Axel-Springer-Verlag „Bild“-Chefredakteur verlor in New York den Job

Die Vorwürfe gegen den ehemaligen Bild-Chef standen lange im Raum. Erst jetzt zog der Springer-Verlag Konsequenzen.
Berlin Mathias Döpfner, Chef und Großaktionär des Medienhauses Axel Springer, fand besonders lobende Worte zur Corona-Berichterstattung seines Flaggschiffs „Bild“. Chefredakteur Julian Reichelt sei „wirklich der letzte und einzige Journalist in Deutschland, der noch mutig gegen den neuen DDR-Autoritätsstaat rebelliert“, befand er in einem persönlichen Schreiben. Reichelt habe natürlich „mächtige Feinde“.
Die „New York Times“ hatte am Sonntag diese Eloge öffentlich gemacht. Vor allem aber breitete das Weltblatt aus Manhattan schwere Vorwürfe gegen Reichelt und mittelbar gegen Springer auf: Es ging um Machtmissbrauch und Sexismus an der Spitze von Europas noch immer größtem Boulevardblatt und seinen angeschlossenen Kanälen. Es kamen dabei Zweifel auf, ob es gerechtfertigt war, dass Reichelt ein internes Compliance-Verfahren im Frühjahr überstanden hatte, wenn auch leicht in der Macht gestutzt.
Wenige Stunden später hatte der Text („Vorwürfe wegen Sex, Lügen und einer geheimen Zahlung“) die Realität radikal verändert. Die Axel Springer SE warf den von Döpfner so gehuldigten und unterstützten „Bild“-Hauer „mit sofortiger Wirkung“ raus.
Als Folge von Presserecherchen habe das Unternehmen in den letzten Tagen neue Erkenntnisse über das aktuelle Verhalten Reichelts gewonnen, so die Presseerklärung. Bei eigenen Erkundigungen habe der Springer-Vorstand erfahren, dass Julian Reichelt auch nach Abschluss des Compliance-Verfahrens „Privates und Berufliches nicht klar getrennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt hat“.
Die dreiköpfige Chefredaktion wird nun Johannes Boie, 37, anführen, zuletzt Chefredakteur der „Welt am Sonntag“. Der einstige Döpfner-Assistent hatte vor seinem Springer-Entree im Jahr 2017 bei der „Süddeutschen Zeitung“ als Reporter und Redakteur gearbeitet. Mit ihm habe Springer „einen erstklassigen Nachfolger“, so Döpfner: „Er hat unter Beweis gestellt, dass er journalistische Exzellenz mit modernem Führungsverhalten verbindet.“

Vom Chefredakteur der „Welt am Sonntag“ zum neuen Vorsitzenden der „Bild“-Chefredaktion.
Mit der personalpolitischen Notbremse verhindert Springer größeres Ungemach in den USA, dem neuen Zielland der eigenen unternehmerischen Expansion. Döpfner hatte seine letzten Deals – Motto: Manhattan Transfer – in Übersee gelandet. So kam für 442 Millionen Dollar „Business Insider“ – inzwischen nur noch „Insider“ – ins Organigramm des Konzerns.
Die Schatten der US-Expansion
Und für schätzungsweise eine Milliarde Dollar erstanden die Deutschen das angesehene Portal „Politico“. An dessen Europageschäft war Springer, der sich ganz als „digitaler Verlag“ begreift, schon zuvor mit 50 Prozent beteiligt. Von Zeitungs- und Zeitschriftenaktivitäten hat sich Döpfner weitgehend getrennt, er setzt auf Online-Marktplätze („Classified“) wie „Stepstone“ oder „Immonet“. Die amerikanische Private-Equity-Firma KKR unterstützt als 45-Prozent-Aktionär den Kurs.
Einen größeren Reputationsschaden konnte sich der neue „Politico“-Eigentümer in der Causa Reichelt nicht leisten. Man war in Berlin plötzlich in der gleichen Lage wie der Medienkonzern Bertelsmann vor 20 Jahren: Den Güterslohern waren nach dem Kauf des renommierten US-Buchverlags Random House die eigenen Schummeleien über eine angeblich unbefleckte Nazi-Vergangenheit auf die Füße gefallen. In Wahrheit hatte man eine Zeit lang mit der deutschen Kriegsmaschinerie sehr gut kooperiert.
