Wegen stockenden Personalabbaus Opel-Personalchef droht Belegschaft mit Kündigungen

Die Coronakrise hat Opel hart getroffen. Der Absatz ist im ersten Halbjahr im Kernmarkt Europa um 55 Prozent im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen.
München Bei Opel stehen die Zeichen zwischen Management und Betriebsrat auf Eskalation. Der Grund: In einem internen Rundschreiben, das dem Handelsblatt vorliegt, droht Personalchef Ralph Wangemann der Belegschaft mit betriebsbedingten Kündigungen, falls sich nicht alsbald mehr Beschäftigte dazu entschließen, den Autobauer freiwillig zu verlassen.
Anfang des Jahres hatten die Geschäftsführung der PSA-Tochter und die Arbeitnehmervertreter vereinbart, dass Opel bis Ende 2021 weitere 2100 Stellen über einen Sozialplan abbauen darf. „Bisher haben sich allerdings insgesamt erst 500 Kolleginnen und Kollegen für Altersteilzeit, Senior Leave oder eine Abfindung entschieden. Damit sind wir weit entfernt von der erforderlichen Anzahl ausscheidender Beschäftigter“, schreibt Wangemann in der Mitarbeiterbotschaft. Und weiter: „Wir müssen den Personalabbau bis Jahresende zwingend umsetzen.“
Opel will nun eine Arbeitsgruppe mit dem Betriebsrat einrichten, um schnell nach Optionen zu suchen, wie der Stellenabbau beschleunigt werden kann. „Wenn wir dieses Ziel nicht durch freiwillige Maßnahmen erreichen sollten, werden wir eine Überprüfung des Zukunftstarifvertrages vornehmen, insbesondere der Verpflichtung zur Beschäftigungssicherung“, kündigt Wangemann an.
Bis Ende November will der Manager eine Neubewertung der Lage vornehmen. „Darauf basierend würde auch die Umsetzung betriebsbedingter Kündigungen geprüft“, schreibt der Arbeitsdirektor.
Im Lager der Arbeiterführer herrscht Entsetzen, verlautet aus Gewerkschaftskreisen. Ein einseitiger Bruch des Zukunftstarifvertrags wäre für die Betriebsräte und die Vertrauensleute der Gewerkschaft IG Metall ein beispielloser Affront. Das Management bittet derweil um Verständnis für die Vorgehensweise. „Der Druck steigt aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Lage, ausgelöst durch die größte Gesundheits- und Wirtschaftskrise seit rund 100 Jahren“, konstatiert Wangemann.
Beschäftigte können Vorgehen kaum nachvollziehen
Betriebsbedingte Kündigungen seien mit dem gültigen Zukunftstarifvertrag bis Mitte 2025 ausgeschlossen, erklärte der Bezirkschef der IG Metall, Jörg Köhlinger, am Donnerstag. „Tarifverträge sind für schwierige Situationen gemacht und können nicht nach Belieben in Frage gestellt werden. Wer das tut, spielt mit dem Feuer“, warnte er. Man erwarte von dem Unternehmen Vertragstreue.
Der Betriebsrat verwahrte sich in einem Flugblatt an die Mitarbeiter gegen den Eindruck, dass das Vorgehen mit ihm abgestimmt sei. Die Beschäftigten hätten bis Ende des kommenden Jahres Zeit für ihre Entscheidung und es müsste zudem nicht zwingend die Maximalzahl von 2100 Stellen abgebaut werden. Stattdessen solle Opel attraktive Erweiterungen in dem Abfindungsprogramm anbieten.
Opel habe Investitionen in Modelle für eine langfristige Absicherung der Standorte und den Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen in den nächsten fünf Jahren zugesagt, erklärte der Opel-Beauftragte der IG Metall, Rudolf Luz. „Wenn das jetzt in Frage gestellt wird, ist das die Aufkündigung der Zusammenarbeit. Konstruktive Lösungen werden mit solchen Androhungen verbaut.“
Tatsächlich hat die Coronakrise Opel hart getroffen. Der Absatz ist im ersten Halbjahr im Kernmarkt Europa um 55 Prozent im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen. Der Marktanteil der Marke mit dem Blitz sackte von 5,5 auf 3,8 Prozent ab.
Der ehrwürdige Fahrzeughersteller kämpft damit zunehmend gegen die Bedeutungslosigkeit an. Gleichwohl hat Opel anders als viele Konkurrenten aufgrund eines rigiden Sparplans noch einen kleinen Gewinn in den ersten sechs Monaten geschrieben.
Dass nun trotz des positiven Ergebnisses auf einmal Entlassungen bei Opel im Raum stehen, können viele Beschäftigte nur schwer nachvollziehen, heißt es aus Konzernkreisen. Arbeitsdirektor Wangemann wendet sich an jeden Einzelnen: „Meine Bitte an Sie ist vor allem die folgende: Machen Sie sich im Detail mit den attraktiven Angeboten der Freiwilligenprogramme vertraut.“
Noch sind betriebsbedingte Kündigungen aus Sicht des Managements nur das allerletzte Mittel – aber ausgeschlossen sind sie längst nicht mehr. „Es ist die Verantwortung der Geschäftsleitung, Entscheidungen zu treffen, die die Zukunft unseres Unternehmens nachhaltig sichern“, erklärte ein Opel-Sprecher.
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