VW-Tochter Duesmann tritt an: Audi wagt in der tiefsten Krise den Neustart

Die Coronakrise zwingt die VW-Tochter zur Schließung von Fabriken auf der ganzen Welt.
München, Düsseldorf Wenn Markus Duesmann an diesem Mittwoch seinen neuen Job antritt, dann erwartet ihn ein gespenstisches Szenario. Nur eine kleine Restmannschaft wird den neuen Audi-Chef in Empfang nehmen, mindestens 1,5 Meter auf Distanz.
Ganz oben auf der Agenda steht das Krisenbriefing von Produktionsvorstand Peter Kössler. Seit mehr als einer Woche stehen die Audi-Werke in Europa still, allein in Deutschland hat der Autobauer rund 26.000 Beschäftigte in Kurzarbeit geschickt. Wann die Standorte in Ingolstadt, Neckarsulm, Belgien, Ungarn und Italien wieder Autos bauen, weiß niemand.
Ein Anfahren der Bänder am Tag X sei nur mit großen Sicherheitsabständen der Beschäftigten vertretbar, sagen die Arbeitsmediziner. Wenn der Shutdown zu lange daure, dann werde die Aktivierung der Lieferketten schwierig, warnen die Logistiker.
Alles in allem sei eine Wiederaufnahme der Fertigung auch in einigen Wochen „wackelig, aber machbar“, lautet die Einschätzung des täglich tagenden Krisenstabs. Doch zur Stunde ist das alles blanke Theorie.
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Im Moment ist man damit beschäftigt, die für die Produktion notwendigen Atemmasken an die örtlichen Krankenhäuser und Pflegeheime zu verteilen. Niemand will bei Audi arbeiten, wenn in den Kliniken und Altenheimen nebenan das Nötigste für den Kampf um das Leben schwerkranker Corona-Patienten fehlt.
Ikone in der Autowelt
Dass Duesmann zur Stunde null inmitten einer beispiellosen Krise bei Audi beginnt, das hätte sich der 51-Jährige wohl nie träumen lassen. Dabei hat er mehr als anderthalb Jahre auf diesen Tag gewartet. So lange ist es her, dass er bei BMW seinen Vorstandsposten kündigte und anschließend eine Wechselsperre absitzen musste, die ihm seine zürnenden Kollegen in München auferlegten.
Dort gilt es als unverzeihlich, aus dem BMW-Vorstand zu Audi zu wechseln. Duesmann war in München Einkaufsvorstand, als Nächstes hätte er das wichtige Entwicklungsressort übernehmen sollen, von dort aus hätte es nach drei weiteren Jahren ganz nach oben gehen können.
Doch dann lockte sein alter Vorgesetzter Herbert Diess mit dem Angebot, sofort Audi zu übernehmen. Es ist eine Aufgabe, die reizt: Trotz Dieselkrise ist die angeschlagene VW-Edeltochter immer noch eine Ikone in der Autowelt.
Mit Duesmanns Antritt sind viele Hoffnungen in Ingolstadt verbunden. Audi ist tief gefallen: Die Dieselkrise hat erst das Selbstvertrauen, dann den Absatz ramponiert. Ein halbes Dutzend Entwicklungsvorstände sind in den vergangenen Jahren gekommen und gegangen.

Der Manager führt künftig Audi.
Mit der Verhaftung des ehemaligen Vorstandschefs Rupert Stadler im Juni 2018 hatte die VW-Tochter ihren vorläufigen Tiefpunkt erreicht. Auch geschäftlich ging es bergab.
Verkaufte Audi 2013 noch mehr Autos als Mercedes und BMW, so sind die Konkurrenten im Absatz weit enteilt. Konnte Audi vor wenigen Jahren noch mit dem Slogan „Vorsprung durch Technik“ werben, so ist es nun der Elektropionier Tesla, dessen Batterietechnik und Software die Maßstäbe setzt.
Bei Audi reichte es nur noch für Schnellschüsse. Als Stadler verhaftet wurde und BMW den Wechsel von Duesmann blockierte, einigte sich der Aufsichtsrat auf den vorher praktisch unbekannten Bram Schot als Übergangschef. Der Ex-Vertriebsvorstand hielt das Geschäft und die Stimmung aufrecht, für einen grundlegenden Kurswechsel fehlte dem Niederländer aber die technische Expertise.
Rasch zimmerte man mit dem Audi E-Tron ein Elektro-SUV zusammen, doch einen echten Tesla-Rivalen hat man nicht. Schon vor der Coronakrise stand die E-Tron-Produktion im Werk Brüssel still, weil Audi die Batteriezellen ausgingen.
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