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VW-Chef Matthias Müller „Dieser Wahnsinn ist vorbei“

Volkswagen-Chef Matthias Müller diskutiert mit dem Vorsitzenden des VW-Nachhaltigkeitsrats, Georg Kell, über Geschwindigkeitsbegrenzungen, den Wandel zur E-Mobilität und drohende Fahrverbote in Städten.
10.12.2017 - 08:00 Uhr 3 Kommentare
Der VW-Chef und der Vorsitzende des Nachhaltigkeitsbeirat diskutieren im VW-Prototy „Sedrick“. Quelle: Dominik Butzmann für Handelsblatt
Matthias Müller und Georg Kell

Der VW-Chef und der Vorsitzende des Nachhaltigkeitsbeirat diskutieren im VW-Prototy „Sedrick“.

(Foto: Dominik Butzmann für Handelsblatt)

Berlin Volkswagen ist in Bewegung. Das erkennt man in diesen Tagen nicht nur an der Ausstellung zum Thema Nachhaltigkeit in der Berliner Repräsentanz an der Prachtmeile „Unter den Linden“. Man erkennt es auch daran, dass Konzernchef Matthias Müller zum Handelsblatt-Interview mit dem Zug von Wolfsburg nach Berlin gefahren ist. „Auf dieser Strecke ist die Bahn das beste Verkehrsmittel“, sagt Müller. Es ist das ungewöhnliche Bekenntnis eines Auto-Bosses. Im Gespräch mit Georg Kell, dem Vorsitzenden des konzerninternen Nachhaltigkeitsrats, überrascht der VW-Chef noch mit anderen Erkenntnissen.

Herr Müller, kurz nach Bekanntwerden der Dieselaffäre hat Volkswagen einen Nachhaltigkeitsbeirat mit prominenten Mitgliedern ins Leben gerufen. Wollten Sie so Ihr schlechtes Gewissen beruhigen?
Müller: Nein. Dem Eindruck muss ich entschieden widersprechen. Mir war von Anfang an klar, dass der Nachhaltigkeitsbeirat kein Feigenblatt sein darf. Entweder Volkswagen stellt sich dem Thema oder wir lassen es. Dennoch habe ich gestutzt, als ich die Liste mit den Namensvorschlägen für den Rat gesehen habe. Mein erster Gedanke war: „Das werden schwierige Diskussionen.“ Aber irgendwann waren meine Sorgen und Vorbehalte verflogen. Und heute kann ich aus Überzeugung und Erfahrung sagen: Der Nachhaltigkeitsbeirat bewegt den Vorstand von Volkswagen zum Umdenken.

Herr Kell, wie arbeitet der Beirat?
Kell: Die zehn Mitglieder des Nachhaltigkeitsbeirats treffen sich zwei- bis dreimal im Jahr mit dem Konzernvorstand. Wir machen ganz konkrete Vorschläge, was Umweltfragen und den Kulturwandel betrifft. Beispielsweise hat der Beirat in einem Brief an den Vorstand ein „Environmental Leadership Programm“ angeregt. Das wird jetzt gemeinsam ausgearbeitet. Im Unternehmen stehen uns alle Türen offen, wir können nachbohren und nachhaken.

„Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung auch in Deutschland irgendwann kommt. “ Quelle: Dominik Butzmann für Handelsblatt
VW-Chef Müller

„Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung auch in Deutschland irgendwann kommt. “

(Foto: Dominik Butzmann für Handelsblatt)

Nachhaltigkeit und Automobilindustrie, das klingt nach einem unlösbaren Widerspruch.
Kell: Das würde ich nicht so dramatisch sehen. Volkswagen war seinen Konkurrenten beim Thema Nachhaltigkeit schon früher recht weit voraus. Durch die Dieselaffäre sind diese Errungenschaften in den Hintergrund gerückt. Vielmehr ist der Eindruck entstanden, dass Volkswagen Recht und Gesetz beim Thema Umwelt nicht ernst nimmt.

Warum engagieren Sie sich trotzdem im Nachhaltigkeitsbeirat bei VW?
Kell: Die Dieselaffäre war wie ein Schock. Ich habe lange gezögert, beim Nachhaltigkeitsbeirat mitzumachen. Ich war ziemlich unsicher, ob Volkswagen gewillt ist, aus der Dieselaffäre die nötigen Schlüsse zu ziehen. Am Ende habe ich mich für eine Beteiligung entschieden, weil ich in der Arbeit des Nachhaltigkeitsrats eine riesige Chance sehe, Europas größtes Industrieunternehmen bei der Transformation in eine neue, bessere Zeit zu begleiten.

