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Innovationweek

Gastkommentar Deutschland braucht mehr Schub für neue Technologien

Den Schwung aus der Krise müssen wir mitnehmen – um nach der Krise im digitalen Raum souveräner und selbstbewusster dazustehen als vor der Krise, fordert Dorothee Bär.
02.05.2021 - 22:23 Uhr 2 Kommentare
Die Autorin: Dorothee Bär ist Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung. Die CSU-Politikerin ist auch Mitglied des Deutschen Bundestags. Quelle: dpa
Digitalministerin Bär

Die Autorin: Dorothee Bär ist Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung. Die CSU-Politikerin ist auch Mitglied des Deutschen Bundestags.

(Foto: dpa)

Wir alle sind Teil einer Gesellschaft, in der lange Zeit die Auffassung vorherrschte, dass grundlegende Umwälzungen altbewährter Strukturen und Prozesse von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft nicht drängend seien. In der Wirtschaft und im Staat funktionierten die Abläufe ja – zwar analog, zäh und langwierig, aber die Auftragsbücher waren voll, die Steuereinnahmen sprudelten.

Das vergangene Krisenjahr hat unsere digitale Souveränität auf Herz und Nieren geprüft und jedem „Besitzstandswahrer“ schmerzlich offengelegt: Die großen Megatrends unserer Zeit – Digitalisierung und Klimawandel – bedeuten, dass wir alle uns aus unserer Wohlstandsstarre lösen müssen. Momentan finden digitale Innovationen größtenteils außerhalb Europas statt.

So sind aktuell 94 Prozent der Unternehmen auf Digital-Importe angewiesen. Corona baute die Vormachtstellung der führenden Technologiekonzerne noch weiter aus.

Unser Anspruch ist es, nach der Krise im digitalen Raum besser, souveräner und selbstbewusster dazustehen als vor der Krise. Bei der Impfstoffentwicklung haben wir gesehen, wie forschungsstark Deutschland ist und dass wir international vorangehen können – solche Beispiele sollten als Blaupause auch für andere Bereiche gelten.

Quantentechnologie könnte unsere Wirtschaft in den Bereichen Medizintechnik, Produktionslogistik, Verkehr und Künstliche Intelligenz (KI) revolutionieren. Diese Technologie wird eine Rechenleistung in Minuten ermöglichen, für die unser normaler PC Milliarden von Jahren benötigt – eine gigantische Leistung. In der Quantentechnologie sind die Voraussetzungen zum Aufstieg in die Weltspitze so gut wie lange nicht mehr. In der Grundlagenforschung sind wir führend. Anfang April ist der erste physische Quantencomputer Europas bei Stuttgart in Betrieb gegangen – ein starkes Signal an den Forschungsstandort Deutschland.

Im Rahmen des Zukunftspakets haben wir die Investitionen in die Quantentechnologien bis 2025 um zwei Milliarden Euro erhöht. Um den Transfer von Forschungsergebnissen in die praktische Anwendung voranzutreiben, wollen wir – ausgehend von exzellenten Forschungseinrichtungen – den Aufbau regionaler Hubs mit Ausrichtung auf Forschung, Ausbildung und Transfer fördern, um Synergien und Kompetenzen zu bündeln.

Auch bei der KI übertreffen die Leistung und die Anwendungsmöglichkeiten unsere menschliche Vorstellungskraft, beispielsweise für Anwendungen im Bereich Diagnostik oder bei Vorhersagen zu epidemischen Lagen. Was für ein Segen wäre es, wenn wir künftig KI stärker nutzen würden, um das Infektionsgeschehen bei Epidemien besser vorhersagen zu können.

Um das voranzutreiben, habe ich Mitte März das Zentrum für Künstliche Intelligenz in der Public-Health-Forschung des Robert Koch-Instituts eröffnet. Es hat das Ziel, Frühwarnsysteme für künftige Epidemien zu entwickeln, um bei deren Bekämpfung endlich auf der Höhe der Zeit anzukommen.

Wir haben beste Voraussetzungen, um in Deutschland und Europa sichtbare KI-Leuchttürme zu etablieren, die sich in Forschungsexzellenz und Gründungsdynamik mit internationalen Spitzenstandorten messen können. Die KI-Forschung in Deutschland hat einen exzellenten Ruf, und Europa als Ganzes muss sich nicht hinter den USA und China verstecken. Gleichzeitig entwickelt sich die internationale KI-Forschung so rasant, dass wir unsere Forschungskapazitäten weiter auf- und ausbauen müssen.

Auch die Alltagsdigitalisierung muss gelingen

Genauso wichtig ist es, den Transfer von KI in unsere Wirtschaft noch einmal deutlich zu stärken. Wir haben deshalb mit dem Zukunftspaket beschlossen, die Investitionen für KI bis 2025 von drei Milliarden Euro auf fünf Milliarden Euro anzuheben – um Recheninfrastrukturen auszubauen, Supercomputer anzuschaffen, Datenpools zu erschließen und die Kompetenzzentren für KI-Forschung langfristig zu stärken.

