Wolfsburg VW-Stammwerk ist nicht ausgelastet – Skoda könnte helfen

Die Auslastung des Wolfsburger Stammwerkes ist auf Dauer nicht mehr garantiert. Möglicherweise wird deshalb künftig ein SUV der Schwestermarke Skoda in Niedersachsen gefertigt.
Düsseldorf Vor zwei Jahren hatte Volkswagen noch eine Steigerung der Produktionszahlen angekündigt. Eine Million Autos sollten künftig jährlich im Stammwerk Wolfsburg gefertigt werden, versprach der damalige VW-Produktionsvorstand Andreas Tostmann.
Daraus ist nichts geworden, die jährlichen Stückzahlen sind weiter gefallen. Im vergangenen Jahr haben weniger als 700.000 Fahrzeuge das Werk verlassen.
Gerade der Golf als Leitmodell sorgt nicht mehr für eine automatische Auslastung des VW-Stammwerkes. Volkswagen muss sich daher etwas einfallen lassen.
Wie aus Konzernkreisen verlautet, könnte künftig ein zusätzliches Skoda-Modell für eine bessere Auslastung in Wolfsburg sorgen. Der Konzern prüft, ob das Skoda-SUV Kodiaq in Zukunft in Deutschland und nicht mehr in Tschechien produziert wird. „Das wird im Moment durchgerechnet“, bestätigt ein Konzerninsider.
Da sich die verschiedenen Tochtermarken des Konzerns die Fahrzeugplattformen teilen, wäre die Verlagerung des Skoda-SUV aus dem tschechischen Werk Kvasiny nach Wolfsburg aus technischer Sicht vergleichsweise einfach. Der Kodiaq teilt sich eine ganze Reihe von Bauteilen mit dem VW Tiguan, der außer dem Golf ebenfalls im niedersächsischen Stammwerk gefertigt wird. Eine Unternehmenssprecher lehnte eine Stellungnahme dazu ab.
Vor allem beim Volkswagen-Betriebsrat löst die jüngste Entwicklung Sorgen aus, dass die Auslastung des Wolfsburger Werkes dauerhaft nicht mehr garantiert werden kann – verbunden mit einem entsprechenden Beschäftigungsabbau. Noch arbeiten an dem Standort mehr als 20.000 Menschen in der Produktion. Wegen der Corona-Pandemie könnte die Zahl der im größten VW-Werk hergestellten Fahrzeuge in diesem Jahr auf 500.000 fallen.
Für die Arbeitnehmerseite gibt es nur einen Ansatz, das Stammwerk wieder besser auszulasten. „Wir brauchen ein zusätzliches Modell in Wolfsburg. Aber es muss sich rechnen und nicht zu viel Investitionen verschlingen. Denkbar wäre ein weiteres SUV-Modell“, fordert Betriebsratschef Bernd Osterloh regelmäßig in Interviews und bei öffentlichen Auftritten.
Wolfsburg ist die Machtbasis des Betriebsrates. Einen Leerlauf der Produktion wird die Arbeitnehmerseite daher mit allen Mitteln zu verhindern suchen.
Massive Probleme beim Golf
Für die mögliche Verlagerung des Kodiaq von Tschechien nach Deutschland gibt es bereits ein Beispiel. Im Wolfsburger Stammwerk wird zusammen mit dem Tiguan wird auch der Seat Tarraco auf derselben Linie montiert. Im Seat-Modell setzt der Konzern die gleiche Plattform ein wie bei den VW- und Skoda-SUVs.
Zwischen Tarraco und Kodiaq gibt es allerdings einen ganz wesentlichen Unterschied: Das Seat-Modell ist alles andere als eine Verkaufsschlager. Von dem Auto sind im vergangenen Jahr gerade einmal knapp 39.000 Exemplare produziert worden. „Für preisbewusste Seat-Kunden ist der Wagen wahrscheinlich zu teuer“, sagte ein Konzernmanager.
