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Vor Grammer-Hauptversammlung Prevent fährt neue schwere Geschütze auf

Der bayerische Autozulieferer will sich nicht vom deutsch-bosnischen Konkurrenten Prevent schlucken lassen. Auf der Hauptversammlung droht der Showdown. Papiere aus der Vergangenheit kommen plötzlich ans Tageslicht.
16.05.2017 - 13:16 Uhr Kommentieren
Tausende von Beschäftigten des Autozulieferers sind für die Eigenständigkeit des eigenen Unternehmens auf die Straße gegangen. Quelle: dpa
Grammer-Beschäftigte protestieren gegen Prevent

Tausende von Beschäftigten des Autozulieferers sind für die Eigenständigkeit des eigenen Unternehmens auf die Straße gegangen.

(Foto: dpa)

Düsseldorf Amberg ist eine beschauliche Kreisstadt in der Oberpfalz. Bekannt ist der Ort vor allem wegen seiner mittelalterlichen Bauten, Amberg zählt zu den am besten erhaltenen Städten Europas. Für die knapp 50.000 Einwohner geht es dort in aller Regel ruhig und gelassen zu; Nürnberg, die nächste Großstadt, ist rund 60 Kilometer entfernt.

Doch seit ein paar Wochen ist es mit der Beschaulichkeit vorbei. Die Sorge geht um, dass beim Autozulieferer Grammer viele Arbeitsplätze gestrichen werden könnten. Zumal Siemens, der andere große Arbeitgeber in dem kleinen Städtchen, auch gerade erst einen Stellenabbau verkündet hat.

Grammer ist für Amberg ein Riese. 12.000 Mitarbeiter hat das Unternehmen, das sich auf Autositze und auf die Inneneinrichtung von Fahrzeugen spezialisiert hat. Der Jahresumsatz liegt bei 1,7 Milliarden Euro, für die Stadt ist das Unternehmen damit ein extrem wichtiger Gewerbesteuerzahler.

In der kommenden Woche steht Grammer und Amberg der große Showdown bevor. Auf der Hauptversammlung kommt es zur entscheidenden Auseinandersetzung zwischen dem Grammer-Vorstand und der von der Hastor-Familie geführten Prevent-Gruppe, die mit einem Anteil von mehr als 20 Prozent zum wichtigsten Anteilseigner des nordbayerischen Zulieferers aufgestiegen ist. Prevent hat einen umstrittenen Ruf. Spätestens seit dem vergangenen Jahr ist die Gruppe bundesweit bekannt, als sich das Unternehmen mit dem Volkswagen-Konzern anlegte, die Belieferung einstellte und so in einigen Werken für einen tagelangen Produktionsstopp sorgte.

Prevent will bei Grammer aufräumen, hält das Unternehmen für schlecht geführt und will deshalb den Vorstand und fast den kompletten Aufsichtsrat von der Hauptversammlung ablösen lassen. Das könnte Arbeitsplätze kosten. Angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse auf dem Aktionärstreffen kann die Hastor-Familie sogar Erfolg haben: Gute 20 Prozent reichten in der Vergangenheit auf Grammer-Hauptversammlungen schon manchmal aus, um einzelne Beschlüsse mehrheitlich durchzudrücken.

Das Grammer-Management wehrt sich gegen den Prevent-Vorstoß. Der Sitze-Spezialist aus der Oberpfalz sei sehr wohl gut geführt, die an diesem Montag präsentierten Quartalszahlen sollen das belegen. In den ersten drei Monaten sei der Konzernumsatz um 7,5 Prozent auf 458,0 Millionen Euro (Vorjahr: 425,9) gestiegen. Zudem habe der Vorstand die operative Rendite innerhalb eines Jahres von 3,5 auf 4,9 Prozent steigern können. Für die Ergebnissteigerung seien insbesondere zusätzlich eingeleitete Schritte zur Optimierung und zur Kostensenkung verantwortlich.

Gräben sind tief

Der Zulieferer beweise damit, dass das Unternehmen seine Rendite kontinuierlich verbessere. Anfang des Monats hatte Grammer-Vorstandschef Hartmut Müller in einem Gespräch mit dem Handelsblatt schon das erste Mal den Prevent-Vorwurf zurückgewiesen, das Unternehmen wirtschafte nicht ordentlich genug. Die Rendite sei vergleichsweise normal, eine Spitzenleistung werde angestrebt. „Die Investmentbank Morgan Stanley hat uns mit direkten Rivalen verglichen: Die erreichen im Mittel 4,7 Prozent Rendite. Wir hatten zuletzt 4,3 Prozent und peilen für 2017 rund fünf Prozent an. 2022 wollen wir sieben Prozent“, rechtfertigte sich Müller.

