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Bastei Lübbe-Plattform Oolipo Der digitale Groschenroman

Leselust für Zwischendurch: Der Verlag Bastei Lübbe arbeitet an einer neuen Plattform für Medieninhalte auf dem Smartphone. Die Ziele sind ambitioniert: Sie soll nicht weniger als zu einem Standard für digitale Inhalte werden.
02.11.2015 - 17:31 Uhr
Die App Oolipo bietet häppchenweise Lesestoff. Quelle: dpa
Prinzip Groschenroman

Die App Oolipo bietet häppchenweise Lesestoff.

(Foto: dpa)

Düsseldorf, Hamburg Verlagsmanagern dürfte Angst und Bange werden, wenn sie Zug fahren oder beim Amt in der Warteschlange stehen: Dort sehen sie lauter Menschen, die das Smartphone aus der Tasche ziehen, sobald sie ein paar Minuten warten müssen. Auch abends auf der Couch haben viele Nutzer das Gerät in Griffweite. Für das gedruckte Wort bleibt da kaum noch Zeit, gerade bei den Vertretern der Generation U 35. „Die Millennials lesen viel, aber auf ihrem Telefon“, sagt Ryan David Mullins. Sie finden Texte bei Twitter oder beschäftigen sich mit den Neuigkeiten aus dem Facebook-Freundeskreis. „Das summiert sich wahrscheinlich zu vielen Büchern“, ist der Amerikaner überzeugt, der mit seinen 33 Jahren selbst zu dieser Generation gehört.

Doch Mullins sieht darin eine Chance – auch für Buchverlage: Er entwickelt für Bastei Lübbe die Plattform Oolipo, die ab dem kommenden Jahr Buchserien, Hörbücher und Multimedia-Inhalte für das Smartphone verbreiten soll. Und zwar so portioniert, dass man eine Episode in ein oder zwei Tagen schafft, ob auf dem Weg zur Arbeit oder auf der Couch. Die Technik, so berichtet der Amerikaner im Gespräch mit dem Handelsblatt, spiele dabei eine entscheidende Rolle.

Er treibt eines der ambitioniertesten Verlagsprojekte in Deutschland voran. Oolipo ist für Bastei Lübbe ein wichtiger Baustein bei der Digitalisierung. Der Verlag hat im Geschäftsjahr 2014/2015 zwar bereits 21 Prozent des Umsatzes mit E-Books, Apps und Computerspielen erwirtschaftet, bis 2019 will er den Anteil aber auf 50 Prozent steigern. Die neue Plattform soll dem Verlag den Zugang zu einer internationalen Leserschaft erschließen – und soll zu einem Standard für digitale Medieninhalte werden.

Bastei Lübbe ist für Reihen wie „Jerry Cotton“ und „Der Bergdoktor“ bekannt. Kurze, leicht verdauliche Lektüre gehört zum Kerngeschäft. Das Prinzip Groschenroman will er nun auf die digitale Welt übertragen – dafür braucht er aber die technische Hilfe von Oolipo: „Wir kommen aus der eher konservativen Buchbranche“, sagt Vorstandschef Thomas Schierack. Der Kölner Verlag hält 45 Prozent der Anteile an der Firma, den Rest hat er an den britischen Finanzinvestor Blue Sky Tech Ventures verkauft.

Um den Nutzern die Inhalte schmackhaft zu machen, entwickelt Oolipo eine App, die nicht wie ein virtuelles Buchregal aussieht, sondern wie ein Musikdienst. So werden Serien wie Alben mit bunten Covern gezeigt. „Hier steht, wie lange die Episode dauert“, erklärt Mullins, der das Programm auf seinem Smartphone testet. Auch die Texte, die schon online sind, sehen nicht nach Büchern aus: Sie sind mit bunten Bildern hinterlegt, Videos und interaktive Grafiken lassen sich einbinden. Wer einen bemerkenswerten Absatz findet, kann ihn bei Facebook oder Twitter verbreiten.

Auch im Hintergrund spielt die Technik eine wichtige Rolle. Ein Algorithmus wertet aus, welche Genres einem Leser gefallen, wie schnell er liest, wie viel Zeit er hat und wo er unterwegs ist. „Wenn man jeden Tag in London eine Viertelstunde in der U-Bahn unterwegs ist, kann die App passende Texte vorschlagen“, erklärt Mullins. Künstliche Intelligenz soll den Vorlieben der Leser auf die Spur kommen – Netflix mit seinen Empfehlungen ist Vorbild. An den Informationen ist auch der Verlag interessiert: „Wir bekommen zum ersten Mal Daten, um Inhalte gezielt weiterzuentwickeln“, sagt Schierack. „Wir können in unglaublicher Geschwindigkeit auf Trends reagieren.“

Bis dahin ist noch viel zu tun. Anfang April 2016 geht eine Testversion online. Im laufenden Betrieb soll eine kleine Nutzergruppe bei Entwicklung und Fehlersuche helfen. Anfang Juli öffnet das Portal für alle – zunächst mit Lesestoff, später auch mit Hörbüchern. Ähnlich wie bei Netflix oder Spotify wird eine monatliche Gebühr fällig, die rund sechs Euro betragen soll.

Damit sich das lohnt, braucht Oolipo Masse. Das Portal soll daher international sein: Beim Start 2016 wird der Dienst in Deutschland, Großbritannien und den USA angeboten, weitere Länder sollen folgen. Zudem ist geplant, die Texte an Geschäftskunden zu vermarkten, Flughäfen und Autobauer etwa.

Die Pläne gehen aber noch weiter: Oolipo soll auch anderen Verlagen eine Plattform bieten, ohne dass sie selbst eine App entwickeln müssen. Mullins vergleicht den Ansatz mit Uber: Der Fahrdienst schaffe Wert, indem er Fahrer und Passagiere mit seinen Algorithmen verbinde. Oolipo soll Leser und Verlage zusammenbringen.

Das Portal soll innerhalb von fünf Jahren 20 bis 22 Millionen zahlende Kunden gewinnen. Bis 2020 sollen nach Angaben von Februar bis zu 100 Millionen Euro in die Verlagsbilanz fließen. Wie groß der Markt ist, können derzeit indes auch Fachleute kaum einschätzen. „Das Streaming von Büchern ist ein spannendes, aber auch unübersichtliches Experimentierfeld“, sagt Unternehmensberater Rüdiger Wischenbart. Bastei Lübbe sei für die neue Welt aber durchaus gerüstet: „Die Erfahrung mit den Romanheftchen ist plötzlich sehr wertvoll“, sagt der Herausgeber des „Global E-Book Report“. Auch die Auswertung der Daten sei hilfreich: „Die Verlage können den Lesern direkt über die Schulter gucken.“ Das geht eben nur mit dem Smartphone, nicht mit einem gedruckten Buch.



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