Solarstrom Israels Start-ups sollen die Energiewende vorantreiben

Noch ist der Anteil von Sonnenenergie in Israel gering.
Tel Aviv In seiner Satire „Kein Öl, Moses?“ ärgerte sich der Humorist Ephraim Kishon vor 50 Jahren darüber, dass der biblische Held Moses ausgerechnet eines der wenigen Länder im Mittleren Ostens ausgewählt habe, in dem es kein Petroleum gibt. Heute müsste sich Kishon eine andere Pointe ausdenken.
Denn erstens wurde vor zehn Jahren vor der Küste Israels so viel Gas gefunden, dass damit inzwischen 65 Prozent der Elektrizität produziert wird. Zweitens wird im Land, in dem übers Jahr rund 2000 Stunden lang die Sonne scheint, die Solarenergie künftig einen großen Teil des Strombedarfs abdecken. Experten sprechen von einer Energie-Revolution - und möglich werden soll er auch mithilfe der Technologiefirmen des Landes.
Der amtierende Regierungschef Benjamin Netanjahu hat sich auf dem jüngsten Klimagipfel verpflichtet, die CO2-Emissionen Israels zu verringern und bis 2050 den Übergang von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien abzuschließen. Das sei in Israel nur mit Solarenergie möglich, sagt Gideon Friedmann vom Energieministerium. Bis in zehn Jahren, so die erste Stufe im Plan der Regierung, soll der Beitrag erneuerbarer Energien von heute rund fünf auf 30 Prozent erhöht werden.
Israel hat „im Vergleich zu Industrieländern noch einen großen Aufholbedarf“, sagt Eitan Parnass, der die Green Energy Association of Israel leitet. Deutschland hat schon heute einen höheren Anteil als Israel in zehn Jahren haben möchte. Doch jetzt schließe sich Israel mit einiger Verspätung dem globalen Ziel „Klimaschutz“ an. So bricht jetzt hier im Rekordtempo um, was sich in anderen Ländern bereits seit Jahren oder Jahrzehnten verändert.
Der Übergang von der zentralisierten zur dezentralisierten Stromproduktion sei Teil eines disruptiven Prozesses, bei dem Israels Start-up-Szene ihre Stärken auf den Gebieten Big Data und KI ausspielen könne, sagt Elad Shaviv, Gründer der NGO Israel Smart Energy Association.
Ausländische Energiefirmen suchen in Israel nach Talenten
Die modularen Produktionsmuster erfordern Echtzeit-Informationen über Pannen und Möglichkeiten, sie zu beheben. Nötig sind auch Angaben über die aktuelle Nachfrage, die von Millionen von Stromzählern registriert und analysiert werden müssen. Bei der Voraussage der Netzbelastung helfen Auswertungen von Big Data, die auch eingesetzt werden können, plötzlich auftretende Probleme bei der Speicherkapazität zu beheben. Notwendig sei zudem der Schutz der Solaranlagen vor Cyberangriffen, wo Israel ebenfalls Kompetenzen hat.
Bis vor wenigen Jahren wurde die Sonne als Energiequelle kaum genutzt, wenn man von der Warmwasseraufbereitung auf Hausdächern absieht, für die sich vor allem Idealisten und kleine und mittelgroße Unternehmen begeisterten. Mittlerweile ist Solarenergie aber Big Business. Institutionelle Investoren steigen bei grünen Energiefirmen ein.
An der Tel Aviver Börse wurde im September der Index TA-Cleantech mit einem Dutzend Green-Tech-Firmen gebildet, im Dezember zudem der TA-125 Fossil Free. „Der Kapitalmarkt kann und sollte einen ökologischen und sozialen Wandel auslösen, der sowohl unser Leben heute als auch dasjenige zukünftiger Generationen betrifft“, meint der CEO der Tel Aviver Börse, Ittai Ben-Zeev.
