VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh: „Es geht auch um soziale Kompetenz“
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VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh„Es geht auch um soziale Kompetenz“
VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh spricht im Handelsblatt-Interview Klartext: über Mitbestimmung in Krisenzeiten, seinen Krach mit Markenvorstand Diess und die Frage, wie viel Boni sich die Führung des Autokonzerns gönnen soll.
WolfsburgBernd Osterloh gilt mal als Co-Manager des VW-Vorstands, mal als dessen schärfster Kritiker. Die Titel mögen wechseln, was bleibt ist der Anzug, auf den er selbst bei Besuchen in den Werkshallen nicht verzichtet. Die Interessen der Mitarbeiter vertritt er mit Wortgewalt. Im Interview wird aber deutlich, dass er immer auch ein gewiefter Taktiker ist.
Herr Osterloh, Sie sind Betriebsratschef von VW und zugleich Mitglied im mächtigen Aufsichtsratspräsidium von VW. Sind Sie Teil der Lösung oder Teil des Problems, was die vielen Baustellen des Konzerns angeht? Wie ist denn Ihr Eindruck?
Wir hoffen, Sie wollen Lösungen. Davon können Sie ausgehen, auch wenn ich in der Berichterstattung über VW manchmal den Eindruck gewinne, Mitbestimmung werde als eines der Probleme und nicht als Teil der Lösung gesehen. Da fallen mir schon ein paar Themen ein, die eher das Problem sind.
Die Mitbestimmung wollen wir nicht infrage stellen. Das freut mich. Lassen Sie mich kurz sagen, warum: Als uns der damalige Vorstandschef Martin Winterkorn im Jahr 2014 erklärte, dass der Konzern fünf Milliarden Euro Ergebnisverbesserung braucht, hat sich der Betriebsrat sofort an die Arbeit gemacht. Für solche Aufgaben brauchen wir nämlich keine teure Unternehmensberatung. Wir haben die Belegschaft gebeten, Vorschläge zur Effizienzsteigerung zu machen. Noch im gleichen Jahr hatten wir ein Paket mit Vorschlägen von über drei Milliarden Euro zusammen getragen ...
... an Sparmöglichkeiten … … an Ideen zur Produktions- und Effizienzsteigerung. Sparpläne könnten für den Kunden negative Folgen haben. Das will bei VW niemand. Selbst über Verbesserungen der Unternehmenskultur haben wir uns damals bereits weitreichende Gedanken gemacht. Vieles von dem, was jetzt im Zwölf-Punkte-Programm des neuen Marken-Vorstandes Herbert Diess steht, haben wir schon zu Papier gebracht.
Bernd Osterloh
Der gebürtige Braunschweiger ist seit zehn Jahren der oberste Vertreter der VW-Belegschaft. Als Vorsitzender des Konzernbetriebsrats verfügt der 59-Jährige über einen großen Einfluss auf die Firmenpolitik. Als Aufsichtsrat ist sein Votum bei Beförderungen und Investitionen oft entscheidend, als Betriebsrat macht sich der Familienvater für die Bedürfnisse der Arbeiter, aber auch einiger Manager stark.
Der gelernte Industriekaufmann sieht sich als Gestalter und nicht als Blockierer. „Wenn wir mit den roten Fahnen um die Fabrik ziehen, haben wir schon verloren“, ist einer seiner Sätze. In seiner Freizeit ist Osterloh begeisterter Fan des Fußballklubs Eintracht Braunschweig.
Mitbestimmung bedeutet auch: Über all die Boni- und Gagenprobleme, die Sie nun selbst mit kritisieren, müssen Sie als Mitglied des Aufsichtsrats frühzeitig Bescheid gewusst haben. Ich habe schon im Herbst gemahnt, dass der Konzernvorstand angesichts der vielfältigen Probleme durch die Dieselaffäre Maß halten möge. Verträge müssen natürlich eingehalten werden. Egal ob Tarif- oder Vorstandsverträge. Aber es geht hier auch um Moral. Ein Verzicht aus ethischen Gründen ist allerdings erst einmal eine freiwillige Entscheidung des Vorstandes.
Die Stimmung an Ihrer Basis hier in Wolfsburg hat das Boni-Gefeilsche jedenfalls nicht verbessert. Nein, ist doch klar. Die Kollegen finden es nicht spannend, wenn das tagelang durch die Medien geht. Dafür habe ich völliges Verständnis.
Erfüllt der vom Vorstand vorgestellte Boni-Plan Ihre moralischen Ansprüche? Matthias Müller hat genau wie ich früh gesagt, dass auch der Vorstand Signale setzen muss. Ich zähle da insbesondere auf ihn als Vorstandsvorsitzenden.
Sie haben im Kontrollgremium noch ein anderes Problem: Als Hans Dieter Pötsch sich von den VW-Eigentümerfamilien Porsche und Piëch überreden ließ, vom Posten des Finanzvorstands auf den des Aufsichtsratschefs zu wechseln, wurde ihm versprochen, dass er seinen Vertrag ausbezahlt bekommt. Das könnten 15 Millionen Euro oder mehr sein – in einer Zeit, in der viele VW-Arbeiter um ihre Jobs bangen. Der Vertrag von Herrn Pötsch wäre bis 2017 gelaufen. Und er ist gerade von der Anteilseignerseite gebeten worden, an die Spitze des Aufsichtsrats zu wechseln. Wir hätten ihn gerne an entscheidender Stelle im Vorstand gesehen.
Und für Pötsch gilt keine moralische Komponente? Doch, klar gibt es die. Und dessen war und ist sich Herr Pötsch zu jedem Zeitpunkt bewusst. Deshalb ist für ihn klar, dass er sich an den Beschlüssen des Vorstandes zur Boni-Frage orientiert.
Anfangs sah es nicht so aus, als sehe er da irgendeinen Handlungsbedarf. Mir gegenüber war er da früh klar. Er ist sich der Sensibilität des Themas bewusst.
Mal ehrlich: Wie oft haben Sie bei VW die Wahl zwischen Pest und Cholera? Zurzeit: jeden Tag.
In der Öffentlichkeit bleibt hängen: Haben die angesichts der Dieselaffäre keine anderen Probleme als ihre blöden Boni? Berechtigte Frage. Und ich sage Ihnen: Ich wäre weitaus glücklicher, wenn man das Thema schnell und ohne großes Theater hätte erledigen können. Uns geht es um VW. Wir entwickeln und bauen exzellente Fahrzeuge. Und ich würde mir wünschen, dass das wieder im Mittelpunkt steht.
Neben der Boni-Diskussion beherrscht Ihr zerrüttetes Verhältnis zum gerade erst angetretenen VW-Markenchef Diess die Schlagzeilen. Dabei wollen Sie doch beide das Unternehmen voranbringen, oder? Auch die Arbeitnehmerseite hat sich dafür ausgesprochen, dass Herr Diess hier einen Vertrag bekommt.
Umso verrückter, dass da nun zwei Lokomotiven aufeinander zurasen. Da kann ich Sie ausnahmsweise mal beruhigen: Zwischen Hannover und Berlin gibt es zwei Gleise. Da rast man entweder aneinander vorbei, oder man fährt mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten in die gleiche Richtung. Kollisionen müssen Sie nicht fürchten. In der Analyse und dem Ziel waren wir uns mit Herrn Diess durchaus einig.
Aber offenbar nicht im Weg dorthin. Das zeigt sich leider derzeit.