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VW vor Gericht Bundesrepublik vs. Volkswagen

Die deutschen Behörden achten genau darauf, wie Volkswagen mit dem Dieselskandal umgeht. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig arbeitet mit Hochdruck an der Aufklärung. Auch die US-Amerikaner helfen ihnen dabei.
19.01.2016 - 09:36 Uhr
Eiskalte Stimmung in Wolfsburg: In zwei getrennten Verfahren gehen die Braunschweiger Staatsanwälte gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen für den Dieselskandal bei Volkswagen vor. Quelle: dpa
VW

Eiskalte Stimmung in Wolfsburg: In zwei getrennten Verfahren gehen die Braunschweiger Staatsanwälte gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen für den Dieselskandal bei Volkswagen vor.

(Foto: dpa)

Düsseldorf/Frankfurt Wenn die Spitzen des VW-Aufsichtsrats an diesem Dienstag zusammenkommen, dann haben sie ernste Themen zu bereden. Mit seinem verpatzten Auftritt in den USA hat Vorstandschef Matthias Müller die Aufräumarbeiten des Abgasskandals unnötig zurückgeworfen. Er bagatellisierte den Betrug in einem Radiointerview zu einem „technischen Problem“. Die sechs Mitglieder des Aufsichtsratspräsidiums wollen eine Erklärung von Müller, heißt es im Umfeld des Gremiums. Und sie wollen sichergestellt sehen, dass Müller und seine Entourage sich derartige Patzer nicht mehr leisten. Denn damit befeuert Müller nicht nur die Krise, auch die Behörden werden hellhörig. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig etwa verfolgt mit hohem Interesse, wie der Konzern mit dem Betrug umgeht. Die Ermittler arbeiten mit Hochdruck an der Aufklärung des VW-Skandals.

Für die Braunschweiger Staatsanwältin Elke Hoppenworth, 57, ist der Volkswagen-Konzern bekanntes Terrain. Rund zehn Jahre ist es her, dass sie den früheren VW-Personalvorstand Peter Hartz wegen der Lustreisen vor Gericht brachte. Der Reputationsschaden war enorm, aber kein Vergleich zu der Affäre um getürkte Abgaswerte bei bis zu elf Millionen Autos. Nun hat Hoppenworth wieder Massen an VW-Akten auf ihrem Tisch. In zwei getrennten Verfahren gehen die Braunschweiger gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen bei VW vor. Hoppenworth leitet ein Team mit drei Staatsanwälten, das sich um den möglichen Betrug bei der Emission von Stickoxiden kümmert. Gegen sechs Männer liegt ein Anfangsverdacht vor. Es sind hochrangige VW-Ingenieure, die maßgeblich für die Entwicklung der Dieselmotoren und Abgasanlagen verantwortlich gewesen sein sollen.

Neben diesem Dieselgate läuft ein zweiter Ermittlungsstrang wegen möglicherweise falsch angegebener Kohlendioxidwerte. VW selbst sieht sich hier entlastet, da angeblich nur bei einigen wenigen Modellen unkorrekte Werte angegeben worden sein sollen.

Zwei Staatsanwälte kümmern sich indes um eine mögliche Steuerhinterziehung in diesem CO2-Komplex, in dem es fünf Beschuldigte gibt. Die Ermittler müssen nun in beiden Fällen aufklären: Wer hat den Betrug veranlasst? Wer wusste davon und hat ihn gedeckt? Sind auch Manager aus der Führungsriege verantwortlich, weil sie den Betrug ermöglicht haben?

Das sind Fragen, die Elke Hoppenworth und ihre Kollegen beantworten sollen. Letztlich entscheiden sie mit über das Wohl und Wehe des Weltkonzerns. „Die Sache ist in guten Händen“, sagt ein Verteidiger, der Hoppenworth aus andern Fällen kennt und in dem VW-Komplex ein Mandat hat. „Ihre Erfahrung ist wertvoll, und ich habe sie als professionelle und akribische Staatsanwältin erlebt.“ In Sachen Dieselgate in Bewegung gesetzt hatte die Staatsanwälte allerdings erst eine Strafanzeige von VW. Daraufhin schwärmten – ein paar Wochen nach Bekanntwerden des Skandals am 18. September 2015 – rund 50 Ermittler aus und durchsuchten Büros und Privaträume der sechs Beschuldigten.