Wo gibt es Nachholbedarf?
Kell: Beispielsweise bei der Zusammenarbeit mit der Politik, etwa in Brüssel. Der klassische Lobbyismus über einen Industrieverband hat ausgedient. In einem solchen Verband ist meist nur ein Minimalkonsens unter allen Beteiligten möglich, wichtige Veränderungen kommen durch eine solche Organisation entweder nur zögerlich voran oder werden verschleppt.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Kell: Beim Thema Elektromobilität sollte Volkswagen selbstständiger agieren und selbstbewusster auftreten. Im Vergleich zur Konkurrenz investiert VW deutlich mehr in die Entwicklung der E-Mobilität, da kann der Konzern Standards setzen. Volkswagen könnte auch bei der Frage von Auto-Subventionen mutig vorangehen.

Sie meinen die Steuerbegünstigung von Diesel-Fahrzeugen?
Kell: Ja.

„Ich frage mich, warum der Diesel in den meisten Ländern Europas noch immer subventioniert wird und die Politik sich gleichzeitig wundert, warum der Absatz von Elektroautos nicht schnell genug vorankommt.“ Quelle: Dominik Butzmann für Handelsblatt
Nachhaltigkeitsbeirat Kell

„Ich frage mich, warum der Diesel in den meisten Ländern Europas noch immer subventioniert wird und die Politik sich gleichzeitig wundert, warum der Absatz von Elektroautos nicht schnell genug vorankommt.“

(Foto: Dominik Butzmann für Handelsblatt)

Sollte der Steuerbonus für Diesel abgeschafft werden?
Kell: So weit sind wir wohl noch nicht. Aber ich frage mich schon, warum der Diesel in den meisten Ländern Europas noch immer subventioniert wird und die Politik sich gleichzeitig wundert, warum der Absatz von Elektroautos nicht schnell genug vorankommt. Das ist der Ausdruck einer verfehlten Industriepolitik, die in Europa über Jahre betrieben worden ist.
Müller: Keine Frage, die steuerlichen Subventionen für den Diesel haben den Absatz von Diesel-Fahrzeugen in Deutschland erheblich erleichtert. Und an diese Steuererleichterungen haben sich alle gewöhnt – ob private oder gewerbliche Kunden. Mittlerweile bin ich aber davon überzeugt, dass wir Sinn und Zweck der Dieselsubventionen hinterfragen sollten. Wenn der Umstieg auf umweltschonende E-Autos gelingen soll, kann der Verbrennungsmotor Diesel nicht auf alle Zeiten weiter wie bisher subventioniert werden. Schrittweise sollte eine Umschichtung der Steuererleichterungen erfolgen, das Geld könnte sinnvoller in die Förderung umweltschonender Antriebstechniken investiert werden.

Plädieren Sie für ein Auslaufen oder gar ein Ende der begünstigten Diesel-Besteuerung?
Müller: Die Autoindustrie sollte diese Diskussion jedenfalls proaktiv mit der Politik führen. Mein Punkt ist: Wie fördern wir den technologischen Wandel, also den Systemwechsel zur E-Mobilität? Abstriche bei den Diesel-Subventionen, dafür Anreize für Elektroautos, wären jedenfalls das richtige Signal. Das würden wir aushalten, ohne gleich Existenzängste haben zu müssen.

Ein konkreter Termin für den Ausstieg aus der Verbrennungstechnologie könnte den Wandel zur E-Mobilität ebenfalls beschleunigen.
Kell: Der Wandel wird sich beschleunigen, wenn man die richtigen Produkte auf den Markt bringt und die passenden Anreizsysteme schafft, beispielsweise den Diesel nicht mehr subventioniert. Deshalb muss man eigentlich nicht über einen konkreten Zeitpunkt für den Ausstieg nachdenken.
Müller: Absolut. Wir brauchen die richtigen Anreizsysteme, die aufeinander abgestimmt sein müssen. Beispielsweise wird die Elektromobilität nur dann von den Autofahrern akzeptiert, wenn die dazugehörige Ladeinfrastruktur existiert – und zwar flächendeckend. Seit Monaten rufe ich der Politik immer wieder zu, dass wir bei diesem wichtigen Thema zusammenarbeiten müssen. Polemik hilft überhaupt nicht weiter. Autos abschaffen zu wollen, wie einige gefordert haben, hilft niemandem.

Herr Kell, auf deutschen Autobahnen herrscht grundsätzlich freie Fahrt ohne Geschwindigkeitsbegrenzung. Ist diese Form der Freiheit noch zeitgemäß?
Kell: Das ist ein sensibles Thema. Im VW-Beirat haben wir darüber noch nicht gesprochen. Ich bin aber davon überzeugt, dass diese deutsche Besonderheit in den nächsten Jahren verschwinden muss. Sicher, die Autobahnen tragen zu einem gewissen Grad zum deutschen Nimbus bei. Deutschland, das Autoland, das weltweit bewundert wird. Aber sind wir doch einmal ehrlich: In der Realität gibt es auf den meisten Autobahnen schon heute Beschränkungen.
Müller: Die Hauptsache ist doch, dass die Menschen auch künftig noch individuell mit dem Auto von A nach B fahren können. Also: Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung auch in Deutschland irgendwann kommt. Wobei das de facto vielfach ja schon der Fall ist.