Die Gräben zwischen dem Grammer-Vorstand und dem neuen Hauptgesellschafter Prevent scheinen unüberwindlich. Ein in der vergangenen Woche von der bayerischen Landesregierung angesetztes Krisentreffen ging ergebnislos zu Ende. Damit scheint die offene Konfrontation auf der Hauptversammlung in der kommenden Woche unvermeidlich.

Prevent hat zuletzt weitere schwere Geschütze aufgefahren. Jetzt heißt es bei der deutsch-bosnischen Zulieferergruppe sogar, dass es bei Grammer eine „eindeutige und schwerwiegende Gesetzesverletzung“ gegeben habe. So steht es zumindest in einem Prevent-Gegenantrag für das Aktionärstreffen, mit dem die Entlastung des Grammer-Aufsichtsrates verhindert werden soll und den das Handelsblatt eingesehen hat.

Ausgangspunkt ist eine Entscheidung des Aufsichtsrates vom Januar dieses Jahres. Das oberste Kontrollgremium hatte damals eine neue sogenannte „Change-of-Control“-Regel beschlossen. Diese Regelung sorgt dafür, dass die Grammer-Vorstände mit einer Abfindung rechnen können, sollte bei dem Oberpfälzer Zulieferer ein Großaktionär wie Prevent die Kontrolle übernehmen, der von Vorstand und Aufsichtsrat aber abgelehnt wird. „Die Abfindung beträgt 3 Jahresgesamtvergütungen“, steht im Protokoll der entscheidenden Aufsichtsratssitzung, das das Handelsblatt ebenfalls eingesehen hat.

Für die Prevent-Gruppe rückt diese Entscheidung in die Nähe der Untreue. Grammer dürfe seinen Vorständen keine Sonderzahlung einräumen, nur weil ein unliebsamer Großaktionär vor der Tür stehe. „In Wirklichkeit diente die Ergänzung der Anstellungsverträge ausschließlich dazu, den Mitgliedern des Vorstandes eine großzügige Abfindung (…) zu verschaffen“, heißt es in der Begründung des Gegenantrages für die Hauptversammlung.

Grammer hat eine große Zahl an Unterstützern

Solche Klauseln sind in Vorstandsverträgen von Unternehmen zwar durchaus nichts Ungewöhnliches. Grammer verteidigt sich auch damit, dass die Regelung gesetzeskonform und marktüblich sei. Die Regeln für gute Unternehmensführung, der sogenannte „Corporate-Governance-Kodex“, würden zudem damit eingehalten. Ältere Regelungen aus der Vergangenheit seien mit der Neufassung vom Januar lediglich aktualisiert worden. Kein Wort fällt in Amberg darüber, dass der Zeitpunkt dieser Änderung vielleicht doch etwas mit dem Einstieg der Familie Hastor zu tun haben könnte.

Noch ist die Hoffnung groß, dass der Grammer-Vorstand den Vorstoß der Prevent-Gruppe in der kommenden Woche abwehren kann. Immerhin kann Vorstandschef Müller auf eine große Zahl von Unterstützern bauen. Stadt, Land und IG Metall stehen sowieso auf seiner Seite. Doch inzwischen haben sich auch wichtige sogenannte „Proxy Advisors“ dafür ausgesprochen, die Anträge der Prevent-Gruppe auf der Hauptversammlung abzulehnen. Proxy Advisors haben großen Einfluss auf solchen Eignertreffen, weil sie vor allem institutionelle Investoren beraten.

Auch auf die Kleinaktionäre kann Grammer zählen. Deren Interessenvertretung DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz) hat bereits in der vergangenen Woche angekündigt, dass sie sich „klar gegen den Aggressor stellt“. DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler hält die Forderungen der Prevent-Gruppe für „unsachlich und inhaltlich nicht nachvollziehbar“.

Im beschaulichen Amberg dürfte es in der kommenden Woche also wahrscheinlich eine aufregende Hauptversammlung bei Grammer geben. Wobei die meisten beteiligten Akteure wohl darauf setzen, dass in dem kleinen Städtchen ganz schnell wieder die gewohnte Beschaulichkeit einzieht.

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