VW-Hauptversammlung Wie Louise Kiesling im VW-Aufsichtsrat zwischen den Familien vermittelt

Die Aufsichtsrätin will sich auf dem virtuellen Aktionärstreffen von Volkswagen am Donnerstag wiederwählen lassen.
Düsseldorf Ihr Name gibt keinen Hinweis darauf, dass sie einer bekannten Familie mit viel automobilem Hintergrund entstammt. Louise Kiesling, vor wenigen Tagen 64 Jahre alt geworden, ist eine Textilunternehmerin aus Klosterneuburg, einer kleinen Stadt im Speckgürtel von Wien.
Der Blick auf die nahe Verwandtschaft macht da schon deutlicher, um wen es sich bei dieser Frau mit starkem Automobilbezug handelt. Sie ist die Tochter von Louise Daxer-Piëch, der Schwester des vor zwei Jahren verstorbenen VW-Patriarchen Ferdinand Piëch. Bei der Heirat hatte sie den Familiennamen ihres Ehemanns Andreas Kiesling angenommen.
Louise Kiesling ist also eine Vertreterin der Piëch-Seite im heute wahrscheinlich etwa 100 Köpfe zählenden Porsche-Piëch-Verbund. Und sie hat Einfluss, der bis nach Wolfsburg reicht. Denn seit 2015 sitzt sie als Familienvertreterin im Aufsichtsrat des Volkswagen-Konzerns. An diesem Donnerstag tritt sie zur Wiederwahl für fünf weitere Jahre an.
In den nächsten Jahren dürfte sich Louise Kiesling besonders um Elektromobilität, Digitalisierung und das autonome Fahren kümmern, die Megathemen der Autobranche. Im Aufsichtsrat unterstütze sie Konzernchef Herbert Diess und dessen Vorstandsteam auf dem eingeschlagenen Weg. „Immer mit dem Ziel, dass der Volkswagen-Konzern diese Schlüsseltechnologien beherrscht und seine starke Stellung in den wichtigsten Märkten der Welt hält und weiter ausbaut“, sagte sie dem Handelsblatt.
Das Thema Design hat Louise Kiesling während ihres beruflichen Lebens immer begleitet. Der Bezug zum Auto ist erst später dazugekommen, dann aber immer stärker. Zunächst hat sie Design in Wien studiert und später freiberuflich gearbeitet. Danach kam eine Tätigkeit beim bekannten Wiener Architekturbüro Coop-Himmelblau dazu, das unter anderem das markante EZB-Gebäude in Frankfurt entworfen hat. An Coop-Himmelblau hält Louise Kiesling immer noch eine Minderheitsbeteiligung.
Doktorarbeit in der Fachrichtung Automobil-Design
Mit 50 entscheidet sie sich, doch noch einmal an die Hochschule zurückzukehren. Am Royal College of Art in London schreibt sie ihre Doktorarbeit – in der Fachrichtung Automobil-Design. Es war prägend für das, was etwas später noch auf sie zukommen sollte.
Louise Kiesling war aber auch immer Unternehmerin. 2014 kaufte sie das insolvente österreichische Textilunternehmen Backhausen und versuchte mit der Traditionsfirma einen Neubeginn. Mit 55 Mitarbeitern ist Backhausen zwar klein, hat in Österreich als Hersteller edlerer Textilien aber einen Namen. Das Mitglied der Piëch-Familie hat das kleine Unternehmen wieder stabilisiert und ihm eine gesicherte Zukunft gegeben. Bei Backhausen gibt es sogar einen Bezug zum Thema Auto: Die Kiesling-Firma produziert auch Stoffe für Oldtimer und Showcars.
Die Textilunternehmerin soll rund sechs Prozent der Anteile an der Stuttgarter Holding Porsche SE halten, in der wiederum die Mehrheitsanteile der Familie am Volkswagen-Konzern gebündelt sind. Das sichert Louise Kiesling den Einfluss auf wichtige Entscheidungen beim größten Automobilhersteller Europas.
Diese sechs Prozent sind jedoch etwas Besonderes im Porsche-Piëch-Verbund, wo doch sonst immer eher zwischen beiden Familienstämmen getrennt wird. Schon Louise Daxer-Piëch hatte ihre Anteile über alle Familiengrenzen hinweg mit der Porsche-Seite gebündelt. Das sichert den Porsches etwas mehr Macht, wenn in der Familie doch einmal stärker und intensiver um Entscheidungen gerungen wird. Louise Kiesling hat die Entscheidung ihrer Mutter zur Pool-Bildung mit der Porsche-Seite aufrechterhalten.
Besondere Vermittlerrolle im Familienverbund
Das lässt Louise Kiesling eine besondere Vermittlerrolle im Familienverbund zukommen, sollte es doch einmal knirschen. Denn obwohl sie eigentlich eine Vertreterin der Piëch-Seite ist, gehört sie über die Bündelung ihrer Anteile doch irgendwie auch zu den Porsches. Dadurch kann sie für Zusammenhalt sorgen in der vierten Generation, die irgendwann einmal das Sagen bekommen wird in dieser so wichtigen österreichischen Familie. Noch aber denken die Familiensprecher Wolfgang Porsche, 78, und Hans Michel Piëch, 79, nicht ans Aufhören.
Auf der VW-Hauptversammlung wird sich Louise Kiesling wie alle anderen Familienvertreter den Vorwurf von Vertretern aus der Finanzbranche vorhalten müssen, dass sie im obersten Kontrollgremium des Autokonzerns nur die Porsche-Piëch-Interessen vertrete. „Der Kandidatin Louise Kiesling fehlt es an Unabhängigkeit“, sagt etwa Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei Deka Investment.
Louise Kiesling muss sich über ihre Wiederwahl trotzdem keine Gedanken machen. Wahrscheinlich bekommt sie sogar 99 Prozent. Solche Ergebnisse sind bei Volkswagen angesichts der Mehrheitsverhältnisse absolut üblich.
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