Die „New York Times“ breitete Fälle aus dem internen Springer-Verfahren gegen Reichelt ausführlich aus. Er hielt vor fünf Jahren an einer intimen Beziehung zu einem Trainee fest, obwohl eine andere Frau ihm sexuelle Belästigung vorwarf – und gab der Geliebten einen anspruchsvollen Job, dem sie sich gar nicht gewachsen fühlte. „So geht es immer bei ,Bild‘“, erzählte sie den internen Ermittlern bei Springer, „die, die mit dem Chef schlafen, bekommen den besseren Job.“
Trotz solcher Aussagen wurde Reichelt nach einer kurzen Zwangspause wieder als Chefredakteur eingesetzt – jetzt mit Alexandra Würzbach an seiner Seite, die für Personal zuständig wurde. Er mache sich selbst Vorwürfe, dass er Menschen verletzt habe, für die er verantwortlich war, erklärte Reichelt. Sein Arbeitgeber konstatierte, die gemachten „Fehler“ würden wettgemacht durch die erfolgten strategischen und strukturellen Änderungen und die journalistischen Leistungen des Beschuldigten.
„Arbeitskultur, die Sex, Journalismus und Verlagsgeld mischt“
Reichelt, ein früherer Kriegsreporter, machte weiter mit seinem aggressiven Konfrontationsjournalismus. Der fand Donald Trump so gut, dass sich ein Washingtoner „Bild“-Korrespondent laut „New York Times“ beschwerte. Verlässliche Feindbilder waren ARD und ZDF, China unter Xi Jinping, Putin und sein Freund Gerhard Schröder sowie alle, die Israel kritisieren.
Er habe aus Dokumenten das Bild einer Arbeitskultur vorgefunden, das Sex, Journalismus und Verlagsgeld mische, schrieb der „New York Times“-Journalist. Als die Frau, die Reichelt gefördert hatte, darüber klagte, dass ihre Ausgaben ihr Honorar übersteigen würden, habe der „Bild“-Chef ihr 5000 Euro gegeben – und ihr gesagt, sie solle niemals darüber reden. Das sind alles Aussagen aus dem Springer-Verfahren, die letztlich nicht endgültig bestätigt sind. Nun sind sie der Hintergrund für die Trennung von Reichelt.
Für medienpolitische Aufregung sorgt zudem die gestoppte Recherche eines Investigativteams der Mediengruppe des Verlegers Dirk Ippen, 81. Die Journalisten, einst Teil der später von Ippen akquirierten Deutschlandtochter von Buzzfeed News, protestierten öffentlich, dass ihre Enthüllungen über die „Bild“-Praktiken Reichelts am vorigen Sonntag nach monatelangen Recherchen nicht erscheinen durften.
„Wir sind schockiert von dieser Entscheidung“, schrieben die betroffenen Journalisten, dies bedeute einen „Zusammenbruch in der Zusammenarbeit zwischen dem Investigativteam und dem Verlag“. „Als Mediengruppe, die im direkten Wettbewerb mit ,Bild‘ steht, müssen wir sehr genau darauf achten, dass nicht der Eindruck entsteht, wir sollten einem Wettbewerber wirtschaftlich schaden“, verkündet das Unternehmen weiter. Zu ihm gehören etwa „Münchner Merkur“, „Frankfurter Rundschau“, „tz“, „Westfälischer Anzeiger“ in Hamm oder „Hessisch-Niedersächsische Allgemeine“ in Kassel. Es sollte jeder Eindruck vermieden werden, man könne „Teil eines Versuchs sein, einen solchen wirtschaftlichen Schaden anzurichten“.
Axios erschrocken über „hinterhältiges“ Verhalten Springers
Die „New York Times“ analysiert im Übrigen auch, dass Döpfner während seiner Gespräche mit „Politico“ angeblich parallel mit dem Rivalen „Axios“ verhandelt habe, der von früheren „Politico“-Leuten gegründet worden war. Dabei sei angeblich vorgesehen gewesen, den Axios-CEO später nach einer adäquate Phase der Geheimhaltung zum Chef der Kombination Politico-Axios zu machen – was Döpfner dementiert. Bei Axios habe man das Ganze „hinterhältig gefunden“, so die „New York Times“.
Gegenüber dem US-Blatt hat Springer-CEO Döpfner betont, die „Bild“-Kultur werde in den USA nicht repliziert. Man wolle die „beste Medienfirma in der demokratischen Welt mit den höchsten ethischen Standards und einer inklusiven, offenen Kultur sein“.