Führende Energieunternehmen haben in Israel Scouting Offices eröffnet. Dazu gehört E.ON. Man wolle außerhalb Europas neben dem Silicon Valley auch in Israel Optionen auszuloten, begründet das Unternehmen. Die italienische Enet, die British Gas-Tochter Centrica und Hyundai aus Korea sind ebenfalls mit Scouting-Büros vertreten. Und die New York Power Authority erhofft sich von der Kooperation mit israelischen Start-ups Zugang zu den innovativen Köpfen des Mittelmeerlands.
SolarEdge aus Israel ist bereits heute Weltmarktführer
Dass Israel den Markt für Sonnenenergie neu aufrollen will, klingt angesichts des Rückstandes bei erneuerbaren Energien reichlich frivol. Aber mindestens eine Firma gilt bereits als Weltmarktführer: SolarEdge. Von allen israelischen Firmen, die an der NASDAQ gelistet sind, wird sie mit rund 15 Milliarden Dollar am höchsten bewertet – höher als die etablierte Cyberfirma Checkpoint oder das Big-Data-Unternehmen NICE Systems.
SolarEdge bietet „intelligente Energielösungen“ an, darunter effizientere Systeme zur Energiegewinnung und des Energiemanagements von Photovoltaik-Systemen. In den USA weist SolarEdge bei Hausinstallationen privater Haushalte einen Marktanteil von knapp 50 Prozent aus, in Europa liegt er je nach Land zwischen 15 und 40 Prozent. Die 2006 gegründete Firma mit weltweit mehr als 3.000 Arbeitnehmern ist vor allem für ihre Leistungsoptimierer für Solaranlagen bekannt.
An der Tel Aviver Börse sind seit kurzem ebenfalls Solar-Firmen gelistet. Das Start-up Nofar Energy hat im Dezember Israels lukrativsten und zweitgrößten Börsengang des Jahres 2020 realisiert. Weil freie Flächen für Solaranlagen beschränkt sind, installiert Doral Solar-Anlagen nicht nur auf Dächern und auf den Felder von Kibbuzim, sondern auch auf über 8000 Fischteichen. Die doppelte Nutzung habe den Vorteil, dass über den Weihern gleichzeitig Energie erzeugt und die Verdunstung reduziert wird, sagt Doral--Gründer Ofer Yannai.
Yannai rechnet mit einem „enormen Wachstum“ der Stromnachfrage, weil in den kommenden fünf Jahren die E-Mobilität auf den Straßen um einen Drittel steigen werde. Da die Autobatterien vor allem abends aufgeladen werden, sei die Stromspeicherung eine wichtige Voraussetzung für den Vormarsch der Elektromobilität.
Die israelischen Start-ups StoreDot und Addionics entwickeln bessere Stromspeicherlösungen - Großunternehmen wie Daimler und TDK unterstützen
Das Start-up StoreDot will den Siegeszug des Elektromobils beschleunigen und entwickelt Autobatterien, die in nur fünf Minuten geladen werden. Hunderte von Prototypen werden derzeit von Herstellern getestet. Das Unternehmen mit Sitz in Herzliya nördlich von Tel Aviv wird von Daimler unterstützt, zudem von British Petroleum, Samsung und TDK.
Auch das Jungunternehmen Addionics will die Leistungsfähigkeit der Stromspeicher verbessern. Im Unterschied zu anderen Herstellern legt Unternehmenschef Moshiel Biton den Fokus dabei aber nicht auf Chemie, sondern auf Physik. 3D-Elektroden verbessern die Leistungsfähigkeit in puncto Kapazität, Sicherheit, Lebensdauer, Kosten und vor allem Ladezeit, die Addionics um bis zu 50 Prozent verkürzen will. In zwei bis drei Jahren sollen die Batterien marktreif sein.
Israel könnte mit Solarenergie 90 Prozent des Strombedarfs decken, sagt der Solarexperte David Faiman von der Ben-Gurion-Universität. Die Wüste Negev wäre geeignet, meint der emeritierte Physikprofessor, bietet derzeit auf israelischer Seite nicht genügend Raum für die Solarfarmen. Um das Potenzial zu realisieren, wären Abkommen mit den beiden Nachbarstaaten Jordanien und Ägypten nötig. Dann könnten alle drei Staaten völlig auf Solar umstellen.
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