„VW hat mit der Anzeige den Verdacht gezielt auf die Ebene der Hauptabteilungsleiter gelenkt, um den Vorstand aus der Schusslinie zu nehmen“, kritisiert ein Verteidiger. Der frühere VW-Chef Martin Winterkorn und andere Manager weisen dies entschieden zurück. Winterkorn wurde zu Beginn des Verfahrens als Beschuldigter genannt – ein Fehler, der nicht wieder passieren darf. „Wir können im Rahmen unseres Ermittlungsauftrages keine Rücksicht auf wirtschaftliche Interessen von VW nehmen“, sagt Klaus Ziehe. Der Oberstaatsanwalt spricht für die Braunschweiger Behörde. Der Sachverhalt müsse gründlich aufgeklärt und dann strafrechtlich bewertet werden.

Mit schnellen Ergebnissen ist allerdings nicht zu rechnen. „Die Verfahren sind an Komplexität kaum zu überbieten“, sagt Ziehe. Er verstehe, dass alle Beteiligten ungeduldig sind. „Unsere Devise lautet: so schnell wie möglich, aber auch so gründlich wie nötig.“ Unterstützung bekommt die Staatsanwaltschaft vom Landeskriminalamt Hannover, das eine eigene Sonderkommission mit dem schlichten Namen „VW“ eingerichtet hat. Rund 20 Beamte arbeiten Akten und Daten durch, die sie bei der Razzia im Oktober 2015 sichergestellt haben. Die Staatsanwaltschaft wertet dann die Ergebnisse aus und übernimmt die rechtliche Würdigung.

Der Oberstaatsanwalt betont, dass die staatlichen Behörden unabhängig von VW arbeiten. „Dass VW interne Ermittler und Kanzleien beauftragt hat, um selbst Daten auszuwerten und Interviews zu führen, ist eine Entscheidung des Konzerns, die uns von keiner einzigen erforderlichen Ermittlungshandlung entbindet“, sagt Ziehe. VW hat die Kanzlei Jones Day und den Wirtschaftsprüfer Deloitte ins Haus geholt, um zu klären, wer für das Debakel verantwortlich ist. Die Untersuchung der internen Ermittler wird noch einige Monate in Anspruch nehmen, wie es im Konzern heißt. Letztlich wird wohl auch die Staatsanwaltschaft auf die Erkenntnisse zugreifen können.

Die Braunschweiger sind nicht die einzige Behörde, die die Abgasaffäre von Volkswagen aufarbeitet. Auch in Italien, Frankreich und den Vereinigten Staaten untersuchen Staatsanwälte den Fall. In den USA ist das Verfahren beim Justizministerium aufgehängt; eingebunden ist zudem die Bundespolizei FBI. Diese verfügt über eine eigene Einheit, die sich auf Wirtschaftskriminalität in der Autoindustrie spezialisiert hat. Bislang tauschen sich die Ermittler über die Landesgrenzen hinaus nicht aus. Es ist aber eine Frage der Zeit, dass Staatsanwältin Hoppenworth ihre US-Kollegen einschaltet. Hilfreich wären wohl auch die Erkenntnisse der amerikanischen Umweltbehörde EPA, die dem VW-Betrug schon seit Frühjahr vergangenen Jahres auf der Spur ist.

„Bislang haben wir noch kein Rechtshilfeersuchen gestellt. Die Hürden sind hoch, aber wir sind sehr interessiert“, sagt Ziehe. Es habe dazu auf Expertenebene bereits ein Treffen der Ermittler beider Seiten gegeben. „Der Kontakt ist intensiv.“ Die Amerikaner haben bei der Rechtshilfe bereits Nägel mit Köpfen gemacht: Sie haben vergangene Woche die Hilfe der Braunschweiger Staatsanwälte angefordert.

Wie groß der Unmut in Übersee über VW und deren Chef ist, demonstrierte Ende vergangener Woche der Generalstaatsanwalt von Connecticut. Anlass war das Radiointerview von Müller. Dessen Kommentare seien beunruhigend, und Müllers Aussagen zeigten, wie wichtig die Ermittlungen gegen den Konzern seien, sagte Staatsanwalt George Jepsen.

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