Dem „Wall Street Journal“ gegenüber legte der Manager Wert auf überparteilichen Journalismus, der sich von publizistischem Aktivismus abgrenze.
Bei „Bild“ muss unter dem neuen Frontmann Boie das alte Team schon bald Reichelts Flurschäden und Panzerspuren vergessen machen. Alexandra Würzbach bleibt Chefredakteurin von „Bild am Sonntag“, Claus Strunz verantwortet als Chefredakteur „Bild TV“, wo Reichelt zusammen mit Vize Paul Ronzheimer oft überdrehte Auftritte hatte.
Von Mathias Döpfner gab es zum Abschied des geschassten Chefredakteurs noch mal Freundliches. Man hätte gern mit der Redaktion und dem Verlag den Weg der kulturellen Erneuerung bei „Bild“ gemeinsam mit Reichelt fortgesetzt: „Dies ist nun nicht mehr möglich.“
Mehr: Reichelt bleibt „Bild“-Chefredakteur – „keine Anhaltspunkte für Belästigung“
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
Ippen und Döpfner düpiert und maximal bloßgestellt durch die New York Times. Abtreten würde ich da sagen.
@Hinz
Dafür, dass Sie anderen Menschen unterstellen, dass sie völligen Unsinn schreiben, armseligsten Gebrauch von Freiheit anprangern und ihnen Aufrichtigkeit absprechen, nur weil deren Meinung offenbar nicht der Ihren entspricht, dafür scheinen Sie selbst ja sehr schnell beleidigt zu sein.
Aber ganz ehrlich, überrascht bin ich darüber nicht wirklich.
Der eigentliche Verlierer ist eigentlich nicht (nur) Reichelt, sondern Zeitungsverleger Dirk Ippen. Wenn er den Schaden von seinem Verlag und seinen Mitarbeitern abhalten möchte, dann müsste er als von seinem derzeitigen Posten, nämlich Verleger mit Entscheidungshoheit über die Redaktionen, zurücktreten. Merkur und tz aus München, Frankfurter Rundschau und diverse Online-Portale – spätestens seit diesem Vorfall wären für mich auch die Blätter dieses Verlags tabu.
Es gibt einen Pressekodex und eine Berufsehre. Ippen ist als Verleger nicht nur journalistisch, sondern auch betriebswirtschaftlich für seine Zeitungen verantwortlich. Mit Zurückhaltung der Veröffentlichung hat in beiden Bereichen kolossal versagt.
Der zweite große Verlierer ist Springer-Chef Mathias Döpfner, der sich jetzt für alle Welt öffentlich demontiert hat.
Zu Julian Reichelt kann man folgendes sagen: Eltern beide Bild-Mitarbeiter, er also quasi in eine Bild(erbuch)-Familie hineingeboren, sich im Verlag wie ein verzogenes Kind aufgeführt und mit etlichen sexuellen Entgleisungen ausgebobt.
Genau solche Sorte von Menschen sind Gift für jedes Land und dessen Gesellschaft. Auf die deutsche Zeitungs- und Medienlandschaft wirft es ein unglaubliches dunkles, schlechtes Bild: Da müssen doch erst die Amerikaner aus Übersee kommen, um moralische und mediale Verwerfungen im alten Europa aufzuklären. Und jetzt mag bitte keiner mit wirtschaftlichen Interessen der Amis kommen, denn genau aufgrund dieser fadenscheinigen Gründe hat Ippen ja die Veröffentlichung gestoppt bzw. zensiert.
Herr Frank Hartmann,
haben Sie einen Grund mich zu beleidigen? Habe ich Ihnen das gestattet?
Ihre Umgangsformen lassen zu wünschen übrig. Ich sage es ganz deutlich. Wer keine gepflegten Umgangsformen besitzt, von dem kann man auch keinen klaren Gedankengang erwarten.
Ich bitte Sie daher, mich in Zukunft nicht mehr zu belästigen. Solche Beiträge haben für mich keinen Wert.
@Hinz
Schon klar, dass vom linksgrünen Mainstream abweichende Meinungen "völliger Unsinn" sind. Dann reden Sie aber bitte auch nicht von Pluralismus, wenn Sie hier Ihr einseitiges Weltbild zum Besten geben.