Mit dieser vergleichsweise geringen Stückzahl lässt sich eine stärkere Auslastung des Wolfsburger Werkes nur schwer erreichen. Außerdem hat der Golf, das wichtigste Auto von Volkswagen, gehörige Probleme bereitet. Der Modellwechsel von der siebten zur achten Generation hat nicht richtig funktioniert.
VW tat sich schwer damit, die neue und aufwendige Software des Autos in den Produktionsprozess der Serienfertigung zu integrieren. Zudem schrumpft das Golf-Segment: SUV werden immer stärker nachgefragt. Im Mai und im Juni war der Golf auch nicht wie gewohnt das meistverkaufte Auto in Europa. Im Juli hingegen lag das wichtigste VW-Modell wieder auf dem ersten Platz.
Wolfsburg hat mit der achten Generation die globale Verantwortung für den neuen Golf bekommen. Das Stammwerk produziert künftig auch die Autos für Nordamerika und die Kombiversion, die zuvor in Mexiko und im sächsischen Zwickau montiert wurden.
Im Unterschied zum Seat-SUV könnten mit dem Kodiaq die Lücken im Wolfsburger Volkswagen-Werk vergleichsweise gut geschlossen werden. Die tschechische Konzerntochter hat im vergangenen Jahr von ihrem größten SUV fast 180.000 Exemplare produziert, also deutlich mehr bei Seat mit dem vergleichbaren Tarraco.
Der Skoda Kodiaq ist vergleichsweise groß. Bei 4,70 Meter liegt die Gesamtlänge, der kleinere Tiguan bringt es auf bescheidene 4,40 Meter. Da Skoda außerdem günstige Preise und zugleich Volkswagen-Technik offerieren kann, hat sich das Auto von Beginn an zu einem Verkaufserfolg entwickelt.

Die Verlagerung des SUV aus dem tschechischen Werk Kvasiny nach Wolfsburg wäre aus technischer Sicht vergleichsweise einfach.
Eine Entscheidung über den künftigen Produktionsstandort des Kodiaq wird der VW-Konzern in den nächsten Wochen treffen. Spätestens zur nächsten Planungsrunde über die Investitionsvorhaben und die Werkebelegung der kommenden fünf Jahre muss Volkswagen darüber entscheiden.
Traditionell erfolgt diese Planung immer in der November-Sitzung des Aufsichtsrates. Dann wird über künftige Investitionen im Volumen eines mittleren zweistelligen Milliardenbetrages entschieden.
Bei Elektro-Umstellung nicht mit dabei
Ob Wolfsburg in naher Zukunft das große Skoda-SUV bekommen wird, hängt auch von einer anderen Standortentscheidung ab. Der Konzern sucht auch nach einer neuen Produktionsstätte für die Limousinen VW Passat und Skoda Superb, die auf einer gemeinsamen Plattform entwickelt worden sind.
Eigentlich sollten beide Mittelklasse-Modelle in einem Werk in der Türkei produziert werden, das der Volkswagen-Konzern komplett neu errichten wollte. Doch die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass Volkswagen die Pläne für die neue Fabrik wieder in den Schubladen verschwinden lassen musste. Jetzt braucht der Konzern die zusätzlichen Kapazitäten nicht mehr.
Das tschechische Skoda-Werk Kvasiny könnte den Produktionsauftrag für Passat und Superb bekommen. Diese Überlegung gibt es ebenfalls innerhalb des Konzerns. Die künftige Auslastung dieser Autofabrik wäre damit auf viele Jahre gesichert – und der Kodiaq könnte auch aus Kvasiny abgezogen werden, beispielsweise nach Wolfsburg.
Das Volkswagen-Stammwerk wird noch für längere Zeit überwiegend Autos mit konventionellen Verbrennungsmotoren produzieren. In der ersten Elektrifizierungsrunde, in der mehr als eine Handvoll von Konzernfabriken auf neue E-Modelle umgestellt wird, ist Wolfsburg nicht dabei und erst recht auf erfolgreiche Modelle angewiesen.
Mehr: Problemfall Golf – VW-Bestseller verliert Spitzenplatz in Europa.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.