Learning Analytics KI-gesteuerte Lernprogramme können Lernen und Lehren revolutionieren

Auch das Lernen wird sich durch Künstliche Intelligenz verändern.
Berlin „Feedbook“ korrigiert Siebtklässler in Englisch: Wer „I goed“ statt „I went“ schreibt, erhält nicht nur eine Fehleranzeige, das Programm erklärt auch, dass „to go“ ein irreguläres Verb ist, dessen Vergangenheitsform eben nicht wie reguläre Verben mit -ed endet.
Das an der Uni Tübingen entwickelte „Feedbook“ hilft sogar beim Verstehen von Texten: Wenn Schüler Fragen nach dem Inhalt falsch beantworten, „zeigt es ihnen den Absatz, wo die Info steht“, erzählt Computerlinguist Björn Rudzewitz, der das KI-Programm modelliert hat. Bei Audiotexten wiederholt es die entscheidenden Sätze. „Hilft das nicht, zeigt es dem Schüler die Abschrift.“
Learning Analytics (LA) wie Feedbook sind die Zukunft – die aber noch fern ist. Aktuell nutzen es rund 30 Gymnasial-Lehrer. „Nur ein Investor könnte es für alle Klassen und Schularten produzieren“, sagt Rudzewitz. In den USA seien solche Programme, vor allem für Mathe und Naturwissenschaften, schon viel weiter verbreitet.
„Das Potenzial ist riesig“, sagt Olaf Köller, Chef des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN), einer der führenden deutschen Pädagogen. „Learning Analytics kann die Qualität des Unterrichts enorm steigern – und Lehrern eine Menge Arbeit abnehmen.“
Zugleich ermögliche LA „das, woran es am meisten fehlt, die individuelle Förderung – bis zu den Hausaufgaben“. Es zeige Schülern etwa beim Rechnen sehr schnell, wenn sie auf dem Holzweg sind, und „verhindert so Frustration“, sagt Köller.
Das IPN arbeitet an einem Programm, das beim Schreiben englischer Aufsätze hilft. „Es gibt Rückmeldung, wenn etwa eine Behauptung im Text nicht belegt ist, oder liefert ein Gegenargument, mit dem sich die Schüler dann auseinandersetzen müssen.“ So könnten sie „ihre eigenen Texte schon beim Schreiben verbessern.“
LA-geeignete Geräte sind hierzulande Mangelware
All das geht natürlich nur mit digitalen Geräten, die hierzulande noch Mangelware sind. Zwar hatte der Bund für den Digitalpakt schon 2019 fünf Milliarden Euro bereitgestellt und legte 2020 weitere 1,5 Milliarden Euro drauf.
Doch die Mittel fließen nur sehr langsam ab, Corona bremste zusätzlich, weil die Schulen mit Pandemie-Organisation beschäftigt waren. Obwohl digitales Arbeiten in der Pandemie schlagartig essenziell wurde, waren Ende 2020 erst 1,36 Milliarden ausgegeben oder bewilligt.
Bis Schulen flächendeckend moderne Tools nutzen, wird es also noch dauern. Hinter den Kulissen heißt es, dass sich Kultusminister aktuell etwa für das aus der Weiterbildung stammende US-amerikanische Programm „Area9“ interessieren.
Doch Learning Analytics revolutioniert nicht nur das Lernen, sondern auch das Lehren. Denn „die Programme erfassen, wie Lernprozesse genau ablaufen“, erläutert Kristina Reiss, langjährige Dekanin der School of Education der TU München.
„So, als könnten wir ein bisschen in die Köpfe der Schüler hineinschauen“, lacht die Organisatorin der deutschen Pisa-Tests.
Ein Programm ihrer TU kann etwa erkennen, ob Schüler beim Bruchrechnen Flüchtigkeitsfehler machen oder zentrale Dinge nicht verstehen. „Wir können so etwa entdecken ob Schüler nur auf den Zähler achten und denken, dass 5/8 mehr ist als 3/4. Das erlaubt den Lehrern, das noch mal zu erklären.“
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