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Innovationweek

Start-ups in den USA Das Silicon Valley bekommt Konkurrenz

San Francisco erlebt seit der Coronakrise einen Exodus wie keine andere amerikanische Großstadt. Ist die größte Boomregion der USA in Gefahr?
05.05.2021 - 04:00 Uhr Kommentieren
Einen kompletten Exodus der Techfirmen muss die kalifornische Stadt nicht fürchten. Die großen Unternehmen bleiben erst mal im Silicon Valley. Quelle: AFP
Leere Straßen in San Francisco

Einen kompletten Exodus der Techfirmen muss die kalifornische Stadt nicht fürchten. Die großen Unternehmen bleiben erst mal im Silicon Valley.

(Foto: AFP)

San Francisco Betrachtet man die Abwanderungsstatistik, scheint San Francisco auf dem besten Weg, das neue Detroit zu werden. Seit Beginn der Pandemie haben  sich laut der Lokalzeitung „San Francisco Chronicle“ mehr als 60.000 Bürger abgemeldet. Einst sollte man nur mit „Blume im Haar“ in die Fast-Millionen-Stadt reisen, nun reisen die Menschen mit Umzugskisten ab.

Für San Francisco und das südlich davon gelegene Silicon Valley könnte das zum Problem werden: Schließlich ist das wichtigste Kapital der Region längst schon nicht mehr Gold in Sutters Mill, die Nähe zum Pazifik oder Banken im Financial District. Sondern, dass die Region mit ihren weltweit renommierten Universitäten Stanford und Berkeley und als Heimat der weltgrößten Technologieunternehmen Talente aus der ganzen Welt anzieht. Oder: angezogen hat?

Aktuell macht noch jeder Wegzug eines prominenten Investors oder Unternehmers Schlagzeilen: Etwa als die Big-Data-Analysefirma Palantir ihren Sitz von Palo Alto nach Denver verlegte und Gründer Alex Karp die Gelegenheit nutzte, um die linke Grundstimmung im Valley zu kritisieren. Palantir-Mitgründer Joe Lonsdale schimpft von seiner neuen Heimat in Austin im Bundesstaat Texas auf San Franciscos „Anti-Wachstums-Mentalität“.

Auffallend viele der Valley-Flüchtlinge entstammen der Clique um Facebook-Investor, Trump-Unterstützer und dritten Palantir-Gründer Peter Thiel: Einige Partner seiner Risikokapitalfirma „Founders Fund“ sind nach Miami gezogen, sein Paypal-Co-Gründer Elon Musk nach Texas, wo er auch ein neues Tesla-Werk baut – allerdings hatte Musk wie Thiel selbst schon länger in Los Angeles gelebt.

Oracle-Gründer Larry Ellison – ebenfalls ein Trump-Spender – hat seine Firma nach Texas und seinen eigenen Wohnsitz nach Hawaii verlegt. Der Großteil der Beschäftigten des SAP-Konkurrenten soll aber in Nordkalifornien bleiben.  

Von einer echten Krise der Techindustrie ist im Silicon Valley noch nichts zu spüren: Die Großkonzerne wie Apple, Facebook oder Alphabet boomen in der Pandemie mehr denn je, weil sich das Leben auf der ganzen Welt ins Digitale verlagert. Die Generation nach ihnen, die Reiseplattform Airbnb oder der Cloud-Spezialist Snowflake, hat im Corona-Jahr 2020 Börsengänge jenseits der 100-Milliarden-Dollar-Bewertung hingelegt.

Das Silicon Valley verliert relativ zu anderen Regionen

Allenfalls bei den Start-ups deutet sich eine Verschiebung an. Die Analysefirma Pitchbook prognostiziert in einem Bericht vom Februar, dass der Anteil am gesamten US-Risikokapital, das in Start-ups aus der Bay Area fließt, in diesem Jahr erstmals unter 20 Prozent liegen könnte – der Durchschnitt in den Jahren 2016 bis 2020 lag bei 23,6 Prozent. „Auch wenn der volle Effekt des Wegzugs aus der Bay Area erst über längere Zeit sichtbar werden wird, sind die Investments in Start-ups einer der ersten Indikatoren“, schreiben sie in ihrem Report.

Die Deal-Aktivität in der Bay Area werde weiterhin spitze bleiben, schreiben die Pitchbook-Experten. Die Kombination aus Spitzenuniversitäten, den wichtigsten Investoren der Welt und einer angestammten Industrie sei in der Form nur im Silicon Valley gegeben. „Unternehmen und Mitarbeiter zu verlegen und auf die Entwicklung neuer Tech-Hubs zu hoffen ist einfacher gesagt als getan.“ Aber zumindest bekommen nun auch andere Regionen in und außerhalb der USA eine Chance, ein größeres Stück von dem ständig wachsenden Kuchen abzubekommen.