Geschwindigkeitsbegrenzungen auf der Autobahn sorgen die Bürger deutlich weniger als Fahrverbote in Städten. Herr Müller, sehen Sie eine Chance, die Fahrverbote zu verhindern?
Müller: Politik und Automobilhersteller müssen alles unternehmen, um großflächige Fahrverbote zu verhindern. Die Folgen solcher Fahrverbote wären gravierend für den Standort Deutschland. Ich plädiere deshalb für die Einführung einer blauen Umwelt-Plakette – es muss nur richtig gemacht werden. Eine Plakette nur für Euro-6-Fahrzeuge wäre falsch. Denn es gibt Euro-5-Autos von Volkswagen, die sind sauberer als Euro-6-Modelle von Wettbewerbern. Die Vergabe der blauen Plakette sollte also an einen bestimmten Stickoxid-Grenzwert gebunden werden. Nur wer darunter liegt, dürfte dann auch künftig in Städte fahren.

„Absatzrekorde sagen noch nichts über den Erfolg aus“
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3 Kommentare zu "VW-Chef Matthias Müller: „Dieser Wahnsinn ist vorbei“"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Aus welchem Grunde sollte man hier noch 2000 Zeichen schreiben ? Das Apologetentum zieht sich wie ein roter Faden durch das kapitalistische Profitsystem. Zu diesen Apologeten zählt eben auch ein Herr Müller zusammen mit der abgelösten VW- Clique, die mit zweistelligen Millionenabfindungen für ihren Betrug belohnt wurde und heute ihren unentgeltlich angeeigneten Mehrwert weiter versilbern darf. Das ist demokratisch legitimiert durch den deutschen Wahlmichel. Und der kann höchstens nach Luft schnappen.
    Ansonsten ist den Ausführungen von Herrn Walde nichts hinzuzufügen ! Vielleicht nur so viel, daß
    der Glaube an Änderungen eine Luftblase ist !

  • VW - die Diesel-Betrugs-"Maffia" - will nun, dass die Dieselfahrer mehr Steuern zahlen sollen. Herr Vorstand Matthias Müller hätte eigentlich wichtiger Aufgaben wie gegen die Diesel Fahrer zu stänkern und zwar lt. SPIEGEL: „Volkswagen soll Militärdiktatur in Brasilien unterstützt haben“, hier kann er sich sicher sinnvoll einbringen. Frage braucht Deutschland eigentlich einen solchen Konzern? Aber zurück zum Diesel: Herr Vorstand Matthias Müller, wann erhalten eigentlich die europäischen vor allem die deutschen VW-Dieselbetrugsopfer von VW die gleichen Entschädigungen wie die in den USA??? Kein Wort dazu, warum? Nur weil VW keine sauberen Dieselmotoren entwickeln und fertigen kann sollen alle Dieselfahrer bluten! Steuern die geringer oder nicht erhoben werden sind keine Subvention. Im Gegenzug müssten die höheren Kfz-Dieselsteuern auf Benziner-Niveau reduziert werden, dann bleit vielleicht von 8 Mrd noch 1 Mrd € übrig. Das CO2-Ziel wird, wenn überhaupt, nur mit dem Diesel erreicht. Heutige E-Autos haben im gesamten einen höheren CO2 Verbrauch vor allem bei dem bisherigen Energiemix. Fr. Minister Hendrix hat die Katze ja aus dem Sack gelassen, für 42 Mio. E-Autos wäre gar kein Strom vorhanden, sondern für max. 21 Mio.-Autos und das ist nicht sicher: Also jedes 2-te Auto wird abgeschafft. Es werden sicher nicht die Autos der VW-Vorstände, sondern die der Arbeitnehmer sein. Mein Vorschlag, VW sollte das machen was sie am besten können, der Vorstand mit dem Betriebsrat nach Brasilien in zwielichtige Etablissement fliegen und sich aus den Automobilbau raus halten, ist halt nicht ihr Ding. Bis wann zahlt VW alle erhaltenen Subventionen zurück? Bis wann erfolgt ein Vorstandsbeschluss das VW zukünftig keine staatlichen Subventionen mehr annimmt?

  • Hier schadet Herr Müller wohl dem VW-Konzern mehr als mit dem Skandal selbst. Der Skandal hat nicht bewirkt, dass sich die Kunden von den Produkten (selbst in den USA war das zur temprorär) abwenden. Wenn Herr Müller jetzt fordert, den Diesel zu verteuern und langsam auslaufen zu lassen und eine blaue Plakette einzuführen, die viele Kunden, vorallem Pendler und Gewerbetreibende, aus den Städten ausschließt, werden ihm die Kunden das deutlich übler nehmen, als die gefälschten Abgaswerte, weil sie direkt betroffen werden.

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