheriger Planung ab dem 5. September zurück, dabei soll neben einem Software-Update ein Bauteil eingesetzt werden. In den USA sind auch 3,0-Liter-TDI-Autos unterwegs, die ein nach US-Recht verbotenes Programm enthalten.
Bei der Kernmarke VW-Pkw sind unter anderem der Golf der sechsten Generation, der Passat der siebten Generation und der Tiguan der ersten Generation betroffen.
Die Software steckt auch in Modellen der Reihen A1, A3, A4 und A6 sowie Q3 und Q5 der Oberklasse-Tochter Audi.
Dieselmotoren, die bei Skoda und Seat verwendet wurden, fallen ebenfalls unter den Abgas-Skandal. Bei den leichten VW-Nutzfahrzeugen sind ältere Ausgaben des Caddy und Amarok betroffen. Die in den USA unzulässige Software der 3-Liter-Diesel findet sich im VW Touareg und Porsche Cayenne sowie in den Audi-Modellen Q5, Q7, A6, A7 und A8.
VW-Chef Matthias Müller gab im vergangenen Oktober an, dass weltweit rund 5 Millionen Autos der Hauptmarke VW-Pkw von der Affäre betroffen sind. Hinzu kommen etwa 2,1 Millionen Audis, 1,2 Millionen Skodas, 700.000 Seats sowie 1,8 Millionen leichte Nutzfahrzeuge.
Volkswagen werde die Klageschriften prüfen und zu gegebener Zeit antworten, kündigte der Konzernsprecher am Freitag an. Für VW bergen die neu angemeldeten Regressforderungen hohes Risiko - weitere Millionenzahlungen könnten weitere US-Regulierer ermutigen, ebenfalls noch zusätzliche Ansprüche anzumelden. Und aus dem Schneider ist der Konzern in den USA ohnehin noch lange nicht, nach wie vor laufen strafrechtliche Ermittlungen wegen möglicher krimineller Vergehen im Zusammenhang mit dem Abgas-Skandal.
Unterdessen braucht VW bei der Bewältigung des Milliarden-Vergleichs zur Beilegung der US-Zivilklagen mehrere Hundert zusätzliche Helfer und Mitarbeiter. VW-Anwältin Sharon Nelles hatte dies bereits am 26. Juli bei der letzten Anhörung vor dem zuständigen US-Gericht in San Francisco erklärt, wie aus einem Protokoll der Konferenz hervorgeht. Eine VW-Sprecherin erläuterte die Pläne nun: Zusätzlich zu 40 bei VW angestellten Vollzeitkräften, die sich ausschließlich dem Vergleich widmen, werden demnach mindestens weitere 500 Helfer benötigt.
250 von ihnen sollen den Auftrag erhalten, die betroffenen Kunden zu unterstützen und die Schadensersatzansprüche zu bearbeiten. Zudem sollen sie technischen Support wie die Lieferung von Ersatzteilen, die für die Umrüstungen der Fahrzeuge benötigt werden, für VW-Autohändler leisten. 101 solcher Hilfskräfte seien bereits verpflichtet worden. Darüber hinaus brauche man etwa 250 Spezialisten, die beim geplanten Rückkaufprogramm für betroffene Dieselwagen und der Betreuung von Leasing-Nehmern assistieren.
Zuerst hatte „Spiegel Online“ über die geplante Personaloffensive berichtet.
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) lässt derweil auch nach der Hauptversammlung nicht von der Forderung nach weiteren Untersuchungen ab und will diese nun gerichtlich durchsetzen. Eine „unabhängige Sonderprüfung“ zur Aufarbeitung der Affäre um Millionen manipulierte Dieselwagen sei nach wie vor nötig, erklärte DSW-Präsident Ulrich Hocker in Düsseldorf. „Deshalb werden wir die Sonderprüfung jetzt gerichtlich durchsetzen.“ Ein entsprechender Antrag hatte beim Aktionärstreffen von Volkswagen am Mittwoch in Hannover keine ausreichende Unterstützung erhalten.