Übrigens: KKR hält 45% an der Axel Springer SE. Stepstone wiederum ist eine Tochtergesellschaft der Axel Springer SE. KKR hält 35,6% an Springer, Merkel-Freundin Friede Springer 22,5% und Döpfner 21,9%.
- Fortsetzung -
Die (für mich) mit ganz weitem Abstand beste deutschsprachige Zeitung ist - fast schon logischerweise - auch keine deutsche, sondern die Schweizer NZZ. Dort kann man wirklich noch freie Luft atmen und keinen linksgrün-totalitären Einheitsmief. Sehr viele deutsche Leser sind übrigens in den letzten Jahren wegen der linksgrünen Gleichschaltung der deutschen Medien unter dem Merkel-Regime daher auch zu den Schweizern abgewandert:
https://meedia.de/2020/03/20/geschaeftsjahr-2019-nzz-steigert-anzahl-deutscher-abonnenten-um-50-prozent/
@ Checker Joe
Genau das habe ich auch sofort gedacht. ;-)
Für meinen Vater kaufe ich morgens beim Bäcker manchmal die BILD mit. Dem verzeihe ich natürlich auch die Lektüre, da er dort sowieso meist nur den Sportteil liest.
Der Kauf in der Bäckerei läuft dann immer folgendermaßen ab: ohne den Blick zu fokussieren gehe ich an die Auslage, greife die oberste Zeitung und falte sie direkt in der Hälfte, sodass ich oft noch nicht einmal den Aufmacher lesen muss. Immer glückt das natürlich nicht, und gerade in den letzten Monaten wurde ich gerade wegen der Corona-MASSNAHMEN kritischen Schlagzeilen neugierig, habe sogar nach etlichen Jahren (!!!) wieder ganze Artikel in der BILD gelesen - und war äußerst positiv überrascht. ;-)
Da ging es teilweise gegen Spahnmerkel und co. richtig zur Sache. Dadurch wurde mir Reichelt auch direkt sympathisch. ;-) Aber man brauchte noch nicht einmal zu wissen, dass Friede Springer und Merkel Freundinnen (igitt!!) sind, um klar urteilen zu können, dass eine Meinungs- und Gesinnungsdiktatur, wie wir sie in Deutschland haben, großkalibriges Störfeuer wie von BILD unter Reichelt nicht lange tolerieren wird. Der Krieg gegen Wahrheit und Aufklärung ist auch heute (fast sogar noch mehr wie in der Vergangenheit) vor allem ein Informationskrieg.
Trotzdem muss man sich nicht mit gleichgeschalteten Einheitsmedien abfinden. Da hat man tatsächlich heute sogar noch weitaus mehr Möglichkeiten als die DDR-Bürger damals.
Was die öffentlich-rechtlich Propagierenden betrifft, so kann man mich zwar dazu zwingen, die GEZwangsgebühr zu entrichten, aber eben nicht, mir auch noch diesen Propagandadreck freiwillig anzusehen. An deutschen Printmedien lese ich regelmäßig sowieso nur noch das Handelsblatt wegen der Wirtschaftsnachrichten (wobei ich die politischen Artikel hier manchmal auch schon kaum mehr ertrage) - und unregelmäßig Eigentümlich Frei, Achgut, Tichys Einblick und den Smart Investor.
@Checker
Man ist noch kein Vertreter des Pluralismus, nur weil man sich die Freiheit nimmt völligen Unsinn zu schreiben. Das ist der armseligste Gebrauch von Freiheit, den es gibt. Daran ist gewiss nichts "Aufrechtes".
Zitat: "Von Zeitungs- und Zeitschriftenaktivitäten hat sich Döpfner weitgehend getrennt, er setzt auf Online-Marktplätze („Classified“) wie „Stepstone“ oder „Immonet“. Die amerikanische Private-Equity-Firma KKR unterstützt als 45-Prozent-Aktionär den Kurs."
Entschuldigung, ich kann hier nicht folgen. In welchem Bereich hat sich Döpfner wovon getrennt? Wie hängen jetzt Springer und Stepstone zusammen? Woran genau ist KKR mit 45-Prozent beteiligt?
Das einzige Maßen-Blatt Deutschlands, das sich auch einen Corona-kritischenBlick erlaubte. Dank Reichelt, ein-aufrechter Verfechter des Pluralismus.
Nun abserviert. Wegen sexuellen Gedöns unter den freizügigen Millenials.
Is‘ klar…