Die Lebensadern digitaler Innovationen sind Infrastrukturen – digitale Infrastrukturen und souveräne Cloud-Infrastrukturen. Mit Versorgungsauflagen aus der 5G-Frequenzvergabe und dem 5G-Innovationsprogramm haben wir gute Rahmenbedingungen dafür gesetzt, Deutschland zum Leitmarkt für 5G zu entwickeln. Mit dem Projekt Gaia-X arbeiten wir daran, eine ebenso sichere wie wettbewerbsfähige Dateninfrastruktur in Europa aufzubauen.

Neben der Spitzentechnologie muss natürlich auch die Alltagsdigitalisierung bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen. Das reibungslose Funktionieren digitaler Verwaltungsdienstleistungen muss ebenso selbstverständlich sein wie die Möglichkeit, sich bei Geschäftsprozessen im digitalen Raum verlässlich zu identifizieren. Längst drängen große ausländische Plattformen auf den Identitätsmarkt. Für viele Bürgerinnen und Bürger ist nach Eingabe ihrer Daten auf ausländischen Plattformen überhaupt nicht klar, was mit ihren Daten im Ausland passiert.

Deshalb brauchen wir eine EU-weite verlässliche digitale Möglichkeit zur Identifizierung – das ist ein zentrales Vorhaben, für dessen Umsetzung noch in dieser Legislaturperiode ich mich einsetze. Wir bringen alles dafür mit, dass unsere Innovationen im Bereich Quantencomputing, Künstliche Intelligenz, 5G und Gaia-X Exportschlager werden. Die Grundsteine haben wir in den vergangenen Jahren gelegt, indem wir diese Schlüsseltechnologien priorisiert und massiv gefördert haben.

Es gibt zu viele Reibungsverluste

Aber bei allem gilt: Sosehr private Akteure in Deutschland sich in den Schlüsseltechnologien auch zur Höchstleistung aufschwingen – den Herausforderungen in Sachen Innovationskraft und digitale Souveränität werden wir nur gewachsen sein, wenn auch unsere staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen moderne Spitzenklasse sind. Und da haben wir in der nächsten Legislaturperiode erhebliche Aufgaben vor uns.

Ich bin dankbar, dass dies mittlerweile auch in der Breite der politischen Debatte mehr und mehr so gesehen wird. Dazu gehört auch die Modernisierung des öffentlichen Dienstes als Rückgrat unseres Staates. Ihm müssen wir Strukturen und Instrumente an die Hand geben, um pragmatischer, leistungsfähiger und innovativer zu werden. Neben der Vereinfachung von Vergabe- und Genehmigungsverfahren gehört ein Überdenken der staatlichen Strukturen, Hierarchien und Entscheidungswege dazu, nicht nur, aber eben auch in der Digitalpolitik.

Es braucht eine schlagkräftigere und ganzheitlichere Zuordnung von Verantwortung für digitale Themen, einschließlich Durchgriffs- und Vetorechten. Wir haben zu viele Reibungsverluste durch Abstimmungen und durch fragmentierte oder geteilte Zuständigkeiten. Gerade das Zusammenspiel von Bund, Ländern und Kommunen blockiert sich zu häufig – selbst unter großem Handlungsdruck. Hierzu liegen verschiedene Vorschläge auf dem Tisch, die wir nun angehen müssen.

Die Pandemie hat bei allen Schwierigkeiten enorme Disruption erzeugt. Sie hat uns gezwungen, neu zu denken und unbekannte Wege zu beschreiten. Diesen Schwung und die Lehren müssen wir als Erbe der Krise in die Zeit nach der Pandemie mitnehmen, damit wir noch umsetzungsstärker, noch digitaler und noch innovativer werden. Unser Land bringt dafür alles mit.

Mehr: Bürokratiemonster sind tödlich für Innovatoren.

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2 Kommentare zu "Gastkommentar: Deutschland braucht mehr Schub für neue Technologien"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Eines der Grundübel - und vielleicht das gravierendste grade in der alltäglichen KI-Anwendung und besonders in der von Herrn Niehoff bemängelten Bildungsunterstützung - ist, die beinahe unmögliche digitalisierte Texterkennung. Die funktioniert ganz anders als die exzellent arbeitende Texterzeugung; auch schon im menschlichen Gehirn. Und digitalisiert ist sie leider noch auf dem Niveau eines intelligenten Dackels: "Hol das Stöckchen". Anspruchsvollen Texten wie Gesetzen, medizinischen oder technischen Abhandlungen und sogar schon einem Artikel in der Bildzeitung steht ein Computer (softwaremäßig) noch völlig hilflos gegenüber, ob es nun ein heutiger PC oder morgiger Quantencomputer ist.
    Aber Immerhin: die Zuse-Akademie tut jetzt zusammen mit einigen Hochschulen etwas dagegen. Bitte, Frau Bär. helfen Sie. Die nötigen Kosten verschwinden gegenüber denen für den sicher auch sehr lohnenden Quantencomputer ...

  • Wie so häufig werden riesige Zahlen in den Raum gestellt die suggerieren, es würde etwas getan. Tatsächlich kümmern sich alle Beteiligten vor allem NICHT darum, ob überhaupt etwas "unten" ankommt. Noch immer gibt es keine ausreichenden Anzahl an Schulcomputer oder Tablets in Schulen.... Frau Bär möge mit 500 Tablets in Bergisch Gladbach vorbeikommen....(zuständig ist sie dafür natürlich nicht...)

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