Aus dem Nichts entstehen die neuen Tech-Hubs aber auch nicht: Texas hat zwar einen Ruf als Ölstaat, hat aber eine ähnlich lange Technologie-Tradition. Der einstige Präsidentschaftskandidat Ross Perot, der Inbegriff des großmäuligen texanischen Milliardärs, verdiente sein Geld als IT-Unternehmer und als Investor in Steve Jobs Firma NeXT. Der Laptophersteller Dell und der Chipkonzern Texas Instruments kommen von dort, Austin ist ein großes Zentrum der Halbleiterproduktion mit Standorten von Samsung, NXP und Infineon.

Der stärkste Treiber für den Wegzug aus dem Silicon Valley dürfte aber nicht die Attraktivität neuer Tech-Hubs oder San Franciscos bisweilen skurrile Stadtpolitik sein: Viele der großen Arbeitgeber der Region stellen auch nach der Pandemie auf ein hybrides Arbeitsmodell um. Wer die gewaltigen Mieten der Region vermeiden, ländlicher wohnen oder seine Eltern pflegen will, muss seinen Job bei einem der Techkonzerne dafür nicht mehr aufgeben.

Facebook hat angekündigt, dass viele seiner Mitarbeiter dauerhaft nicht mehr ins Büro kommen müssen. Google, das Vorbild für die bunte, offene Officekultur der Techbranche, baut sein Googleplex in Mountain View zu einer flexiblen Zentrale um – mit modularen Möbeln und „Lagerfeuer“ genannten runden Meetingräumen mit großen Wandbildschirmen, auf denen Kollegen aus der Ferne zugeschaltet werden können. 

Google baut seine Büros auf hybrides Arbeiten um

Laut dem Technologieanbieter „Kastle Systems“, der digitale Stechuhren entwickelt, sind in keiner Region der USA so wenige Menschen schon wieder ins Büro zurückgekehrt wie in San Francisco. Obwohl sich das Leben in Kalifornien langsam normalisiert, liegt die Zahl der Bürobesuche in San Francisco bei einem Siebtel des Niveaus vor der Pandemie.

In den texanischen Metropolregionen Dallas, Houston und Austin geht bereits wieder knapp die Hälfte der Angestellten ins Büro, selbst Los Angeles in Südkalifornien – von der Pandemie deutlich härter getroffen als San Francisco – liegt schon wieder bei einem Viertel.

Für die Region zwischen San Francisco und San Jose ist der Trend zum ewigen Homeoffice Chance und Problem zugleich: Der Wegzug nimmt Druck vom seit Jahren überhitzten Wohnungsmarkt und schafft die Chance für Unternehmen, auch Talente zu werben oder zu halten, die nicht in Kalifornien leben möchten. Hohe Gehälter und Prestige bieten die Techgiganten ja weiterhin.

Doch wenn ein Google- oder Facebook-Mitarbeiter sich in der Ferne entscheidet, ein eigenes Unternehmen zu gründen, könnte er es direkt dort tun, statt nach Kalifornien zurückzukehren. Die Angst, dass Investoren über Zoom keine Termsheets unterschreiben möchten, ist geschwunden.

Anders als die Auto-Stadt Detroit ist das Silicon Valley aber keineswegs von einer einzelnen Branche oder einer Handvoll Konzernen abhängig. Das Wort „Tech-Industrie“ hat nahezu jede Bedeutung verloren, weil es inzwischen alles von der Chip-, Smartphone- und Elektroauto-Industrie über Software und Internetdienste bis hin zu völlig neuen Bereichen wie künstlichen Lebensmitteln, Flugtaxis oder Gehirn-Implantaten einschließen soll. Trotzdem sitzen viele der führenden Unternehmen in allen genannten Branchen in Nordkalifornien.  

Selbst das „Silicon“ in „Silicon Valley“ wird immer noch neu erfunden: Die neue Chip-Architektur Risc-V, die den Standard x86 des Branchendinosauriers Intel herausfordern soll, wurde an der Universität Berkeley entwickelt. Bevor die Region von außen disruptiert wird, macht sie das noch lieber selbst.

Mehr: Arbeiten, wo andere Urlaub machen: Die Zahl der digitalen Nomaden steigt in Europa und den USA.

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